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Energiesparen leicht gemacht

PROFIenergy-Standard ermöglicht ‚intelligenten‘ Energieeinsatz
Energiesparen leicht gemacht

Innovationen für eine schnellere und kostensenkende Automatisierung erfordern teilweise grundlegend neue Kommunikationsmechanismen. Neben der Definition der technischen Grundlagen muss auch die einfache Anwendbarkeit gegeben sein, sonst bleibt der Erfolg aus. Internationale Standards entstehen deshalb in herstellerübergreifenden Working Groups, die sich mit Anwendern abstimmen. Ein Beispiel dafür ist der Standard PROFIenergy für ein besseres Energiemanagement.

Der Autor Dipl.-Ing. Xaver Schmidt leitet den Arbeitskreis Profinet-Marketing bei der Profibus Nutzerorganisation e. V. (PNO) in Karlsruhe, die neben 26 weiteren regionalen Vertretungen Mitglied im internationalen Dachverband Profibus & Profinet International (PI) ist. Zudem arbeitet er für die Division Industry Automation im Industry Sector der Siemens AG.

In älteren Anlagen und Maschinen war der Energieverbrauch bis vor Kurzem eher zweitrangig, da Eigenschaften wie Produktionsgeschwindigkeit und -zuverlässigkeit im Vordergrund standen. Bezüglich der Kostenreduktion ist allerdings der Energieverbrauch heute zunehmend ein wesentlicher Hebel. Während der Produktion lässt sich der Energiebedarf durch verschiedene Maßnahmen wie effizientere Motoren oder eine zweckmäßigere Auslegung der Anlage reduzieren. In Pausen wurde die Anlage dagegen bisher einfach weiter unter Spannung gehalten – oder mit entsprechenden Schaltern komplett ausgeschaltet. Ein gezieltes und koordiniertes Ausschalt- und Einschaltverhalten lässt sich auf diese Weise aber nicht realisieren, wie es für das teilweise Abschalten und das zuverlässige Hochlaufen gefordert wird. Einige Anwender bauten deswegen eigene spezifische Lösungen auf. Damit lassen sich zwar erste sichtbare Erfolge erzielen, aber bei Weitem nicht alle prinzipiellen Vorteile und Potenziale ausschöpfen. Zudem ist bei diesen Maßnahmen ein erhöhter Engineering- oder Hardwareaufwand notwendig, der den Kostenvorteil wieder schmälert.
Aus vielen anderen Beispielen bei der Anlagen- und Maschinenkonstruktion ist bekannt, dass nur durch eine geeignete Standardisierung – sowohl bei den Anwendern als auch den Geräteherstellern – die Akzeptanz für ein umfassendes, energiesparendes Portfolio erreichbar ist. Die Energiesparfunktionen zum Ab- oder Zuschalten und Messen müssen fester Bestandteil der Gerätefunktionalität sein (Bild 1). Dabei ist nicht nur die Funktion eines Standards an sich wichtig, der entscheidende Faktor für den Einsatz bei den Anwendern und damit für den Erfolg am Markt ist die einfache Anwendbarkeit.
Abstimmung mit den Anwendern
Ein gut anwendbarer und akzeptierter Standard entsteht, wenn im direkten und kontinuierlichen Dialog zwischen Anwendern und System- sowie Geräteherstellern die verschiedenen Schritte der Spezifikation und Umsetzung erfolgen. In der ersten Phase bei PROFIenergy definierten Anwender und Mitglieder in einer Working Group des internationalen Dachverbands Profibus & Profinet International (PI) die detaillierten Anforderungen, wobei relativ schnell ein branchenübergreifendes Konzept verlangt wurde.
Bei der Erstellung der Lösungsentwürfe ergab sich bald die grundsätzliche Frage, wo die Intelligenz für die Abschaltung der Geräte oder wo Teilfunktionen davon liegen sollen. Vorschläge, wie etwa eine einheitliche Pausenzeitfunktionen oder fest parametrierbare Funktionen, wurden bezüglich ihrer Vor- und Nachteile abgewogen. Auf diese Weise führte die Diskussion zu der Entscheidung, die Reaktion auf eine beliebige Pausenlänge individuell dem Gerät zu überlassen. Damit können die Gerätehersteller ihr Know-how individuell gestalten und anwendungsspezifisch optimieren. Die Ansteuerung und Festlegung der Pausenzeiten erfolgt in der überlagerten Steuerung. Damit diese die Hochlaufsequenz optimal einrichten kann, enthält die Rückmeldung eines Gerätes nicht nur den aktuellen Zustand, sondern auch die jeweils notwendige Hochlaufzeit. Dadurch kann die Steuerung die einzelnen Geräte individuell starten – um sicherzustellen, dass zum geplanten Gesamtanlagenstart alle Teilnehmer wieder rechtzeitig verfügbar sind. Mit diesem Mechanismus ergab sich zudem die positive Weiterentwicklung, nicht nur geplante Pausen zum Energiesparen verwenden zu können, sondern auch ungeplante Pausen – etwa aufgrund von Anlagenstillständen in vorgelagerten Produktionseinheiten.
Ein zusätzlicher Anteil der PROFIenergy-Spezifikation ist darüber hinaus die genormte Übertragung von Energiemesswerten. Diese liegen in vielen Geräten in Form von Hardwaremesspunkten, die sowieso zur Regelung der Geräte notwendig sind, oder in Form wohlbekannter Modellrechnungen vor (Bild 2). Ein überlagertes Energiemanagement erhält so herstellerunabhängig gerätegranulare Messwerte und kann damit noch zielgerichteter Auswertungen und Folgefunktionen durchführen.
