elektro AUTOMATION: Worin liegt die Bedeutung von TSN für die Automatisierung, ist TSN mit OPC UA eine Alternative zu Echtzeit-Feldbussen und -Protokollen bis in die Feldebene oder nur eine Echtzeit-Erweiterung bestehender Ethernet-Kommunikationslösungen?
Karsten Schneider (PNO/PI): TSN definiert lediglich einen Layer 2 für die Kommunikation, ist also nicht als Feldbusersatz zu sehen. Aber selbstverständlich bietet die Technologie große Chancen. So können damit in der Feldebene Standard-Ethernet-Controller eingesetzt werden. Dadurch profitiert der Anwender von den Entwicklungen im IT-Bereich, wie der höheren Bandbreite durch Gigabit-Ethernet. Gleichzeitig lassen sich mit TSN durchgängige synchrone Netzwerke für taktsynchrone Anwendungen realisieren. Bisher mussten solche Netzwerke separat realisiert und in den Geräten dedizierte Chips integriert werden. PI hat daher schon vor längerem beschlossen, TSN in Profinet zu integrieren. Damit in Zukunft alle Steuerungen und Feldgeräte reibungslos miteinander kommunizieren und sicher Daten austauschen können, läuft derzeit eine Reihe an Detailarbeiten, wie Standardisierung, Prüfverfahren und Zertifizierungen.
elektro AUTOMATION: Erste Interoperabilitäts-Workshops haben stattgefunden. Als TSN-Ready-gekennzeichnete Managed Switche sowie TSN-ertüchtigte PC-Erweiterungskarten sind verfügbar. Doch wieweit ist die Standardisierung der einzelnen Teile für Hard- und Software (ASbt, Qbu, Qbv, etc.) vorangeschritten. Ist die Entwicklung von Lösungen auf dieser Basis schon heute möglich bzw. wann ist die Technologie in Seriengeräten verschiedener Hersteller für den Industrie-Einsatz verfügbar?
Schneider: Derzeit wird an der Spezifikation zur Nutzung von TSN mit Profinet gearbeitet, die Veröffentlichung ist im ersten Quartal 2019 geplant. Daher gibt es derzeit noch keine fertigen Produkte. Für unsere Mitglieder haben die Vorarbeiten jedoch längst begonnen, schließlich müssen sie ihre nächste Gerätegeneration mit TSN planen können. Derzeit laufen im Testbed des Labs Network Industrie 4.0 in Augsburg bereits viele Untersuchungen in Bezug auf Konfiguration und Kompatibilität, um einen Plug-&Work-Ansatz über eine standardisierte Schnittstelle zu ermöglichen. Aber für den Anwender ist es mit einer Spezifikation allein nicht getan. Gleichzeitig müssen auch Guidelines, How-to-use-Anleitungen etc. auf den Weg gebracht werden, genauso wie die Etablierung eines Testsystems und die Erarbeitung der Zertifizierung. Quasi begleitend werden im Augenblick Piloten und Prototypen entwickelt.
elektro AUTOMATION: Die Nutzung von TSN mit Profinet/Profisafe, Sercos, Powerlink, OPC UA, etc. setzt evtl. auch Engineering-Funktionalitäten bzw. Entwicklungstools voraus. Welche Unterstützung benötigt der Industrie-Anwender dafür zukünftig?
Schneider: Die Entwicklung von Engineering-Tools ist nicht abgeschlossen. Allerdings schlägt sich PI hier auf die Seite der Anwender, die möglichst wenige oder am besten gar keine externen Konfigurationstools für die Integration von TSN wollen. Man darf nicht vergessen, die meisten Anlagen sind Bestandsanlagen und keine Neuplanungen. Und hier gibt es eine hohe installierte Basis von Profinet-Geräten. Die Anwendersicht auf z.B. I/O-Daten, Parametrierung, Diagnose, etc. soll sich daher auch bei der Integration von TSN nicht ändern. Daher setzt PI auf das Konfigurationsmodell der IEEE, mit dem sich flexible und leistungsfähige Anlagennetze erstellen lassen.