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elektro AUTOMATION: 5G und echtzeitfähige lokale Funknetze eröffnen eine Vielzahl neuer Anwendungen von Industrie 4.0 bis zum autonomen Fahren. Gleichzeitig sind sie anfällig für Cyberattacken. Wie lässt sich hier die IT-Security sicherstellen?
Alexander Bentkus (VDE): Im industriellen Einsatz sind lokale Funknetze durch diverse Sicherheitsmechanismen besonders geschützt und auch die 5G-Technologie verspricht neue Schutzmechanismen. Grundsätzlich gilt Security by Design und somit das Ausschöpfen einer optimalen Sicherheitsarchitektur für den konkreten Anwendungsfall. Mit zunehmender Abhängigkeit an Funksysteme sind Resiliente Netzwerkstrukturen weiter zu erforschen, um somit auch potentiellen Angriffen entgegenzuwirken.
Frank Hakemeyer (Phoenix Contact): Natürlich eröffnet eine steigende (drahtlose) Kommunikation mehr Möglichkeiten eines Angriffs auf die jeweiligen Schnittstellen. Es gibt jedoch ausreichend Technologien, die dies verhindern. Das Spektrum reicht hier von der verschlüsselten Funkübertragung in den Short-Range-Technologien wie WLAN oder Bluetooth bis zur abgesicherten Ende-zu-Ende-Kommunikation über VPN-Tunnel per IPsec oder OpenVPN. Wichtig ist, dass sich der Anwender Gedanken über das Sicherheitskonzept macht und dass er vor allem die vorhandenen Sicherheitsmechanismen entsprechend einsetzt, also beispielsweise die Passwörter und Zertifikate aus dem Auslieferungszustand in einen gesicherten individuellen Zustand ändert. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist das regelmäßige Aufspielen von Firmware respektive Software-Updates. Werden neue Sicherheitslücken bekannt, schließen die Hersteller diese meist kurzfristig. Leider belassen die Anwender die installierten Geräte und damit die Maschinen und Anlagen oftmals auf dem alten Stand, sodass die Applikationen Schlupflöcher aufweisen, die teilweise schon viele Jahre öffentlich sind.
Rahman Jamal (National Instruments): 5G wird die für den Unternehmensbereich aber auch für die Verbraucher erforderliche Leistungsfähigkeit bieten können. Dies lässt eine vollständig mobile und vernetzte Gesellschaft entstehen, die sozio-ökonomische Veränderungen in der Produktivität, Nachhaltigkeit, aber auch bzgl. unseres Lebensstandards ermöglicht. Es wird die Leistungsfähigkeit von 4G weit übersteigen und für mehr Datendurchsatz, geringere Latenz, hohe Zuverlässigkeit, engere Vernetzung und größere Mobilität sorgen. Sicherheit (IT-Security) und Datenschutz sollen hierbei integraler Bestandteil des 5G-Standards sein. Zwar nimmt 5G bereits Formen an, doch ist es noch zu früh, um auf Detailaspekte einzugehen.
Michael Lemke (Huawei Technologies): Das Thema IT-Security ist extrem wichtig und es sprengt sicher den Rahmen hier auf alle Details einzugehen. Auf jeden Fall ist die Sicherung der Netze gegen Cyberattacken eine der wichtigsten Aufgaben der entsprechenden Netzbetreiber im operativen Betrieb. Es können bereits viele präventive Maßnahmen, wie die geeigneten Technologien bzw. Architekturen, zur Minimierung von Risiken beitragen. So sei daran erinnert, dass beispielsweise das Ökosystem der zellularen Technologien, und 5G als neue Generation wird da keine Ausnahme darstellen, bereits über eine hohe inhärente Sicherheit verfügt. Dazu zählen neben der Verschlüsselung der Datenübertragung über die Luftschnittstelle, die Ende-zu-Ende Sicherung von IP-Netzen mittels IPSec-Verschlüsselung, die sichere Authentifizierung der Endgeräte über das SIM-Kartenverfahren, die Trennung von Nutzer- und Netzsteuerdaten uvm. Dieses Ökosystem sichert die mobile Kommunikation seit GSM mit gutem Erfolg. Die Telekommunikationsindustrie hat viel Erfahrung im Hinblick auf die Sicherung der Netzintegrität und die Sicherung des Netzbetriebs. Davon werden auch die zukünftigen Anwendungsbereiche profitieren, sei es im Fertigungsumfeld wie auch im Bereich des automatisierten Fahrens.
Thomas Mager, (Fraunhofer IEM): Die fünfte Generation der Mobilfunktechnik 5G bietet gegenüber der zurzeit im Aufbau befindlichen vierten Generation LTE Advanced eine 1000-fach höhere Kapazität, bei 100-fach höherer Verbindungsdichte und 10-fach höherer Geschwindigkeit sowie 10-fach niedriger Latenzzeit. Da Nutzer und Anwendungen einen sehr individuellen Bedarf an Datenraten, Geschwindigkeit und Kapazität haben, muss die Netzinfrastruktur äußerst flexibel und skalierbar sein. Diese Flexibilität wird dadurch erreicht, dass vermehrt Netzwerkfunktionen virtualisiert werden, sog. „Network Function Virtualisation“ (NFV) und somit flexibler und effizienter an die aktuellen Anforderungen angepasst werden können. Dadurch kann der Netzbetreiber Teile der Infrastruktur anwendungsbezogen und auf Abruf bereitstellen, um beispielsweise eine zugesicherte Latenzzeit oder Datenkapazität bereitzustellen. Diese Flexibilität hat jedoch den Nachteil, dass im Falle einer Cyber-Attacke der Angreifer potentiell größeren Schaden anrichten kann. Daher basiert ein funktionierendes Sicherheitskonzept auf drei Ebenen:
Wartung und Pflege: Die eingesetzten Betriebssysteme und die Firmware der beteiligten Komponenten müssen auf dem aktuellsten Stand gehalten und kontinuierlich gepflegt werden. Aktuelle Fälle zeigen, dass von Cyber-Attacken primär Systeme mit veralteter Soft – und Firmware betroffen sind, deren Sicherheitslücken schon bekannt waren und durch entsprechende Patches hätten geschlossen werden können. Hier muss auch ein Umdenken bei den Anwendern und Betreibern stattfinden: die installierte Infrastruktur, wie z.B. Gateways, Router etc. müssen in die Wartungs- und Updatezyklen integriert werden.
