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Antriebe gehen auf Tuchfühlung

Trendinterview Drives & Motion: Chancen und Potenziale von Kleinantrieben
Antriebe gehen auf Tuchfühlung

Kompaktheit, Dezentralisierung und Energieeffizienz stehen auch bei Kleinantrieben im Fokus der Entwickler. Je kleiner das Antriebspaket ist, desto näher kann es am zu bewegenden Objekt platziert werden oder sich direkt mitbewegen lassen. Gefragt sind dabei vor allem kundenspezifische Adaptionen, da sie die gestellte Aufgabe am effizientesten lösen. Außerdem spielen komplette Antriebslösungen eine Rolle, bestehend aus Motor, Getriebe (so erforderlich) und Elektronik. Lesen Sie nachfolgend die Antworten von vier Experten aus dem Bereich der Klein- und Mikroantriebe.

elektro Automation: Könnten Sie zunächst den Bereich der von Ihnen angebotenen Klein- beziehungsweise Mikroantriebe eingrenzen und falls sinnvoll Angaben zu Drehmoment und Leistung machen?

van Hoek (Allied Motion): Unsere bürstenlosen DC-Motoren bieten ein Drehmoment zwischen 0,003 und 0,4 Nm bei einer maximalen Leistung zwischen 1,5 und 150 W. Alle bürstenlosen Motoren der Baureihe KinetiMax sind Außenläufer-Motoren mit integrierter Elektronik.
Moosmann (ebm-papst): Wir bieten Motoren und komplette Antriebssysteme mit einer Leistung bis 1 kW sowie einem Nennmoment bis 2 Nm und Spitzenmoment bis zu 15 Nm im Durchmesserbereich zwischen 42 mm und 80 mm an. Die maximalen Motornennmomente können bei Bedarf noch mit einem Getriebe um den Faktor 50 erhöht werden.
Kocherscheidt (Koco Motion): Neben elektrischen Antrieben in Form von Gleichstrommotoren (Durchmesser 4 – 50 mm, Leistung bis 100 W), bürstenlosen Gleichstrommotoren (12 – 90 mm, bis 500 W) und Permanentmagnet-Schrittmotoren (10 – 55 mm, bis 10 W) bieten wir auch Hybrid-Schrittmotoren (Nema 8 – 34, Haltemoment bis 12 Nm), Schrittmotoren mit integrierter Steuerung (Nema 14 bis 34, bis 12 Nm) sowie Linearaktuatoren auf Schrittmotorenbasis an – auch mit integrierter Steuerung. Zusätzlich Steuerungen, Encoder, Getriebe und weiteres Zubehör.
Arnold (PI): Unsere Piezomotor-Technologien wirken direkt linear oder rotatorisch und können als platzsparendes und hochauflösendes Antriebselement insbesondere Motor-Spindel-Antriebe ersetzen. Die erreichbaren Haltekräfte liegen je nach Bauart zwischen 1 und mehreren hundert Newton, die Geschwindigkeiten bei bis zu 500 mm/s. Die Anwendungen reichen von der Probenmanipulation in der Biotechnologie bis zur Positionierung optomechanischer Komponenten in abbildenden Verfahren; hinzu kommen ein- und mehrachsige Positioniersysteme bis hin zu komplexen Hexapoden, die auch unter Umgebungsbedingungen wie Vakuum oder Magnetfeldern eingesetzt werden können.
elektro Automation: Welche Trends treiben derzeit die Entwicklung und den Einsatz von Kleinantrieben bei Ihnen voran und welche Einsatzfelder lassen sich damit erschließen?
van Hoek (Allied Motion): Im Bereich der bürstenlosen Motoren sehen wir klar den Trend zu kleineren Bauformen, über die ganze Baureihe hinweg arbeiten wir deshalb an einer Erhöhung der Leistung pro Volumeneinheit. Darüber hinaus geht es immer auch darum, die Geräuschentwicklung der Motoren zu minimieren und die Energieeffizienz zu steigern. Anwendungen für unsere Motoren finden sich generell im Maschinenbau, insbesondere bei medizintechnischen Geräten sowie Pumpen.