Basis liefert bestehende I/O-Kommunikation
Die Ansteuerung der Energiesparfunktionen darf nicht die schon etablierten Kommunikations-Eigenschaften von Geräten grundsätzlich ändern, da sonst größere Entwicklungs- und Engineering-Aufwände notwendig wären. Deswegen definiert PROFIenergy den Anstoß der Energiesparfunktionen nicht über zusätzliche E/A-Bereiche, sondern über Datensatzoperationen. Der grundsätzliche azyklische Kommunikationsdienst Read_Record/Write_Record ist für Parametrierung oder Diagnose bereits seit Beginn des Einsatzes von Profinet in Verwendung und somit sowohl in den Geräten als auch den überlagerten Controllern inklusive Engineering bekannt. Für PROFIenergy wurden nur noch bestimmte Datensatznummern festgelegt und die Abfolge anhand von State Machines definiert.
Die Anwendung dieser Schnittstelle zwischen Controller und Device ermöglicht nicht nur die Ansteuerung von einfachen bis hin zu komplexeren Stand-alone-Geräten, sondern auch eine Kaskadierung in den Anlagen. Unterlagerte Steuerungen werden über die integrierte Device-Schnittstelle nicht nur mit E/A-Signalen angesteuert, sondern können nun auch über diese azyklische Schnittstelle Energiesparkommandos empfangen. Die Auswertung erfolgt im lokalen Programm der Steuerung. Unterlagerte Geräte können dann über die Controller-Schnittstelle und über die PROFIenergy-Kommandos gesteuert werden.
Die Erweiterung mit PROFIenergy muss zudem rückwirkungsfrei zu den bestehenden Eigenschaften und Funktionen eines Gerätes möglich sein. So ist es beispielsweise möglich, Teile eines Gerätes per PROFIenergy abzuschalten, während gleichzeitig eine noch notwendige Sicherheitsfunktion per PROFIsafe auf anderen Teilen des Gerätes aufrechterhalten wird. Die Abläufe in einem Antrieb, wie sie in PROFIdrive festgelegt sind, lassen sich deswegen mit Energiesparfunktionen per PROFIenergy koordinieren. Durch die flexible Architektur von Profinet ist es zudem möglich, die einzelnen Funktionen über einen zentralen Controller oder aber mit Hilfe des Shared-Device-Zugriffs auf unterschiedliche Controller zu verteilen (Bild 3).
Einfach anwendbarer Standard
Ein wesentlicher Faktor für die Akzeptanz eines Standards ist die offene und konstruktive Mitarbeit vieler unterschiedlicher Firmen und Anwender, die ihr jeweiliges Know-how einbringen. Diese bei der PI gängige Arbeitsweise führt nicht nur zu einer hohen technischen Qualität, sondern auch zu einer einfachen und praxisgerechten Anwendbarkeit des Standards für…
  • …Geräteentwickler: Auf Grundlage einer klaren und einfachen Spezifikation können die Geräteentwickler die Energiesparfunktionen, die oft schon lokal vorgesehen, aber nicht ansteuerbar waren, integrieren. Mit dem ganzheitlich durchdachten Konzept von PROFIenergy ist auch sichergestellt, dass alle Aspekte eines Gerätes in der Gesamtanlage berücksichtigt sind. Zusätzlich bieten inzwischen Technologiehersteller für die Gerätehersteller nicht nur Pakete mit der Profinet-Schnittstelle, sondern auch PROFIenergy-Erweiterungen für eine weiter vereinfachte Umsetzung von Energiesparfunktionen.
  • …Systemhersteller: Auch auf Controller-Seite sind inzwischen Funktionsbausteine verfügbar, die eine einfache Ansteuerung der Energiesparmodi ermöglichen, so dass ein Programmierer nicht die Read-/Write-Record-Schnittstelle versorgen muss, sondern eine Ebene höher mehrere Geräte zugleich und einfacher ansteuern kann.
  • …OEM/Anwender: Auf Basis der abgestimmten Konzepte und Vorgehensweisen beim Ab- und Zuschalten von Anlagenteilen können nun die Anlagenplaner gleich von vornherein die Konstruktion und das Layout unter dem Aspekt von Ab- und Zuschaltvorgängen zum Energiesparen berücksichtigen. Inzwischen erstellen die Planer hierfür wiederverwendbare Makros.
Von der Spezialfunktion zum Standard
Der Beweis für eine einfache Umsetzung von PROFIenergy ist erbracht. Neben den Live-Demos mit Seriengeräten auf Messen (wie der SPS IPC Drives 2012 und der Hannover Messe 2013, siehe Info-Tipp) laufen bereits bei vielen Anwendern erfolgreich Testzellen. Diese legen die Grundlage für den Einsatz in ganzen Fabriken, die neu aufgebaut oder aus Energiesparzwängen umgebaut werden. Außerdem untersuchen inzwischen viele Anlagenbetreiber die möglichen Potenziale hinsichtlich der Energieeinsparung, um bei der Planung für weitere Anlagen oder gar für eine Umrüstung die notwendige Entscheidungsgrundlage zu haben.
Auch auf der Geräteseite zeigt sich, dass nun nach den ersten Implementierungen, die in ersten Anlagen erfolgreich waren, viele weitere folgen. Je nach aktuellem Lebenszyklus eines Gerätes erfolgt dann die Integration von PROFIenergy. Analog zur Start-Stopp-Automatik in den Automobilen, die sich von einer Zusatzfunktion zur Grundausstattung entwickelt hat, hat auch PROFIenergy in den Automatisierungsgeräten den Schritt von einer Spezialfunktion zum Standard geschafft. co