Security und Safety im Software-Engineering: Softwareentwickler in Unternehmen müssen sich intensiver mit dem Thema Security und Safety beschäftigen und dieses bei ihrer täglichen Arbeit berücksichtigen. So werden beispielsweise für die Entwicklung oder das Debugging eingerichtete Backdoors und geöffnete Ports nicht wieder geschlossen oder die Verschlüsselungen von kritischen Daten wird nicht umgesetzt. Viele dieser „Flüchtigkeitsfehler“ sind oft der Komplexität der Softwareprojekte sowie dem Termindruck geschuldet. Daher müssen zukünftig vermehrt automatisiert Analyse-Tools zu Einsatz kommen, die den Programmcode auf Schwachstellen und Sicherheitslücken überprüfen. Auch bekannte Technologien, wie z.B. Secure Boot, Trusted Execution, Run-Time-Integrity Checker etc. müssen in diesen Produkten vermehrt implementiert und genutzt werden.
Sensibilisierung und Schulung der Mitarbeiter: Der Mensch stellt oftmals die größte Sicherheitslücke dar. Durch Schulungen und Weiterbildung muss jeder einzelne Mitarbeiter für das Thema Sicherheit sensibilisiert werden, so dass er in seinem Tätigkeitsfeld die neuralgischen Punkte kennt und entsprechend handeln kann.
Andreas Müller (ZVEI/Robert Bosch): Das Thema IT-Sicherheit ist bei vernetzten Systemen natürlich ganz generell von großer Bedeutung. Bei der Verwendung von Funksystemen erhöht sich das Bedrohungspotenzial etwas im Vergleich zu drahtgebundenen Vernetzungstechnologien, da Signale von einem potenziellen Angreifer in der Umgebung leichter abgehört und manipuliert werden können. Daher ist es wichtig, dass Aspekte der IT-Sicherheit gleich von Anfang an beim Systementwurf mit berücksichtigt werden („Security by Design“). Dies ist bei 5G der Fall: Es gibt eine eigene Arbeitsgruppe im 3rd Generation Partnership Project (3GPP), einer weltweiten Kooperation von Standardisierungsgremien für die Standardisierung im Mobilfunk, die sich nur mit Aspekten rund um die Themen „Security“ und „Privacy“ beschäftigt. Zudem gibt es auch neue Entwicklungen innerhalb von 5G, bspw. hin zur Übertragung mit so genannten Millimeterwellen, die gerade im Fertigungsumfeld zu einer deutlichen Verbesserung der Sicherheit beitragen können. In diesem Fall findet eine Übertragung bei relativ hohen Frequenzen statt (z.B. bei 28 GHz), wodurch die Funksignale durch Wände und andere Objekte geblockt werden. Somit wird es deutlich erschwert, Signale außerhalb einer Fabrik abzufangen bzw. von außen ein Funksystem innerhalb einer Fabrik aktiv zu stören. Wichtige Aspekte, an denen derzeit noch gearbeitet wird, sind beispielsweise optimierte kryptographische Verfahren, die auch für die sichere Übertragung von sehr latenzkritischen Daten geeignet sind, sowie Verfahren zur einfachen Sicherstellung eines ausreichend hohen Maßes an Sicherheit. Generell sollte aber immer fallbezogen ein ganzheitliches IT-Sicherheitskonzept in jedem Unternehmen erarbeitet werden, in dem dann die spezifischen Merkmale und Eigenschaften der 5G-Technologie geeignet zu berücksichtigen sind.
Markus Weinländer (Siemens): IT-Sicherheit ist ein wesentlicher Aspekt für die Digitalisierung, und zwar unabhängig von der Ausprägung der Kommunikationstechnologie. Dabei ist klar: IT-Sicherheit kann nicht nachträglich aufgesetzt werden, sondern muss von Beginn an im Lösungsdesign verankert werden. Das gilt auch für 5G. Zugleich ist Sicherheit nicht nur eine Frage der Kommunikationsnetzwerke, sondern muss eine Vielzahl an möglichen Aspekten berücksichtigen, zum Beispiel auch Knowhow-Schutz, Zugriffskontrolle oder Security Services zum Umgang mit konkreten Bedrohungen. Da sich aber Industrieapplikationen doch erheblich von Büro- oder Privatanwendungen unterschieden, müssen auch die Sicherheitskonzepte auf Industrial Security maßgeschneidert werden.
elektro AUTOMATION: Welche Rolle spielen 5G-Netze mit Blick auf die drahtlose Übertragung von Sensorsignalen? Sehen Sie hier insbesondere im Automatisierungsumfeld Potenziale? Bietet ggf. dafür Narrowband-IoT (NB-IoT) mehr Vorteile?
Bentkus (VDE): Die 5G-Technologie ist die Weiterentwicklung der 4G-Technologie für die Datennutzung – Stichwort mobiler Breitbandanschluss. Darüber hinaus wird der Mobilfunk mit der 5G-Technologie neue Machine-to-Machine-Einsatzbereiche adressieren: Der eine Einsatzbereich ist die Massenkommunikation von Sensoren unter Berücksichtigung von niedrigem Energiebedarf, geringen Kosten, kleinem Datenvolumen und der hohen Anzahl von Sensoren aus Gebäuden, Energienetze, Verkehr usw. Diese können mit NB-IoT oder 5G-Narrowband optimal abgedeckt werden. Der andere Einsatzbereich adressiert die Qualitätskommunikation und ist durch höchste Verfügbarkeit, sehr geringer Latenz und hohen Anforderungen an die Verbindungszuverlässigkeit geknüpft. Für jeden Einsatzbereich ist daher ein optimaler Technologiezuschnitt notwendig und wird auch zukünftig nicht mit „einer“ Technologie abgedeckt werden können. 5G muss in manchen Einsatzfällen nicht bis zum Sensor „sprechen“, sondern kann als „Koordinator“ über ein geeignetes Frequenzspektrum Qualitätsressourcen bereitstellen und andere Funktechnologien im Wirkbetrieb bei der Ausführung unterstützen.
Hakemeyer (Phoenix Contact): Diese Frage kann derzeit nur zum Teil beantwortet werden. Einerseits wendet sich NB-IoT respektive NB-LTE bereits heute an den Sensorbereich, also deutlich geringere Übertragungsbandbreiten mit einfacheren Übertragungstechniken innerhalb von Standard-4G-Mobilfunknetzen. Die Technik lässt sich somit schon jetzt für zahlreiche industrielle Anwendungen nutzen. Was 5G in diesem Bereich zusätzlich zur Verfügung stellen kann, ist noch unklar. Zwar adressieren die Stakeholder, die an 5G entwickeln, solche Use Cases und wollen damit viele tausend Sensoren innerhalb einer Mobilfunkzelle bedienen können. Es wird sich allerdings erst in den nächsten Jahren zeigen, in welche Richtung die Verbesserungen in 5G gegenüber NB-IoT letztendlich gehen. Diese Entwicklung wird zudem durch die Fragegestellung beeinflusst, welche Use Cases ausreichend Geschäftspotenzial bieten. Ob es sich dabei eher um Anwendungen für kommerzielle Sensorik – beispielsweise Wearables, E-Health oder Smart Cities – oder für industrielle Sensorik handelt, bleibt abzuwarten.
