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„Für OPC UA FX wird es nur den Weg nach vorne geben“

Konvergenz von IT und OT ist Basis für Industrie 4.0 und IIoT
„Für OPC UA FX wird es nur den Weg nach vorne geben“

Als 2016 die Kombination des M2M-Protokolls OPC UA mit der Synchronisierung via Time-Sensitive Networking (TSN) vorgestellt wurde, stand die Idee einer standardisierten deterministischen Industrie-4.0-Kommunikation Pate. Über die Initiative Field Level Communications (FLC) wurde unter dem Dach der OPC Foundation auch die Feldebene miteinbezogen – das Ergebnis sind die OPC UA FX (Field eXchange) Specifications. Ob sich die Erwartungen erfüllt haben, fragten wir Elmar Zimmerling, Product Manager Industrial IoT Network Solutions bei der B&R Industrial Automation GmbH, Eggelsberg.

Interview: Michael Corban, Chefredakteur elektro AUTOMATION

elektro AUTOMATION: B&R gehörte 2016 mit zu den Initiatoren der sogenannten Shapers, die einen einheitlichen Kommunikationsstandard mit echtem Determinismus auf Basis von OPC UA und TSN etablieren wollen. Wo stehen wir aus Sicht von B&R heute?

Elmar Zimmerling (B&R): Ich bin sehr zufrieden damit, in welche Richtung wir uns mit OPC UA FX bewegen. Zur Messe SPS 2021 hätten wir mittels Multi-Vendor-Demo und Controller-zu-Controller-Kommunikation gut zeigen können, was bereits möglich ist. Ich hätte mir zwar auch gewünscht, dass wir bei ein paar Punkten schon weiter sind, aber wir sollten nicht vergessen, dass wir von nichts weniger als einem disruptiven Ansatz zur Ablösung der uns langjährig vertrauten Automatisierungspyramide mit ihren Speziallösungen sprechen – gerade auch in der Feldebene.

Die technologische Verzahnung und Synergien von TSN-Mechanismen mit dem Framework von OPC UA werden schließlich unter direkter Beteiligung und Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbern im Automatisierungsmarkt gemeinschaftlich erdacht und somit gültig spezifiziert – im Englischen spricht man von Coopetition. Nur solch ein ‚new normal‘ eines konvergierten IT/OT-Netzwerks von cyber-physischen Systemen wird die heutigen und künftigen Anforderungen einer IT-Automatisierung sicher und durchgängig erfüllen können. Der Grund liegt auf der Hand: Ohne dieses neue Fundament wird es keine Industrie 4.0 geben und die Hürden beim Einsatz von Machine Learning und folgend Künstlicher Intelligenz (KI) werden nicht überwunden werden.

Anforderungen an die Industrie-4.0-Kommunikation

elektro AUTOMATION: Die Entwicklung hin zu einem herstellerübergreifenden Standard wurde bewusst ja auch an die OPC Foundation deligiert und mit Blick auf die Feldebene dort die Initiative Field Level Communications (FLC) gegründet. Ergebnis sind die ‚OPC UA FX (Field eXchange) Specifications‘. Finden sich Ansatz und Erwartungen von B&R darin wieder?

Zimmerling: Es war richtig und wichtig, dieser großartigen Idee, diesem damals noch zarten Pflänzchen eine sichere Heimat und den passenden Nährboden zu geben – die OPC Foundation ist dafür prädestiniert. Speziell die FLC-Initiative umfasst heute mit 27 Mitgliedern weltweit die wichtigsten Unternehmen der Automatisierungsbranche. Will sagen: Mehr als 300 Expert*innen sind an der Umsetzung, sprich den Spezifikationen der diversen OPC-UA-FX-Technologiebausteine beteiligt. Das umfasst bei OPC UA FX natürlich TSN, aber auch funktionale Sicherheit, Network Connection Management, Publisher/Subscriber Messaging, Antriebstechnik, Remote I/O und vieles mehr. Wichtig ist zudem, dass sich die FLC neben der Harmonisierung der Fabrikautomation auch die der Prozessindustrie auf die Agenda geschrieben hat. Das macht auf der anderen Seite aber auch wieder klar, warum das alles Zeit erfordert – Zeit zum Kennenlernen und zur Vertrauensbildung. Schließlich sind wir alle Vollbluttechniker, gleichzeitig aber auch Menschen mit eigener Meinung und Ansichten. Trotzdem sind wir auf einem sehr guten Weg – der Zug rollt immer schneller.

elektro AUTOMATION: Gibt es weitergehende Anforderungen, die Sie seitens B&R gerne umgesetzt sähen?

