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Pneumatik und Elektrotechnik greifen ineinander

Trendinterview zu adaptiven Maschinen
Pneumatik und Elektrotechnik greifen ineinander

Pneumatische Systeme sind in der Automatisierung seit jeher ein entscheidender Baustein, doch in Industrie-4.0-Konzepten nimmt die Verflechtung mit der elektrischen Automatisierung zu. Das Ziel ist klar: Adaptive beziehungsweise smarte Maschinen können auch Losgröße 1 zu vertretbaren Kosten herstellen, wenn sie über Systemgrenzen hinweg leicht an neue Aufgabenstellungen anzupassen sind.

Fragen: Michael Corban, Chefredakteur elektro AUTOMATION

elektro AUTOMATION: Industrie 4.0 verspricht ein Plus an Flexibilität hinsichtlich der Adaptierbarkeit von Maschinen und Anlagen an neue Produkte/Aufgaben. Welche Möglichkeiten bieten Sie im Rahmen Ihres Pneumatik-Angebots, solche Aspekte zu adressieren?

Wolf Gerecke (Aventics): Auch in der Pneumatik werden heute bei gleicher Hardware immer mehr Funktionen über Software abgedeckt. Moderne Kommunikationsmethoden wie IO-Link und integrierte Webserver – aber auch direkt am Gerät vorzunehmende Einstellungen – ermöglichen dann eine Anpassung der Funktionalität an die Anwendungen. Beispiele hierfür aus unserem Portfolio sind Druck-, Durchfluss- und Wegmesssensoren sowie elektropneumatische Druckregelventile oder dezentrale parametrierbare PID-Regler. Durch die im Rahmen unseres IoT-Konzeptes mögliche Dokumentation der Nutzungsdauer und daraus resultierend der Abschätzung der Restlebensdauer einzelner Komponenten wie Zylindern und Ventilen unterstützen wir auch eine mögliche Weiterverwendung unserer klassischen Produkte in neuen oder umgebauten Anlagen.

Hansgeorg Kolvenbach (Camozzi): Der konsequente Ausbau des Angebotes an proportionalen Regelsystemen für Druck, Volumenstrom und Positionierung ermöglicht es, Maschinen flexibler arbeiten zu lassen. Alle Neuentwicklungen werden standardisierte Interfaces aufweisen, die die Kommunikation mit anderen Ebenen erlauben und somit auf sich ändernde Aufgaben angepasst werden können.

Eberhard Klotz (Festo): Generell sind viele Festo-Produkte genau deshalb parametrierbar und/oder mechanisch flexibel aufgebaut. Herausragend und revolutionär sind jedoch Ansätze wie das Festo Motion Terminal. Durch das schnelle und einfache Zuschalten von Funktionen über Motion Apps können Maschinen- und Anlagenbauer höchste Individualität in die Anwendungen bringen. Dazu gehören beispielsweise Formatwechsel auf Knopfdruck, die sanfte Endlagenfahrt oder energieeffiziente Bewegungen. Durch die Apps ist auch eine hundertprozentige Dokumentation erledigt – alle Produktionsdaten sind nachvollziehbar und manipulationssicher gespeichert.

Dr. Maik Fiedler (IMI Precision Engineering): Unser Bestreben ist es, bestehende Industriestandards einzusetzen und dem Kunden Anlagenerneuerungen und -erweiterungen möglichst einfach zu machen.

Christian Ziegler (SMC): Um flexibel zu sein, müssen sich die Komponenten schnell vernetzen können. Dafür setzen wir auf offene Schnittstellen und Standards. Unsere Ventilinseln erhalten Sie mit allen gängigen Ethernet-Protokollen und Sie können zudem einen IO-Link-Master integrieren. Ich möchte dies allerdings nicht auf die Pneumatik fokussiert wissen: Wir haben zur SPS IPC Drives 2017 auch ein Antriebsregelgerät mit IO-Link-Schnittstelle vorgestellt.

elektro AUTOMATION: Welche Möglichkeiten der steuerungsseitigen Integration Ihres Pneumatik-Angebots in die Welt der elektrischen Automatisierung bieten Sie an beziehungsweise wie unterstützen Sie einen ganzheitlichen, disziplinübergreifenden Entwurf von Maschinen und Anlagen?

Gerecke (Aventics): Grundsätzlich bieten wir alle marktüblichen Feldbusprotokolle für die relevanten Produkte an. Dies stellt bei mittlerweile mindestens acht Protokollen einen erheblichen Aufwand dar. Wir hoffen, dass diese Vielfalt zumindest im Bereich IoT in Zukunft durch eine vermehrte Verbreitung von offenen und standardisierten Kommunikationsmethoden eingedämmt werden kann. Daher setzen wir stark auf eine Etablierung von OPC UA als den primären Kommunikationsstandard im Bereich IoT. Dies unterstützen wir durch eine bevorzugte Implementierung in unseren IoT-Produkten. Darüber hinaus sind wir auch gemeinsam mit anderen Vertretern der Branche in gemeinsamen Gremien engagiert, wie beim VDMA oder bei e-Cl@ss, um hier eine Standardisierung auch der kommunizierten Inhalte voranzubringen.