Jamal (National Instruments): In der aktuellen 3GPP-Release 14 zeichnen sich NB-IoT und LTE-MTC als durchaus denkbare Alternativen zu einer Vielzahl bereits existierender Ad-hoc-Ansätze ab. Der Fokus in der 3GPP-Release 15 liegt auf 5G und der erweiterten Nutzung des mobilen Internets (mobile broadband), weniger jedoch auf MTC (Machine Type Communications). Die aktuellen IoT-Verbesserungen in Release 14 könnten die momentan existierenden Lücken füllen und das IoT weiter vorantreiben, aber auch den Weg für neue Innovationen bereiten, wenn 5G-IoT – vielleicht nach Release 15 – den Markt erobert. Für NI eröffnet das NB-IoT immense Möglichkeiten. Wir bieten einen plattformbasierten Ansatz, mit dem sich komplexe Herausforderungen im Testbereich handhaben lassen. Dieser Ansatz gestattet es unseren Kunden, sich schnell auf neue Standards einzustellen. Zudem verfügen sie damit über kostenoptimierte Testsysteme, da unsere auf Standardtechnologien basierenden Produkte mit jeder neuen Mikroprozessor- und FPGA-Technologie automatisch günstiger werden, an Leistung aber noch gewinnen. Und eine der offensichtlichen Herausforderungen von NB-IoT ist tatsächlich der Kostenfaktor. Da zu erwarten ist, dass innerhalb kürzester Zeit Milliarden von IoT-Geräten im industriellen Bereich miteinander vernetzt sein werden, müssen die Hersteller diese Geräte möglichst kostengünstig halten, um wettbewerbsfähig zu sein.
Lemke (Huawei Technologies): Zunächst einmal spielt 5G (noch) keine Rolle, da es ja streng genommen noch nicht existiert. Es gibt allerdings eine ganze Reihe von Anwendungsbereichen, die sich Vorteile vom generellen Trend weg von leitungsgebundener Konnektivität hin zu drahtloser Vernetzung versprechen. Dabei sind die Anwendungsprofile weit gefächert und reichen von echtzeitfähiger Vernetzung mit hoher Sensorendichte und hohen Anforderungen an Durchsatz und geringsten Latenzzeiten, einem eher im Fertigungsumfeld anzutreffenden Szenario, hin zu Sensoren mit eher moderaten bis geringen Anforderungen an Datendurchsatzraten und langen Batterielaufzeiten. Die Stärken bisheriger drahtloser Technologien, seien es die IEEE 802 basierten, wie WLAN, Bluetooth oder Zigbee, die LPWAN-Technologien, wie LoRa oder Sigfox, bzw. die zellularen Mobilfunktechnologien wie insbesondere NB-IoT und LTE, liegen bereits heute in Anwendungen für die Themen Diagnose, Wartung und auch Prozessautomatisierung bzw. Logistik. Im Bereich der Fertigung, Augmented Reality und Funktionalen Sicherheit ergeben sich allerdings neue Anforderungen, die über die Fähigkeiten der existierenden Technologien hinausreichen und bei denen sich zukünftig 5G als eine Technologie der Wahl darstellen könnte.
Mager (Fraunhofer IEM): Das hängt maßgeblich von der Anwendung ab. Daher möchte ich es an einigen Beispielen erläutern. Für räumlich weit ausgedehnte und abgelegene Anwendungen, wie z.B. ein Wind- oder Solarpark, bietet 5G eine Vielzahl von interessanten Anwendungsmöglichkeiten, da hiermit eine großflächige Abdeckung bei hoher Bandbreite möglich ist. Hier lassen sich auch komplexere Überwachungs- und Steuerungsaufgaben realisieren, ohne dass der Betreiber der Anlage gleich eine kostspielige Kommunikations-Infrastruktur bereitstellt. Wenn jedoch Sensorsignale innerhalb einer Maschine oder Anlage drahtlos ausgelesen werden sollen, stellt sich die Frage, ob dieses unbedingt über 5G erfolgen muss, besonders, wenn Latenz und Zuverlässigkeit bzw. Störsicherheit eine besonders hohe Priorität haben. Die Latenz setzt sich aus der Laufzeit innerhalb des Sensorsystem, der Luftschnittstelle, des Empfängers inklusive dem nachgeschalteten Routing sowie der Datenverarbeitung im verarbeitenden System zusammen. Je mehr Komponenten beteiligt sind und je größer die räumliche Distanz zwischen Sensor und datenverarbeitendem System ist, desto höher die Latenz. Für hochdynamische Regelsysteme kann bereits eine Latenz von 1ms zu hoch sein. Daher sollte in diesem Fall die Datenverarbeitung nicht in die Cloud ausgelagert werden. Schmalbandige (Narrowband) Funkübertragungssysteme sind hingegen sehr anfällig gegenüber breitbandigen Störungen, welche das gesamte Bandspektrum betreffen. So kann man nicht auf andere Kanäle innerhalb des Bandes ausweichen. So ist z.B. ist das populäre 868MHz ISM Band nur insgesamt 7MHz breit, in Europa hingegen nur 2MHz. Diese Beispiele zeigen, dass speziell im Automatisierungsumfeld keine Technologie alle Anforderungen gleichermaßen erfüllen kann.
Müller (ZVEI/Robert Bosch): NB-IoT stellt als Teil der LTE-/4G-Standardfamilie im Prinzip einen Zwischenschritt auf dem Weg zu 5G dar. Die Technologie eignet sich insbesondere zur kosten- und energieeffizienten Anbindung von vielen IoT-Geräten, wie beispielsweise vernetzten Sensoren, mit vergleichsweise geringen Datenraten. Während die NB-IoT-Einführung derzeit bereits läuft, werden 5G-Netze erst um das Jahr 2020 herum im größeren Stil aufgebaut werden. 5G wird dabei die effiziente Vernetzung von IoT-Geräten noch weiter verbessern, was auch als „Massive Machine-Type Communication“ bezeichnet wird. Im Automatisierungsumfeld besitzen sowohl NB-IoT als auch 5G großes Potenzial, beispielsweise für die Vernetzung von Sensoren in der Prozessindustrie, im Logistikbereich oder für die Zustandsüberwachung von Anlagen und Maschinen. Da es sich um drahtlose Technologien handelt, ist auch eine einfache Nachrüstung bestehender Anlagen möglich.
