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„Innerhalb des PEPs müssen physische und virtuelle Welt verbunden werden“

Prof. Dr.-Ing. Martin Eigner, Lehrstuhl für Virtuelle Produktentwicklung (VPE), TU Kaiserslautern
„Innerhalb des PEPs müssen physische und virtuelle Welt verbunden werden“

„Innerhalb des PEPs müssen physische und virtuelle Welt verbunden werden“
Bild: VPE
17 Lehrstühle aus fünf Fachbereichen haben sich an der TU Kaiserslautern zum Center for Smart Systems Engineering (cSSE) zusammengeschlossen. Für Prof. Martin Eigner trägt das nicht nur wesentlich zur Profilschärfung der TU Kaiserslautern bei, sondern ermöglicht insbesondere Maschinenbauingenieuren den Umgang mit den zunehmend komplexer werdenden interdisziplinären Produkten und Systemen.

develop3: Wie definieren Sie den Begriff Systems Engineering und welche Rolle spielt dieser beziehungsweise die disziplinübergreifende Zusammenarbeit in der Arbeit Ihres Instituts?

Eigner: In den 60er Jahren wurde insbesondere in der amerikanischen Luft- und Raumfahrt und in großen Militärprojekten Systems Engineering (SE) als interdisziplinärer, dokumentengetriebener Ansatz zur Entwicklung und Umsetzung komplexer technischer Systeme in großen Projekten definiert. Dieser Ansatz wurde aus Sicht der Software- und Elektronikindustrie permanent ausgebaut und bietet heute Modellierungs- und Simulationsunterstützung von komplexen, stark vernetzten Systemen an. Systems Engineering basiert auf dem Prinzip, dass ein System mehr ist als die Summe seiner Subsysteme. Aus diesem Grund sollten nicht nur die Zusammenhänge der Teilsysteme, sondern vor allem auch die Gesamtzusammenhänge betrachtet werden. Nach den Vorgaben des INCOSE ist das Systems Engineering eine Disziplin, deren Aufgabe die Erstellung und Ausführung eines interdisziplinären Prozesses ist, der garantieren soll, dass Kunden- und Stakeholder-Anforderungen qualitativ hochwertig, zuverlässig, kostengünstig und in vorgegebener Zeit über den gesamten Produktlebenszyklus erfüllt werden können. So schlägt das Vorgehensmodell für komplexe Aufgaben ein Vorgehen vom Groben zum Detail vor, das durch eine Gliederung und Aufteilung von Subsystemen die Komplexität des Gesamtsystems sukzessive reduziert. Aufgabe eines modernen interdisziplinären und integrierten Produktentwicklungsprozesses (PEP) muss die Öffnung und Einbindung aller Disziplinen sowie die Integration eines föderierten, das heißt eines auf verschiedene Standorte und/oder Zulieferer verteilten Produkt- und Prozessmodells sein. Der Lehrstuhl VPE arbeitet aufgrund des modellgetriebenen Ansatzes mit dem Begriff des Model Based Systems Engineerings (MBSE). Während klassische Methoden des Systems Engineerings papier- oder dokumentenbasiert sind, ermöglicht MBSE als Weiterführung des Systems Engineerings ein modellbasierendes Vorgehensmodell. Es handelt sich um einen multidisziplinären Ansatz, der auf entwicklungsphasenspezifischen, digitalen Systemmodellen basiert, die entlang des Produktentwicklungsprozesses integriert werden. Das erlaubt die interdisziplinäre Modellierung in verschiedenen Phasen des Produktentwicklungsprozesses.
develop3: Welche Aufgaben stellen sich aus Ihrer Sicht speziell im Bereich der Forschung, um ein erfolgreiches Systems Engineering zu ermöglichen? Ist Ihr Institut dazu ebenfalls interdisziplinär aufgestellt und/oder arbeiten Sie mit Kollegen anderer Fachrichtungen zusammen?
Eigner: Systems Engineering und MBSE werden besonders bei der Entwicklung Smarter Systeme und Services im Rahmen des Industrial Internets relevant. Die Folge ist, innerhalb des Produktentwicklungsprozesses eine Verbindung zwischen der physischen Welt der Dinge und der virtuellen Welt der Daten herzustellen. Cybertronische Systeme stellen dabei die Grundlage. Es handelt sich um Geräte, Gebäude, Verkehrsmittel oder auch um Produktionsanlagen sowie Komponenten der Logistik, die eingebettete Systeme enthalten und über das Internet kommunikationsfähig sind. Darauf aufbauend werden neue, oftmals disruptive dienstleistungsorientierte Geschäftsmodelle für die jeweiligen Anwendungen entwickelt, etwa Smart Products, Smart Energy, Smart Farming und Smart Buildings. Als Grundlage dienen vollkommen neue interdisziplinäre Engineering-Methoden (SE/MBSE), Prozesse, IT-Werkzeuge und kommunikationsfähige Komponenten (Internet of Things) sowie eine internetbasierte Systems- und Service-Plattform, die eine intelligente Ablage und Auswertung der von den Komponenten gelieferten Sensordaten erlaubt (Big Data, Cloud, Business Analytics, Visualisierung und Security/Safety). Darauf aufbauend werden die anwendungsabhängigen dienstleistungsorientierten Geschäftsmodelle entwickelt (Internet of Services).