INFO-TIPP
Weitergehende Infos zu PROFIenergy und ein kurzes Video zu den Live-Demos des Dachverbands Profibus & Profinet International (PI) mit Seriengeräten auf der SPS IPC Drives 2012 und der Hannover Messe 2013 finden Sie online unter:

PRAXIS PLUS
Die Umsetzung von PROFIenergy für das Energiemanagement zeigt, dass sich durch konstruktive Zusammenarbeit von Anwendern, Geräte- und Systemherstellern auf Basis der stabilen und breiten Basistechnologie Profinet zusätzliche Funktionen schnell definieren und einfach umsetzen lassen. Dabei ist entscheidend, dass nicht nur eine Einzelfunktion definiert wird, sondern ein stimmiges Gesamtpaket aus Systemperformance, Offenheit, Diagnose und Energiesparfunktion vom Gerät bis zur Anwendung entsteht, das allen Partnern einen zusätzlichen Vorteil im globalen Wettbewerb bietet. Es zeigt sich, dass Profinet als Industrial-Ethernet-Technologie nicht nur im Sinne der Marktverbreitung, sondern auch bei den technologischen Innovationen Vorteile bietet. Denn innovative Weiterentwicklungen von Anlagen und Maschinen benötigen oft auch entsprechende grundlegende Mechanismen in der Kommunikation der Automatisierungstechnik. So lassen sich beispielsweise schnellere und präzisere Vorgänge nur steuern, wenn sich die Kommunikationsperformance durch geeignete Verfahren erhöht.
http://youtu.be/SQRUEYXS_RA
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