Weinländer (Siemens): In der Automatisierung wird es eine einfache Kosten-Nutzen-Betrachtung geben: Einerseits können sich Anwender die Verkabelungskosten sparen, andererseits müssen die Sensoren auch mit Energie versorgt bzw. die Robustheit der Kommunikation auch in schwierigen Einbausituationen sichergestellt werden. 5G hat hier sicher seinen Stellenwert, aber nur in entsprechend sinnvollen Anwendungsfällen.
elektro AUTOMATION: In der Fertigung müssen IT- und Kommunikationssysteme bedingt durch Industrie 4.0 zunehmend Echtzeit-Anforderungen erfüllen. Welche Anwendungen sind im Zusammenhang mit 5G-Funktechnologien denkbar und was haben Sie diesbezüglich zu bieten?
Bentkus (VDE): Industrie 4.0 steht auch für Vernetzung und Flexibilität und erfordert somit leistungsfähige Funktechnologien für die Umsetzung. Mit der 5G-Technologie ist ein maßgeschneidertes Anforderungsprofil einer Anwendung umsetzbar und kann, je nach Anwendungsfall, beispielsweise den benötigten Datendurchsatz und Latenz, oder eine hohe Anzahl an parallel zu bedienenden Sensoren ermöglichen. Im industriellen Einsatz sind zukünftig verstärkt Anwendungsfelder im Bereich von fahrerlosen Transportsystemen, der Mensch-Maschine Kollaboration, mobile Werkzeuge und mobile Roboter zu finden.
Hakemeyer (Phoenix Contact): Die 5G-Technik soll in vier wesentlichen Stoßrichtungen entwickelt werden: 1) massive MTC (Machine Type Communication), also die extreme Dichte von Sensorkommunikation; 2) Enhanced Mobile Broadband, was eine nochmals deutlich erhöhte Datengeschwindigkeit – beispielsweise zum Streamen von Bildmaterial in 4K – bedeutet; 3) Critical Communications, zum Beispiel für echtzeitkritische Anwendungen unter anderem auch in der Industrie; 4) Network Operations, worunter beispielsweise das Edge Cloud Computing, Network Slicing oder Reconfiguration fällt, welches nicht nur die Kommunikation zur Basisstation umfasst, sondern ebenfalls im Backbone Veränderungen nach sich zieht. Phoenix Contact beteiligt sich hier einerseits aktiv an der Standardisierung von 5G und der Integration industrieller Interessen in die Entwicklung der 5G-Technik. Darüber hinaus bietet das Unternehmen schon heute viele Produkte mit 3G- und 4G-Technik an, die Fernwirk- und Fernwartungsanwendungen ermöglichen. In Zukunft sehen wir ein erhebliches Potenzial in der 5G-Technik, wenn sie die hochgesteckten Ziele erfüllt und entsprechende Betreibermodelle verfügbar werden – z.B. das Unterhalten privater 5G-Netze.
Jamal (National Instruments): Im Jahr 2020 wird jeder mit jedem kommunizieren. Anders als bei 3G und 4G geht es hierbei nicht allein um die Vernetzung von Menschen, sondern auch von Milliarden von Endgeräten – diversen Quellen zufolge sollen es bis dahin 50 Milliarden Geräte sein. Sei es das autonome Fahrzeug, das mit der Ampel kommuniziert oder die Smartwatch, die mit der Heizung zu Hause „spricht“ – all dies wird über 5G abgewickelt und in Echtzeit gesteuert und geregelt. Allein daran erkennt man schon, dass viele der künftigen Szenarien gar nicht kabelgebunden realisiert werden können. Auch ist es bei so vielen Endgeräten nicht möglich, diese zentral anzubinden – die Lösung ist eine so genannte „Vermaschung“. Damit diese Endgeräte die Daten aber auch schnell, sicher und energieeffizient untereinander austauschen können, sind die Anforderungen an Durchsatz, Sicherheit, Netzverfügbarkeit, Bandbreite und Latenz enorm – und anders als bei kabelgebundenen Netzwerken. NI ist zum einen bei der Implementierung von 5G, sprich beim Testen von 5G-Konzepten involviert, zum anderen ist unsere Plattform natürlich auch für die Entwicklung potenzieller Anwendungen geeignet. Da der Standard 5G jedoch noch nicht verabschiedet wurde, sind auch noch keine Anwendungen verfügbar.
Lemke (Huawei Technologies): Allgemein wird davon ausgegangen, dass 5G die Themen hohe und höchste Datenraten für die zukünftigen bandbreitenhungrigen Anwendungen zuliefert, wie sie von den virtuellen und Augmented-Reality-Anwendungen verlangt werden. Die 5G-Technologie soll aber auch für das Thema kürzeste Latenzen im Sub-Millisekundenbereich für Echtzeitanwendungen konfigurierbar sein. Und als dritte Komponente wird sie schließlich auch noch das Thema massenhafter Konnektivität bei hohen Endgerätedichten in der Fläche adressieren. Huawei wird als einer der Marktführer im Bereich der Mobilfunktechnologien und vollständiger IKT-Hersteller ein komplettes Portfolio für die 5G-Systemlösungen bereitstellen, angefangen bei der Netzinfrastruktur, d.h. den Antennen, Basistationen und den Kernnetzkomponenten, die auf IT-Cloud-Architektur beruhen. Sogenannte Edge-Computing-Komponenten werden verfügbar werden und auch bei den Endgeräten werden wir im Zuge der Fortentwicklung unseres erfolgreichen Smartphone-Portfolios entsprechenden Marktbedarf befriedigen.
Mager (Fraunhofer IEM): 5G ist beispielsweise sehr interessant bei temporären sowie mobilen Installationen, wie Baustellen oder Ernteeinsätzen in der Landwirtschaft, um ein lokales Kommunikationsnetz aufzuspannen. Des Weiteren wird 5G eine wichtige Rolle bei der sicheren Vernetzung von Fahrzeugen spielen, Stichwort V2X-Kommunikation. Beim teil- bzw. vollautonomen Fahren werden große Datenmengen in Echtzeit benötigt. Hierbei wird 5G in Zukunft eine Schlüsselrolle einnehmen, woraus sich auch Synergien für die Industrieautomatisierung ableiten lassen. Ich denke, dass dieser Markt eine höhere Dynamik aufweist und die Innovationen hier schneller umgesetzt werden. Das hat natürlich auch viel mit der Akzeptanz der Anwender zu tun.