Dieses Arbeitsgebiet ist hochgradig interdisziplinär. Einerseits müssen die vertikalen Barrieren zwischen den ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen aufgebrochen werden, andererseits müssen Wissenschaftler auf verschiedenen horizontalen Ebenen zusammenarbeiten. An der TU Kaiserslautern haben sich 17 Lehrstühle aus fünf Fachbereichen zum Center for Smart Systems Engineering (cSSE) zusammengeschlossen. Es trägt wesentlich zur Profilschärfung der TU Kaiserslautern bei. Sie erweitert, vertieft und integriert damit die bestehende Forschungskompetenz. Die Breite und Tiefe der fachlichen Abdeckung dieser komplexen Problemstellung sowie die Arbeit der am cSSE integrierten Wissenschaftler in den Bereichen Forschung, Lehre und Transfer durch die Einbindung der SmartFactoryKL sind ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal dieser Initiative. Mit cSSE wird die bereits in vielen Projekten nachgewiesene interdisziplinäre Zusammenarbeit über die Fachbereichsgrenzen gefestigt und gefördert. Durch das wissenschaftliche Netzwerk und die zu Grunde liegende Struktur wird sowohl die Grundlagen- als auch die Anwendungsforschung im nationalen und internationalen Forschungsumfeld eine herausragende Stellung erhalten. Die bestehenden Kooperationen mit nationalen und internationalen Einrichtungen, Universitäten und Unternehmen werden stetig erweitert.
develop3: Welche Konsequenzen hat der Gedanke des Systems Engineerings für die Lehre? Wie werden sich Studiengänge des Maschinenbaus und der Elektrotechnik auch angesichts der steigenden Bedeutung der Software in Produkten verändern?
Eigner: Interdisziplinäre Produkte und Systeme werden für den Maschinenbauingenieur zunehmend komplexer und führen oftmals zu einem Gefühl der Überforderung. Virtualisierung, Integration und Interdisziplinarität zwischen den Disziplinen Mechanik, Elektrik/Elektronik, Software und Dienstleistung sowie die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Phasen des Produktlebenszyklus werden zur Grundlage eines modernen PEP. Dazu kommen die beiden Gestaltungsdreiecke des PEP, die die Spannungsfelder Technik, Organisation und Mensch sowie Ökonomie, Ökologie und Soziologie aufspannen und dem Ingenieur eine größere betriebliche und gesellschaftliche Verantwortung übertragen. Kompetenzen wie zum Beispiel Akzeptanz, Internationalität, Motivation, Organisationsfähigkeit, Prozessverständnis, Verantwortungsgefühl, Kreativität und Kommunikationsfähigkeit gewinnen immer mehr an Bedeutung. Gleichzeitig werden Berufseinsteiger an Universitäten und Hochschulen aufgrund veralteter Ausbildungskonzepte nur unzureichend auf die genannten Anforderungen am späteren Arbeitsplatz vorbereitet. Der Lehrstuhl VPE möchte für Studenten der Ingenieurwissenschaften und für Ingenieure, die bereits im Berufsleben stehen, sowohl einen Überblick über interdisziplinäre Methoden, Prozesse und IT-Lösungen als auch Beispiele des Gestaltungsrahmens geben. Insofern werden auch die Themen technische Organisation und Prozessgestaltung, Systems Engineering, Human Factors sowie nachhaltige Produktentwicklung in der zentralen Vorlesung ‚Modellbasierte Virtuelle Produktentwicklung‘ behandelt. Das weitere Vorlesungs- und Übungsangebot in Maschinenbau und Verfahrenstechnik (MV) umfasst:
  • IT im Engineering – Vorlesung und Gruppenübung im ersten Semester MV (SE/MBSE sowie Matlab Simulink am Beispiel Lego Mindstorm)
  • Integrierte Design and Engineering Education (IDEE) – im ersten/zweiten Semester MV (Gruppenübung Konstruktion)
  • Product Lifecycle Management (PLM)
  • Kaiserslauterner Open Online Course (KLOOC) – nachhaltige Produktentwicklung mit Partnern aller Fakultäten
  • Interdisziplinäre Entwicklungsmethoden: Ringvorlesung zusammen mit allen ingenieurwissenschaftlichen Fachbereichen (geplant im Rahmen des cSSE) co

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