Moosmann (ebm-papst): Wichtige Trends für uns sind kompakte Antriebe, Dezentralisierung und Energieeffizienz. Durch unsere kompakten Antriebe können Endgeräte kleiner gebaut werden und das Gewicht reduziert sich, was besonders bei hochdynamischen Applikationen und mitbewegten Antrieben sehr hilfreich ist. Die komplette Antriebslösung bestehend aus Motor, Getriebe, Elektronik und Regelungstechnik kann an einer Stelle integriert werden. Dadurch lassen sich EMV-Probleme vermeiden, der Entwicklungsaufwand beim Kunden reduziert sich und der Kunde erhält bezogen auf seine Anforderungen ein optimal ausgelegtes Antriebssystem. Außerdem lässt sich insbesondere beim Einsatz von vielen leistungsdichten BLDC-Motoren der Energieverbrauch drastisch reduzieren. Jeder einzelne Antrieb lässt sich so regeln, dass das Gesamtsystem möglichst effizient betrieben werden kann. Unsere kompakten Antriebe finden Anwendung im Bereich Automation, Access Control, Intralogistik, Medical, akkubetriebene Geräte und vielem mehr.
Kocherscheidt (Koco Motion): Der Trend geht hin zu integrierten Lösungen von Motor und Steuerung, kombiniert mit marktüblichen Bussystemen. Außerdem sind kundenspezifische Adaptionen und Lösungen stark im Kommen, die ein umfangreiches technisches Know-how und eine enge Zusammenarbeit mit dem Kunden erfordern.
Arnold (PI): Miniaturantriebe sind insbesondere aus der Mess-, Medizin- oder Datenspeichertechnik nicht mehr wegzudenken – letztlich haben wir sie heute auch allgegenwärtig in der Hand, beispielsweise in Smartphones zur Fokussierung oder in Objektiven zur Bildstabilisierung. Dabei ist vor allem die Messtechnik mit ihrem hohen Anspruch an Genauigkeit zunehmend auf Antriebe in kleinsten Abmessungen angewiesen – denn je höher die Anforderungen an die Präzision sind, desto näher muss der Antrieb am zu bewegenden Objekt platziert sein. Um die Forderung nach Präzision und kompakter Baugröße zu erfüllen, muss möglichst auf mechanische Komponenten verzichtet werden – was gleichzeitig zu einem kostengünstigeren und energieeffizienteren Antrieb führt. Eine Rolle spielt dabei übrigens auch der ‚Duty Cycle‘: Um bei einem hohen Anteil unter Last energieeffizient zu sein, muss ein Antrieb unter diesen Randbedingungen möglichst wenig Energie verbrauchen; ist dagegen die Einschaltdauer gering, sollte im Stand-by-Modus – solange die Position gehalten wird – kein Energiefluss stattfinden. Einen wichtigen Trend sehen wir auch darin, Antriebslösungen auf die Anwendung zuschneiden zu können. Integrierte Lösungen setzen voraus, dass alle Systemkomponenten in einen vorgegebenen Bauraum passen und hier macht sich dann die Vielfalt der Anforderungen an den Antrieb bemerkbar.
elektro Automation: Erkennen Sie technologische Grenzen, über die hinaus sich die Kompaktheit nicht weiter sinnvoll steigern lässt?
van Hoek (Allied Motion): Unsere bürstenlosen Motoren liefern wir mit integrierter Elektronik. Für Motoren mit Durchmessern kleiner als 8 beziehungsweise 10 mm stößt hier die herkömmliche Elektronik-Fertigung an Grenzen, so dass wir dann zu alternativen Technologien wie der ‚Naked-Chip-Montage‘ wechseln. Auch die Wickeltechnik für die Außenläufer-Motoren lässt sich ökonomisch sinnvoll nur für Motoren bis etwa 8 mm Durchmesser einsetzen.
Moosmann (ebm-papst): Technologische Grenzen gibt es wenig, die Grenzen sind eher in der Wirtschaftlichkeit zu sehen.
Kocherscheidt (Koco Motion): Die Grenzen der Kompaktheit sind sicher noch nicht erreicht – aber die Preise setzen grundsätzlich Grenzen. So macht es sicher wenig Sinn, beispielsweise auf einen Nema-8-Schrittmotor mit Flansch der Größe 20 x 20 mm die Steuerung zu integrieren. Da stehen Aufwand und Nutzen in keiner vernünftigen Relation mehr. Unsere kleinsten integrierten Antriebe MDrive 14 haben ein Flanschmaß von 35 x 35 mm, was nur durch den Einsatz eines speziellen hochintegrierten ASIC-Schaltkreises möglich wurde.