Müller (ZVEI/Robert Bosch): Neben der zuvor erwähnten effizienten Vernetzung von IoT-Geräten wird 5G voraussichtlich auch anspruchsvolle industrielle Anwendungen mit höchsten Anforderungen an Zuverlässigkeit, Latenz und Echtzeitfähigkeit unterstützen. Hier spricht man u.a. von Latenzen in der Größenordnung von einer Millisekunde, was sich somit selbst für kritische Anwendungen wie Motion Control eignen kann. 5G hat dabei das Potenzial, die Zielsetzung von Industrie 4.0 in Richtung einer hohen Wandelbarkeit und Flexibilität der Fertigung optimal zu unterstützen. Der Einsatz der Technologie bietet sich überall dort an, wo sich Dinge bewegen, also beispielsweise zur Vernetzung von mobilen Robotern oder fahrerlosen Transportsystemen, zur Vermeidung von Schleppketten, Schleifringen, etc., sowie für neue Mensch-Maschine-Schnittstellen, was mobile Bediengeräte ebenso mit einschließt wie z.B. Anwendungen der erweiterten Realität (Augmented Reality). Zudem werden mit 5G flexible Produktionsmodule ermöglicht, die ohne Verkabelungsaufwand einfach miteinander kombiniert werden können.
Weinländer (Siemens): Schon heute gibt es eine Vielzahl von industriellen Anwendungen, die eine drahtlose Kommunikation erfordern – von Kransteuerungen bis zu selbststeuernden Transportsystemen. Je mehr Bandbreite und je mehr Echtzeitfähigkeit die Funk-Infrastruktur zu bieten hat, desto mehr werden solche Anwendungen auch in der Breite Einzug halten. Da aber der digitale Wandel in den Fabriken ein hohes Maß an weiterer Flexibilisierung erfordert, werden zunehmend multi-applikative Plattformen oder Services benötigt werden, die durch unterschiedliche Anwendungen gleichermaßen genutzt werden. Drahtlose Echtzeit-Kommunikation wird so zu einem Kernelement einer omnipräsenten Kommunikations-Infrastruktur – so wie wir heute an zahlreichen Orten selbstverständlich auf LTE zurückgreifen können, ohne erst die konkrete Applikation definieren bzw. implementieren zu müssen.
elektro AUTOMATION: Welche Rolle spielt die Entwicklung der 5G-Technologie für Sie und welche Unterstützung können Sie Anwendern bei der Nutzung des 5G-Standards bieten?
Bentkus (VDE): Die VDE-Gruppe ist in mehreren Bereichen an neuen Technologieentwicklungen beteiligt. Zum einen werden über die VDE-Fachgesellschaften frühzeitig wissenschaftliche Formulierungen von zukünftigen Technologieanforderungen und Szenarien beschrieben und auch veröffentlicht. Als zweiter Baustein spielt die elektrotechnische Normung eine wichtige Rolle in der Anwendbarkeit von neuen Technologien im industriellen Einsatz. Die VDE-Normungsexperten in der DKE beschreiben beispielsweise notwendige Anforderungen und Schnittstellen. Mit dem VDE-Prüf- und Zertifizierungsinstitut bieten wir umfassende Absicherungen der Produkte zur Markteinführung.
Hakemeyer (Phoenix Contact): Wie bereits in der vorhergehenden Frage aufgeführt bietet die 5G-Technik großes Potenzial, wenn sie gewisse Bedingungen erfüllt. Daran arbeitet Phoenix Contact und ist mit Technologieherstellern, Netzbetreibern und -regulierern sowie Standardisierern im Gespräch. Sobald die 5G-Technik tatsächlich verfügbar wird, werden wir ihre Vorzüge in Automatisierungsprodukten nutzen, um unseren Kunden Vorteile in puncto Effizienz, Zuverlässigkeit und Qualität ihrer Maschinen und Anlagen zu eröffnen. Für uns und unsere Kunden werden sich auch neue Geschäftsmodelle ergeben, die wir auf Basis der 5G-Technik angehen wollen.
Jamal (National Instruments): Bereits seit 2010 arbeitet NI an 5G, da es Forschungskooperationen aktiv unterstützt – sei es in der Industrie oder im Hochschulbereich –, deren Schwerpunkt auf der Entwicklung und Definition von Funksystemen der nächsten Generation liegt. Bei der Definition von 5G arbeitet NI mit Forschungsinstituten und -unternehmen zusammen, wie etwa Alcatel-Lucent (jetzt Nokia Bell Labs), Bristol University, Intel, KU Leuven, die Lund University, AT&T, Nokia, NTT Docomo, NYU Wireless, Samsung, der TU Dresden, und der University of Texas in Austin. Ebenso nimmt NI am Platforms Enabling Advanced Wireless Research Program teil. Unser plattformbasierter Ansatz für das Entwickeln und Testen von Funksystemen ist eine Kombination aus Hardware und Softwaretools sowie Bibliotheken, die sich auf Software-Defined Radios und Funkanwendungen maßschneidern lassen. Zudem gibt die Software Forschern im Bereich des Funks bereichsspezifische IP ebenso an die Hand wie eine flexible Systemdesignumgebung mit einem einheitlichen Prozess für die Entwicklung, Simulation und die Echtzeitprototypenerstellung.
Lemke (Huawei Technologies): 5G als kommende Mobilfunktechnologie ist seit 2009 eines der Schlüsselthemen. Huawei hat 600 Millionen US-Dollar für Forschungen in dem Bereich ausgegeben. Die 5G-Funktechnologie hat aus Sicht von Huawei den Anspruch, eine universelle, skalier- und parametrisierbare Luftschnittstelle für Anwendungsfälle bereitzustellen, die bisher nicht zu vereinheitlichen sind. Wir beteiligen uns seit vielen Jahren an der Erforschung neuer Luftschnittstellen- und Netzkonzepte und haben diese als 5G-Kandidattechnologien international bei einer Reihe von Gelegenheiten demonstriert. Dabei seien Demonstrationen von bis zu 70 Gbit/s Zelldurchsatz genannt, die gemeinsam mit der Deutschen Telekom im Millimeterwellenbereich gezeigt wurden sowie die Untersuchung neuer Antennentechnologien mit 3D-Strahlformung und räumlicher Multiplex-Signalausbreitung, dem Full-Duplex-Übertragungsmodus, neuen Signalkodierungsalgorithmen und flexiblen Wellenformen. Im Bereich der Netzkonzepte arbeitet Huawei seit geraumer Zeit an den Themen Netzwerkslicing, Netzfunktionsvirtualisierung und softwaredefinierte Netze und kooperiert in diesem Zukunftsbereich mit vielen Betreibern. In Bezug auf die Kooperationen mit möglichen neuen Anwendern von 5G-Technologie, den sogenannten Verticals, betreiben wir mit den X Labs eine globale Innovationsplattform, die gemeinsam mit Partnern neue Anwendungen untersucht und den laufenden 5G-Standardisierungsprozess mit neuen technischen Anforderungen anreichert.