Zimmerling: Das OPC-UA-FX-Framework besteht aus einigen essenziellen Technologie-Bausteinen. Mit Blick speziell auf unser innovatives Automatisierungsportfolio für Spitzenlösungen im Maschinenbau spielt vor allem der Determinismus eine wichtige Rolle. Etwa wenn man an schnelles Regeln im Bereich Antriebstechnik oder auch die integrierte kamerabasierte Bildkontrolle denkt. Entscheidend bei der notwendigen Flexibilisierung von Produktionsprozessen, Maschinen und darüber hinaus wird zudem die ‚smarte‘ Maschinensicherheit sein, sprich Safety. All das findet sich bereits auf der Roadmap der FLC und wir sind in den Experten-Arbeitskreisen selbst oder über unsere Mutter ABB bestens vertreten und aktiv. Zusammenfassend kann ich also sagen, dass unsere Anforderungen alle beachtet werden.

OPC UA FX als Standard für die industrielle Kommunikation

elektro AUTOMATION: Nachdem es bei Feldbussen und Industrial-Ethernet-Systemen viele verschiedene Standards für die Datenkommunikation gab, wird OPC UA FX ja als möglicher Industrie-4.0-Standard gesehen. Bewusst war das Ziel auch, eine erneute parallele Entwicklung proprietärer Standards zu verhindern – diese macht ja gerade Geräteherstellern das Leben schwer. Gelingt dies? Auffallend ist, dass etwa die CC-Link-IE-Welt TSN sehr stark unterstützt, rund um Profinet IRT oder Ethercat aber doch eigene Entwürfe favorisiert werden?

Zimmerling: Die TSN-Technologie ist grundsätzlich völlig unabhängig von OPC UA, da beide in unterschiedlichen Schichten des ISO/OSI-Modells wirken. TSN in den Schichten 2-3, OPC UA in Schicht 7 im Application Layer. Die Kombination bestehender Legacy-Protokolle mit TSN ist daher nicht überraschend – aus meiner Sicht eine Verlängerung des bestehenden Geschäftsmodells mit der Bestandstechnologie. TSN bietet dabei aber durch die Gigabit-Basis eine höhere Bandbreite beziehungsweise die Möglichkeit von mehr Netzwerkteilnehmern, sie lässt Konvergenz am Netzwerk zu. Das allein erfüllt aber bei Weitem noch nicht die heutigen Ansprüche von Industrie 4.0 beziehungsweise des Industrial Internet of Things (IIoT). Erst solche Applikationen versprechen aber Kundennutzen auf Basis wertvoller Daten.

OPC UA FX bietet dem Markt dafür entscheidende Vorteile. Gateways zwischen den Echtzeit-Ethernet-Lösungen entfallen – eine der großen Hürden in Data-Science-Projekten, um qualitativ aussagekräftige Informationen zu erhalten. Zudem wird eine echte Semantik bis hinunter in die Feldebene möglich, in der smarte Sensoren in Leistungsfähigkeit und Anzahl in den nächsten Jahren explodieren werden. Und nicht zuletzt spielt auch die Cybersecurity eine Rolle, die bei OPC UA schon immer ‚built-in‘ ist. Bei Legacy-Feldbussen muss Security mit Zusatzaufwand immer Protokoll-individuell mitgedacht und -finanziert werden. Infrastrukturprojekte werden aufgrund der starken Vernetzung deswegen zunehmend auf Status ‚kritisch‘ gesetzt – es braucht eine Vereinheitlichung und Bündelung der Kräfte bei der fortlaufenden Entwicklung von Abwehrmechanismen, dem Monitoren, dem Erkennen und der Minderung von Cyberrisiken.

elektro AUTOMATION: An OPC UA FX führt also kein Weg vorbei…

Zimmerling: …weil es nur den Weg nach vorne gibt. Lassen Sie mich in Bezug auf OPC UA FX einen Vergleich mit anderen Entwicklungen ziehen, etwa der Elektromobilität im Automotive-Bereich. Mit Blick auf die Verbrenner-Motoren steht uns eine super ausgereifte Technik zur Verfügung. Um die CO2-Neutralität der Volumenmodelle zu erreichen, müssen diese aber auf den Elektroantrieb mittels Batterie oder Brennstoffzelle umgestellt werden. Für den sinnvollen und ‚verdaulichen‘ Übergang bietet die Autoindustrie Plug-in-Hybride an, also eine Kombination aus Verbrenner und Elektroantrieb, forciert und investiert aber gleichzeitig massiv in Neuentwicklungen der reinen Elektrofahrzeuge. Natürlich gibt es noch Hürden zu überwinden – aber genau wie bei OPC UA FX wird es nur den Weg nach vorne geben, Vieles wird schneller als gedacht kommen.