Arnold (PI): Grenzen nicht, aber grundsätzlich gilt: Je mehr mechanische Komponenten in einen Antrieb eingebaut sind, desto unpräziser erfolgt die Bewegungsumsetzung aufgrund von Reibung oder Spiel. Gerade bei mechanischen Komponenten im Antriebsstrang, wie miniaturisierten Kunststoffgetrieben oder Spindeln zur Transmission einer rotatorischen in eine lineare Bewegung, kommt es durch Reibung zu Verschleiß und Wärmeerzeugung. Miniaturantriebe sollten also nur aus wenigen mechanischen Komponenten bestehen. Neben DC-und Schrittmotoren sowie anderen elektromagnetischen Antrieben spielen deswegen an dieser Stelle Antriebskonzepte eine Rolle, die sich die Eigenschaften piezokeramischer Bauelemente zu Nutze machen – etwa in Form von piezoelektrischen Motoren für Handhabungs- oder Positionieranwendungen.
elektro Automation: Nicht zuletzt aufgrund der Diskussion um das Thema Industrie 4.0 dürften zukünftig vor allem Lösungen gefragt sein, in denen lokal mehr ‚Intelligenz‘ vorgehalten wird, in denen also Antrieb und Steuerung eine Einheit bilden. Wie lässt sich die Kompaktheit unter diesen Bedingungen erreichen?
van Hoek (Allied Motion): In kleinen Motoren mit weniger als 15 mm Durchmesser ist nur begrenzt Platz für die Elektronik vorhanden. Nur mit hochintegrierten Bausteinen und einer auf das Wesentliche beschränkten Funktionalität bringt die Integration der Elektronik in den Motor deswegen dem Kunden einen Vorteil. Alternativ muss die Elektronik dann doch extern verbaut werden.
Moosmann (ebm-papst): Elektroniken auf Basis der SMD-Technologie lassen eine sehr große Funktionsvielfalt auf sehr kleinem Bauraum zu. Die Basis für diese hohe Integration ist ein hoher Wirkungsgrad des Motors, des Getriebes und der Endstufe. Durch ebm-papst-Antriebe wird somit vermieden, dass sich das Antriebssystem selbständig erwärmt und damit die mögliche Leistungsabgabe reduziert wird. Der kurze Abstand zwischen Steuerungselektronik und Motor lässt eine hohe Geschwindigkeit bei der Signalübertragung zu. Damit ist der Motor besser regelbar und das Risiko von Störungen bei der Signalübertragung reduziert sich.
Kocherscheidt (Koco Motion): Die hochintegrierten Schrittmotoren mit programmierbaren Steuerungen haben wir seit zwölf Jahren im Programm – in einer der kompaktesten, am Markt befindlichen Form – und nach und nach werden zusätzliche Bus-Systeme mit integriert. Insbesondere die neue Generation der integrierten Lexium-MDrive-Antriebe wird durch das modulare Grundkonzept auch in sehr kompakter Bauweise mit Ethernet-basierten Feldbus-Schnittstellen wie Modbus TCP, EtherNet/IP und auch Profinet ausgerüstet werden.
Arnold (PI): Elektronikdesigns mit zunehmend kleinen und leistungsfähigen Komponenten aus der Mobiltechnologie können mit flexiblen Leiterplatten sowohl platzsparend als auch individualisiert gestaltet werden. Hilfreich ist auch, wenn der Antrieb mit der Systemversorgung arbeiten kann und so beispielsweise die Konvertierung der Motorspannung entfällt. Entscheidend ist aber, Mechanik und Elektronik von Anfang an als Einheit zu entwickeln! Dazu sind Tools für das Design oder auch zur Simulation beispielsweise der Wärmeentwicklung und -Abfuhr erforderlich und Menschen, die die Tools nicht nur bedienen können, sondern integriert denken!
elektro Automation: Welche Möglichkeiten bieten Sie hinsichtlich der Programmierung der Steuerung und hinsichtlich einer möglichst leichten Einbindung in übergeordnete Steuerungskonzepte?
van Hoek (Allied Motion): Wir liefern im Klein-Motoren-Bereich nur Antriebe, die bereits ab Werk programmiert sind.