Mager (Fraunhofer IEM): Die 5G-Technologie ist ein zentraler Baustein für eine Vielzahl neuartiger vernetzter Anwendungen im Kontext Industrie 4.0. Vor diesem Hintergrund erarbeitet das Fraunhofer IEM gemeinsam mit seinen Partnern und Kunden initiale Einführungsstrategien, neuartige Produktkonzepte und ganzheitliche Sicherheitsarchitekturen. Im Rahmen der Begleitforschung 5G – Industrielles Internet (www.ip45g.de) des BMBF verfolgen und gestalten wir die Entwicklungen aktiv mit und können unseren Kunden so die neuesten Ergebnisse zugänglich machen.
Müller (ZVEI/Robert Bosch): Für viele Unternehmen scheint 5G derzeit noch recht weit entfernt zu sein, allerdings kommt die Technologie sehr schnell und massiv auf uns zu. Viele Bausteine sind zudem bereits heute verfügbar und können auch in Verbindung mit existierenden Funksystemen (z.B. 4G oder WLAN) eingesetzt werden. Es ist wichtig, sich frühzeitig mit den potenziellen Auswirkungen der 5G-Technologie zu beschäftigen, da sich diese disruptiv auf viele Bereiche auswirken kann und unter Umständen zu einer nachhaltigen Veränderung etablierter Wertschöpfungsketten und Ökosysteme führt. 5G ist dabei nicht nur als eine reine drahtlose Kommunikationstechnologie zu sehen, sondern vielmehr als eine leistungsfähige Vernetzungsinfrastruktur, die innerhalb des Netzwerks auch dynamische Rechen- und Speicherressourcen zur Verfügung stellen kann. Die „Cloud“ kommt somit in die Fabrik und ermöglicht die Erschließung entsprechender Vorteile des Cloud Computing (z.B. Skalierbarkeit, effizientere Nutzung von Ressourcen, etc.) selbst für kritische industrielle Anwendungen. Um sicherzustellen, dass die 5G-Technologie sowie die damit zusammenhängenden Entwicklungen optimal zu den Bedürfnissen der Industrieautomatisierung passen, wurde innerhalb des ZVEI die so genannte „Task Force 5G“ ins Leben gerufen. Innerhalb dieser Task Force, bei der zahlreiche führende Unternehmen der Branche mitarbeiten, werden unter anderem gemeinsame Standardisierungsbeiträge vorbereitet (z.B. zu entsprechenden Anwendungsfällen und Anforderungen), neue Betreiber- und Rollenmodelle zum Einsatz der 5G-Technologie in einer Fabrik diskutiert, sowie mögliche Einführungsszenarien erörtert. Zudem erfolgt ein enger Austausch mit Vertretern der Telekommunikations- und IT-Industrie als wesentliche Treiber hinter 5G.
elektro AUTOMATION: Netzwerktechnologien sind das zentrale Nervensystem der Digitalisierung. 5G sorgt für ein Zusammenwachsen dieser Technologien und trägt damit zum digitalen Wandel bei. Welche Herausforderungen müssen Anbieter und Betreiber bei der Umsetzung bewältigen?
Bentkus (VDE): Das Zusammenwachsen kann neue Wertschöpfungspotenziale entfalten und insbesondere für Start-ups und KMUs neue Geschäftspotenziale ermöglichen. Dies erfordert neue Betreibermodelle, um den bestmöglichen Einsatz der 5G-Technologie für einen konkreten Einsatzfall bereitzustellen. Zukünftige Betreibermodelle sollten daher eine größere Vielfalt an Betriebsmöglichkeiten beinhalten, beispielsweise vom maßgefertigten Network-Slice bis zum Privatbetrieb für ein 5G-Netz in der Fabrik.
Hakemeyer (Phoenix Contact): Sie sprechen einen interessanten Punkt an. Es war in der Tat so, dass die IT- und Produktionsabteilungen eines fertigenden Unternehmens häufig relativ unabhängig voneinander agiert haben. Dieser Zustand hat sich schon durch die Etablierung der Ethernet- sowie auch der WLAN-Funktechnik in den Produktionsbereichen verändert. Mit dem Fortschreiten der durchgängigen Digitalisierung sowie einer aufkommenden 5G-Technik verschmelzen beide Bereiche immer mehr. Daraus ergibt sich für einige Unternehmen eine nicht einfache Aufgabe. Zudem werden sie sich mit neuen Kommunikationslieferanten auseinandersetzen müssen, die ihnen unter Umständen ein privates 5G-Netzwerk lokal auf ihrem Betriebsgelände installieren und/oder dies betreiben werden.
Jamal (National Instruments): Ist 5G erst einmal implementiert, wird es Netzwerke ermöglichen, die Milliarden von Geräten mit noch nie dagewesener Bandbreite unterstützen und somit neue Anwendungen und Geschäftszweige hervorbringen, die zu wirtschaftlichem Wachstum beitragen. Ebenso ist zu erwarten, dass 5G einer der Hauptfaktoren für das schnellere Wachstum des Internet of Things (IoT) sein wird, weil es bisher nicht miteinander vernetzten Geräten nun die Möglichkeit eröffnet, über drahtlose Netzwerke verbunden zu werden. Dies wiederum wird vernetzte, autonome Einheiten hervorbringen, die in den unterschiedlichsten Branchen für erhöhte Produktivität, Effektivität und Effizienz sorgen werden – sei es im Gesundheitswesen bzw. in der Medizintechnik, im Verkehrs- oder Bauwesen, im Energiesektor (Stichwort „Smart Grid“) oder im Produktionsbereich. In einigen Fällen wäre es wünschenswert, das geeignete Netzwerk je nach Anwendungsfall auswählen zu können. So ist sind für eine ablaufkritische Anwendung wie etwa ein autonomes Fahrzeug höchste Zuverlässigkeit und geringe Latenz erforderlich. Datenraten sind hier jedoch zweitrangig. In einer Fertigungshalle, die mit Sensoren ausgestattet werden soll, sind hingegen höhere Bandbreiten weniger wichtig, ebenso die Datenraten. Hier spielt eine höhere Verbindungsdichte eine größere Rolle.