Analog könnte ich mir für die nächsten 5-7 Jahre ein Übergangsszenario bei OPC UA FX versus der ‚alten Welt‘ vorstellen. Bis dahin wird sich OPC UA FX als bevorzugter Weltstandard durchgesetzt haben. Gerade auch bei Brownfield-Installationen wird dies mithelfen, den Übergang verlässlicher und planbarer zu gestalten.

Powerlink und OPC UA FX

elektro AUTOMATION: Wird B&R dann in absehbarer Zeit auch Powerlink ‚abschalten‘?

Zimmerling: Die bewährte Powerlink-Technologie wird selbstredend in unseren Geräten weiterhin unterstützt – auch für uns ist ja wie geschildert eine ‚hybride‘ Übergangszeit mit Bestandsschutz angesichts unserer Kunden im Maschinenbau sehr wichtig. Da wir parallel aber bereits OPC UA FX auf unseren Steuerungen und Buscontrollern implementieren, kann der Kunde selbst bestimmen, wann er den Wechsel hin zu OPC UA FX vollzieht. Je mehr IIoT-Anforderungen hinzukommen, desto interessanter wird dieser Wechsel aufgrund der oben genannten Vorteile. Betonen möchte ich aber noch einmal: Der Kunde entscheidet, wann er diesen Wechsel vornimmt. Mit Blick auf Machine-Learning-Projekte wird dies aber eher früher als später der Fall sein. Sowohl bei Start-ups als auch bei langjährig erfolgreichen Unternehmen scheitert immer noch mehr als die Hälfte dieser Projekte an Hürden in der Beschaffung der Daten und schlechter Datenqualität. Der Kerngedanke hinter Industrie 4.0 ist ja aber gerade das Zusammenführen unterschiedlicher Datenströme. Diese Konvergenz unterstützt insbesondere TSN – eine Eigenschaft, die aus meiner Sicht noch etwas wichtiger als der Determinismus ist, der oft in den Vordergrund gestellt wird.

OPC UA FX und TSN in der Praxis

elektro AUTOMATION: B&R hat früh TSN geräteseitig implementiert – wie ist der aktuelle Stand und wie sieht die weitere Roadmap von B&R diesbezüglich aus?

Zimmerling: Wir sind konsequent dabei, alle Neuentwicklungen zumindest optional mit der OPC-UA-FX-Technologie auszustatten. Alle zukünftigen Steuerungen und Buscontroller werden OPC UA FX unterstützen. Unsere Kunden können heute bereits OPC-UA-Framework-Erweiterungen wie Publisher/Subscriber nutzen. Alle weiteren Funktionen implementieren wir in unser Betriebssystem Automation Runtime und unserer Entwicklungsumgebung Automation Studio, sobald die OPC Foundation die entsprechenden Spezifikationen veröffentlicht hat.

elektro AUTOMATION: Welche Hilfestellung können Sie denn Anwendern bieten, um OPC UA FX und TSN schnell und einfach nutzen zu können?

Zimmerling: Unser Anspruch ist immer, den Zugang so einfach wie möglich zu gestalten – die notwendigen Konfigurationen im TSN-Netzwerk, das komplexere Zusammenspiel aller Netzteilnehmer und deren Datenaustausch müssen möglichst vollständig im Hintergrund autonom ablaufen. Unsere Entwickler*innen haben dabei die Einfachheit der Bedienung eines Smartphones vor Augen. OPC UA FX wird daher in wenigen Jahren einen gewaltigen Sprung in der zukünftigen IT-Automatisierung ermöglichen.

Und um noch einmal auf die Coopetition zurückzukommen: Zum Kern von OPC UA FX wird es auch zukünftig gehören, dass ein Kunde die beste User Experience bei der Nutzung und Verbindung unterschiedlicher Systeme erlebt – daher können Sie davon ausgehen, dass sich die FLC-Mitglieder mit gegenseitigen Kompatibilitätstests abprüfen werden. Schließlich investieren wir alle umfassend in diese große Idee mit Zukunft.

www.br-automation.com

Weitere Infos zu B&R-Lösungen mit OPC UA over TSN:
hier.pro/5PzQc



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