Moosmann (ebm-papst): Für die Einbindung in ein übergeordnetes System stehen die Schnittstellen RS485 bei unserem K4-Elektronikmodul und CANopen bei unserem K5-Elektronikmodul zur Verfügung. Die Steuerung bei unserer integrierten K4-Lösung kann über eine parametrierbare Programmieroberfläche – Kickstart – direkt programmiert werden und damit perfekt und einfach an die Applikation angepasst werden. So erhält der Kunde einen individuellen und gleichzeitig kostengünstigen Antrieb, der optimal zur Anwendung passt. Hier können Drehzahl und Drehmoment geregelt, Festdrehzahlen ausgewählt werden oder eine Positionieraufgabe gelöst werden. Unsere K5-Lösung lässt dem Kunden noch mehr Freiheiten. Hier kann ein individueller Funktionsablauf programmiert werden, der dann in der Anwendung exakt vom Antrieb umgesetzt wird. Zusätzlich kann von der K5-Steuerung auch eine einfache SPS-Funktionalität übernommen werden, wodurch sich das Kundensystem noch kompakter gestalten lässt.
Kocherscheidt (Koco Motion): Wir bieten ein umfangreiches Spektrum der elektrischen Kleinantriebe von ‚einfach und günstig‘ bis ‚voll programmierbar und hochintegriert‘. Übergeordnete Steuerungskonzepte sind sehr vielschichtig – von der Stand-alone-Lösung bis zur Steuerung mit speziellen Feldbus-Systemen. Wir decken daher nahezu alles ab von der klassischen Takt-/Richtungsschnittstelle, besonders bei Mehrachs-Interpolationen, über RS485, CANopen bis hin zu Ethernet-basierten Feldbussystemen wie EtherNet/IP oder Modbus TCP. Entsprechende Programmier- und Konfigurationsprogramme ermöglichen eine einfache und schnelle Inbetriebnahme.
Arnold (PI): Die Frage ist, was braucht der Anwender? Im Forschungsbereich unterstützen unsere Motion-Controller gängige Plattformen wie Labview oder Matlab. Im Automatisierungsbereich bieten wir SPS-Ansteuerungen mit Ethercat-Schnittstelle, realisiert haben wir auch eine CAN-Bus-Anbindung. Miniaturisierte Antriebe sind zudem sowohl ein Forschungs- wie ein Industriethema; und die Medizintechnik kennt andere Anforderungen als die Halbleiterindustrie. Der Anbieter von Miniaturantrieben als Systemkomponente muss sich also einerseits auf seine Märkte einlassen und ihren Anforderungen genügen, andererseits durch seine Technologie inspirieren, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen.
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DIE EXPERTEN
    • Johan van Hoek, Product Line Manager, Allied Motion Technologies Inc/Precision Motor Technology B.V., Dordrecht/Niederlande
    • Johannes Moosmann, Leitung Business Unit Industrielle Antriebstechnik, ebm-papst St. Georgen GmbH & Co. KG, St. Georgen
    • Gerhard Kocherscheidt, Geschäftsführer, Koco Motion GmbH, Dauchingen
    • Steffen Arnold, Leiter ‚Markt und Produkte‘, Physik Instrumente (PI) GmbH & Co.KG, Karlsruhe

ZUM HINTERGRUND
Im Frühjahr meldeten die Marktforscher von Frost & Sullivan, dass steigende Energiekosten die Nachfrage nach elektrischen Mikroantrieben stimulieren würde – aufgrund der ständigen Weiterentwicklung von Rechtsvorschriften im Energiebereich und den erforderlichen Regulierungen hinsichtlich Energiekosten und Effizienzsteigerung. Allerdings kommen schon im Bereich der größeren Antriebe energieeffiziente Motoren nur sehr schleppend zum Einsatz (siehe elektro Automation 3/2013, S. 19ff.), was nicht zuletzt mit ‚günstigem‘ Industriestrom und dem Engineering-Aufwand hinsichtlich der erforderlichen Änderungen an der Maschine oder Anlage zusammenhängt. Werden also Mikroantriebe eher aus anderen Gründen – etwa der bewussten Miniaturisierung – eingesetzt? Laut Frost & Sullivan wird die Nachfrage auch durch technologische Veränderungen getrieben, elektrische Antriebe würden dadurch kompakter und anwendungsfreundlicher. Hinzu kämen Fortschritte bezüglich der Netzwerkfähigkeit der Mikroantriebe und die meisten Hersteller böten den OEMs Paketlösungen an, die den Bedarf an Schaltschränken, komplexen Verkabelungen und Platz reduzierten. Grund genug für die elektro Automation, einmal bei einigen Herstellern nachzufragen. Dabei ist es übrigens gar nicht so einfach, den Bereich der Klein- und Mikroantriebe genau zu definieren. Dieser beginnt nämlich bei den extrem kleinen Piezo-Antrieben und kann durchaus bezüglich des Leistungsbereichs bis an die Ein-Kilowatt-Schwelle gehen. co
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