Lemke (Huawei Technologies): Diese Diskussion ist sehr schön im Umfeld des IT-Gipfels 2016 bzw. des Digital-Gipfels 2017 in Deutschland ablesbar, an dem sich auch die Huawei Technologies Deutschland GmbH als verantwortliches Unternehmen beteiligt. Es wurden zwischen allen Beteiligten der interessierten und involvierten Industrien Papiere verfasst, die das Thema adressieren. Diese sind im Übrigen für jedermann auf den Webseiten des Digital-Gipfels einsehbar. Im Wesentlichen betrifft das die Themen der Verfügbarkeit von Glasfaser an den 5G-Stationsstandorten und auch die Diskussion, wie sich der Aufbau der nötigen Infrastruktur, also beispielsweise 5G-Standorte entlang der Straßen für das vernetzte Fahren gestalten lässt. Auch muss die Verfügbarkeit der nötigen neuen Frequenzen, die mit 5G genutzt werden können, in Deutschland, abgestimmt mit Europa und global, geklärt werden. Eine wesentliche Herausforderung ist auch, wie die bisher eher unabhängigen Branchen sich zu den Anforderungen und technologischen Lösungen mit der Telekommunikationsbranche verständigen.
Mager (Fraunhofer IEM): Die Betreiber stehen vor der Herausforderung einer schnellen und flächendeckenden Umsetzung von 5G und darin liegt auch die Gefahr. Einerseits können ohne eine großflächige Netzabdeckung mit 5G die möglichen Anwendungen und somit die damit verbundenen Geschäftsmodelle nicht umgesetzt werden. Andererseits benötigen die Netzbetreiber auch eine hohe Anzahl von Nutzern, welche diese Dienste in Anspruch nehmen und somit den Netzausbau finanzieren. Dieses Henne-Ei-Problem kann nur dadurch gelöst werden, dass die Netzbetreiber in Vorleistung treten. Aktuell versuchen die Netzbetreiber durch die 4G-Weiterentwicklung LTE-Advanced eine Zwischenlösung zu etablieren. In Fachkreisen wird jedoch davon ausgegangen, dass bis zur endgültigen 5G-Einführung wohl noch etwa 3 Jahre vergehen.
Müller (ZVEI/Robert Bosch): Das Zusammenwachsen der Automatisierungsbranche mit der IKT-Branche, das mit dem Aufkommen der ersten Ideen zu Industrie 4.0 bereits begonnen hat, wird sich mit der Einführung von 5G weiter beschleunigen. 5G hat dabei das Potenzial, die Art und Weise, wie Dinge produziert, transportiert und gewartet werden, nachhaltig und fundamental zu verändern. In diesem Zusammenhang ist es nicht nur wichtig, sich auf die damit einhergehenden technischen Veränderungen einzustellen, sondern gleichzeitig auch die möglichen Auswirkungen auf die derzeitigen und zukünftigen Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten im Blick zu haben. Eine wesentliche Frage wird beispielsweise sein, wer zukünftig leistungsfähige 5G-Netzwerke innerhalb einer Fabrik betreibt. Hier gibt es seitens der Fabrikbetreiber viele Stimmen, die den Netzbetrieb aus Gründen der IT-Sicherheit, Zuverlässigkeit, sowie aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht in die Hände der klassischen Netzbetreiber legen wollen. Für diese wiederum wäre dies gleichzeitig ein grundlegend anderes Geschäft als der Betrieb von großflächigen Mobilfunknetzen. Einschlägige Domänenkenntnisse sind bei den Netzbetreibern derzeit nicht vorhanden. Diese sind allerdings wichtig, um den anspruchsvollen industriellen Anforderungen gerecht werden zu können. Eine weitere Herausforderung für die Anwender ist die effiziente Integration der 5G-Technologien in existierende Fertigungsumgebungen. Dies gilt insbesondere für die Verzahnung von 5G mit den vorhandenen Kommunikationstechnologien, wie industriellen Ethernet-Systemen.
Weinländer (Siemens): Die Kommunikationsnetzwerke – drahtlos oder drahtgebunden – bilden in der Tat die Infrastruktur der digitalen Fabrik. Dabei müssen Verfügbarkeit, Performance, Sicherheit und Anpassbarkeit im Vordergrund stehen. Allerdings stehen Anwender und Betreiber vor der Frage, wie sie sich heute bereits auf die kommenden Herausforderungen der Digitalisierung vorbereiten können. Aus unserer Sicht ist der Ausbau einer adaptiven Vernetzung das Schlüsselelement. Aber auch hier gilt es, die speziellen Anforderungen der Industrie zu berücksichtigen, ohne die Offenheit des Systems zu beeinträchtigen. Ein erfolgreiches Beispiel kann Industrial-WLAN (IWLAN) geben: Hier haben wir wichtige Zusatzfunktionen entwickelt, die aber immer auf bestehenden Standards basieren.
elektro AUTOMATION: Eine besondere Herausforderung ist, dass beim industriellen Internet zwei bislang getrennte Philosophien der Produktentwicklung aufeinandertreffen: die der auf lange Zeithorizonte und Robustheit ausgelegten Maschinenbauindustrie und die von Innovationsdynamik und Flexibilität geprägte IT-Branche. Wie lässt sich diese Problematik lösen?
Bentkus (VDE): Die Herausforderung von unterschiedlichen Produktlebenszyklen der Zulieferkomponenten im Maschinenbau ist heute schon der Fall und wird beispielsweise durch standardisierte Schnittstellen und Modularisierung für ein Nachrüsten bereits vorbereitet. Industrie 4.0 bedeutet eine Durchgängigkeit über das Internet vom Feldgerät in der Anlage bis zum Entwickler dieser Komponente. IT kann somit noch optimaler, entlang des Produktlebenszyklus einer Komponente, den Bedarf permanent anpassen. Um dies zukünftig störungsfrei zu ermöglichen, ist daher eine verstärkte interdisziplinäre Zusammenarbeit zur abgestimmten internationalen Standardisierung notwendig. Mit der Gründung des Standardization Council Industrie 4.0 ist dies bereits in der Umsetzung und mit der Plattform Industrie 4.0 dafür der Rahmen zuvor geschaffen worden.
Hakemeyer (Phoenix Contact): In der Tat bewegen sich die Innovationszyklen der Mobilfunkindustrie in ganz anderen Größenordnungen als die der Prozessindustrie oder des Maschinenbaus. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass sich daraus keine ernsthaften Probleme ergeben werden. Beide Seiten werden aufeinander zugehen. Vor zwanzig Jahren hat auch niemand geglaubt, dass sich PCs zur Steuerung von Maschinen und Anlagen eignen oder eine Open Source Software in kritischen Industrieprodukten eingesetzt wird. Heute ist beides Stand der Technik.
Jamal (National Instruments): Nach unserer Auffassung können das IIoT und seine Vorteile nicht im Alleingang bewerkstelligt werden. Nicht zufälligerweise heißt es auch „IIoT“, denn hier geht es um die Konvergenz von Internet und großen „Dingen“ (Maschinen). Wir denken, dass eine partnerschaftliche Kultur mit der IT entscheidend ist, um das volle Potenzial des IIoT ausschöpfen zu können und bauen bei unseren Innovationen auf die Möglichkeiten der Integration, Koordination und Kooperation, die unser Ökosystem bereitstellt. Besonders deutlich wird dies in unserem erst kürzlich eröffneten IIoT Lab an unserem Hauptsitz in Austin. Beim NI Industrial IoT Lab dreht sich alles um intelligente Systeme, die Betriebstechnologie (Operational Technology, OT) mit Informationstechnologie (Information Technology, IT) verbinden, sowie die Unternehmen, die an diesen Systemen arbeiten. Das IIoT Lab soll zudem die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen fördern, um die Interoperabilität der verschiedenen Technologien zu gewährleisten. Es dient auch der Vorführung von Technologien, Lösungen und Systemarchitekturen für das industrielle Internet der Dinge. Mithilfe von Demosystemen können die beteiligten Unternehmen ihre Lösungen vorstellen und mit den jeweiligen Bereichsexperten an der Bewältigung realer Herausforderungen arbeiten.
Lemke (Huawei Technologies): Nun, es wäre vermessen anzunehmen, dass Huawei dafür eine einfache und für alle Seiten befriedigende Antwort vorlegen kann. Ein Ansatz liegt sicher in der Modularität der System-Lösungen bestehend aus Maschinen, Sensoren, Kommunikations- und IT-Komponenten. Die Bestandteile, die einem raschen technologischen Wandel unterliegen, könnten somit leicht ausgewechselt werden unter der Bedingung, dass sie sich standardisierter Schnittstellen bedienen. Dies ist gängige Praxis in der IT-Welt und kann sicher als Herangehensweise für die Digitalisierung in der Maschinenbauindustrie übertragen werden.
Mager (Fraunhofer IEM): In der Tat treffen hier zwei Kulturen aufeinander, die unterschiedlicher nicht seien könnten. Auch heute erleben wir bei unseren Kunden noch den klassischen Entwicklungsprozess, bei dem zuerst die Mechanik, dann die Elektronik und zum Schluss die Software „drum-herum“ entwickelt wird. Der letzte Bereich ist dabei derjenige, der zur Laufzeit der Maschinen und Anlagen am häufigsten angepasst und verändert wird und sich möglichst flexibel in das Umfeld der Unternehmen einpassen muss. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Produktentwicklung liegt daher in einer frühzeitigen integrativen Entwicklung der Systeme um diese beiden Philosophien zusammenzuführen. Am Fraunhofer IEM entwickeln wir seit Jahren Methoden zum Entwurf komplexer cyber-physischer Systeme und wenden diese erfolgreich bei unseren Partnern an. Wir glauben, dass durch die konsequente Anwendung moderner Entwicklungsmethoden und die damit verbundene offene Kommunikation über Domänengrenzen hinweg, ein Systemverständnis geschaffen wird, das es ermöglicht diese neuen und hochkomplexen Produkte erfolgreich zu entwickeln und zu vermarkten.
Müller (ZVEI/Robert Bosch): Eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Etablierung von 5G im Maschinenbau und der industriellen Fertigung allgemein ist eine enge Verzahnung sowie ein enger Austausch zwischen allen beteiligten Stakeholdern. Dies fängt bereits damit an, dass eine gemeinsame Terminologie gefunden werden muss und ein gleiches Verständnis für die größten Herausforderungen geschaffen werden sollte. So hat man beispielsweise in der Automatisierungstechnik oftmals schon ein anderes Verständnis vom Begriff ‚Latenz‘ als im Telekommunikationsbereich. Gleichzeitig muss aber gerade der Maschinenbau sicherlich noch sehr viel dynamischer und flexibler werden, um in den sich neu bildenden Ökosystemen mit vielen neuen Anbietern und potenziellen Wettbewerbern aus der IKT-Branche langfristig bestehen zu können. Die Telekommunikationsindustrie hingegen muss lernen zu akzeptieren, dass eine Fertigungslinie nicht wie ein Handy alle zwei Jahre ersetzt werden kann, sondern unter Umständen bis zu 20 Jahren oder noch länger im Einsatz ist. Daher ist die langfristige Verfügbarkeit entsprechender Komponenten und Dienste eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass 5G hier tatsächlich zu einem Erfolg wird.
Weinländer (Siemens): Das Zusammentreffen von IT und OT darf nicht dazu führen, dass die IT-Konzepte der Automatisierung „übergestülpt“ werden – dafür sind die Anforderungen zu unterschiedlich. „One size fits all“ ist deshalb kein sinnvoller Ansatz. Allerdings tut die Automatisierung gut daran, sich für die Adaption der IT-Konzepte zu öffnen. Ein Beispiel hierfür ist OPC UA als Architektur, die erstmals eine durchgängige vertikale und horizontale Kommunikation gleichermaßen ermöglicht.
Details zum Thema 5G-Netze und -Anwendungen:http://hier.pro/hzFer
„Im industriellen Einsatz sind lokale Funknetze durch diverse Sicherheitsmechanismen besonders geschützt“
„Phoenix Contact beteiligt sich aktiv an der Standardisierung von 5G und der Integration industrieller Interessen in die Entwicklung der 5G-Technik“
„5G ist beispielsweise sehr interessant bei temporären sowie mobilen Installationen, wie Baustellen oder Ernteeinsätzen in der Landwirtschaft“
„Eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Etablierung von 5G im Maschinenbau und der industriellen Fertigung allgemein ist eine enge Verzahnung sowie ein enger Austausch zwischen allen beteiligten Stakeholdern“
„Je mehr Bandbreite und je mehr Echtzeitfähigkeit die Funk-Infrastruktur zu bieten hat, desto mehr werden Anwendungen auch in der Breite Einzug halten“
„NI ist zum einen bei der Implementierung von 5G, sprich beim Testen von 5G-Konzepten involviert, zum anderen ist unsere Plattform natürlich auch für die Entwicklung potenzieller Anwendungen geeignet“
„Eine Herausforderung ist auch, wie die bisher eher unabhängigen Branchen sich zu den Anforderungen und technologischen Lösungen mit der Telekommunikationsbranche verständigen“