Kolvenbach (Camozzi): Wir bieten diverse Schnittstellen an Ventilinseln, Proportionalpneumatikkomponenten und auch elektrischen Antriebslösungen an. Anwendungsspezifisch entscheidet sich, welche Technologie zum besten Ergebnis führt oder auch, ob eine Kombination der Technologien sinnvoll ist. Wir entwickeln daher konsequent in diese Richtung und stellen mit dem Application Center einen Partner für unsere Kunden bereit, um gemeinsam neue, flexiblere mechatronische Anwendungslösungen zu konzeptionieren, zu entwickeln, zu testen und einzuführen.

Klotz (Festo): Integration beginnt mit der Mechanik – alle Adapter sind für pneumatische und elektrische Antriebe/Achsen gleich. Das elektrische Terminal CPX integriert dank einer Vielzahl von Modulen und Knoten pneumatische und elektrische Lösungen auf einer IP65-Automatisierungsplattform. Dies erleichtert die Integration aller Disziplinen im Steuerungssystem als ein Lösungspaket. Als nächstes sind individuelle pneumatische und elektrische Schaltpläne per App automatisiert für eine nahtlose Integration in Eplan verfügbar. Der Kommunikationsstandard OPC UA ist optional ebenso verfügbar wie eine dezentrale Steuerung. Damit gelingt die Integration auch in die Industrie-4.0-IoT- und Cloud-Umgebungen von Siemens (MindSphere), Rockwell (Factory Talk) und anderen.

Ziegler (SMC): Nehmen wir unsere Servo-Pneumatik-Technologie – angewendet bei Schweißzangen in der Automobilindustrie. Hier bieten wir für die Steuerung einen Funktionsbaustein an, der nur noch parametriert werden muss. Somit können Sie die Zangenbewegung sehr schnell als siebte Achse in der Robotersteuerung integrieren. Auch dies ist ein Beitrag zur schnellen Vernetzung beziehungsweise Integration. Gerade in unserem Industrial Application Center sehen wir – wie der Name schon suggeriert – die Anwendung ganzheitlich und nicht aus einer Technologie heraus.

elektro AUTOMATION: Setzen Sie selbst künftig deutlich mehr Sensorik (welche?) ein, um den Zustand des Pneumatiksystems in der Anwendung immer genauer erfassen zu können? Ist dafür zwingend mehr Sensorik erforderlich oder lassen sich viele Zustände auch errechnen (Stichwort ‚Sekundärsensorik‘)?

Gerecke (Aventics): Unsere Zielsetzung ist, für den Anwender relevante Informationen mit so wenig Sensorik wie möglich zu generieren. In den Maschinen und Anlagen werden bereits heute viele Sensoren zur Prozesskontrolle und zur Steuerung eingesetzt. Deren Daten wollen wir nutzen, um genauere Informationen über den Zustand der Maschine und insbesondere des Pneumatiksystems zu bekommen. In der Verknüpfung der vorhandenen Sensordaten untereinander und insbesondere mit unserem Pneumatik-Know-how lassen sich sehr viele Informationen über den Zustand des Pneumatiksystems ermitteln.

Kolvenbach (Camozzi): Sensorik ist für den Aufbau von Regelungen unerlässlich. Die Ausführung und Anzahl der Sensoren orientiert sich hierbei an der Anwendung und der damit verbundenen Regelungsaufgabe. Dazu werden passende Sensoren eingesetzt. Zur Zustandserfassung des Systems im Sinne von Industrie 4.0 ist jedoch nicht zwingend zusätzliche Sensorik erforderlich. Vielmehr sollte die lokale Elektronik in der Komponente basierend auf der oben beschriebenen notwendigen Sensorik Expertenwissen des Komponentenherstellers beinhalten, welches durch Berechnungen und Verknüpfungen von Daten Ermittlungen von weiteren Zuständen erlaubt.

Klotz (Festo): Die Industrie-4.0-Idee, mit Cyber-physikalischen Systemen die Lernfähigkeit und Anpassung an sich verändernde Anforderungen oder Umgebungsparameter zu realisieren, benötigt immer ein Mindestmaß an Sensorik. Daher ja – es wird mehr Sensorik geben für Basisdaten wie Druck, Durchfluss, Temperatur –, aber auch tiefergehende Analysen hinsichtlich Vibration, Schall, Laufzeit; unter anderem speziell für die präventive Wartung. Wer über das Know-how aus der Applikation beziehungsweise den Geräten verfügt, kann über Anomalien, Korrelation, Varianz und anderes weitere Schlüsse ziehen – ohne zusätzliche Sensorik.

Fiedler (IMI Precision Engineering): Da wir selbst auch Betreiber von Anlagen sind, werden wir zielgerichtet Nachrüstungen vornehmen, um die Effizienz und Verfügbarkeit zu verbessern.

Ziegler (SMC): Die Frage ist immer: Wie viel Mehrwert bietet weitere Sensorik im Verhältnis zu den damit verbundenen Kosten? Ich glaube, dass es eher intelligentere Sensorik geben wird, die auch dezentral Auswerteaufgaben übernimmt. Das entlastet übergelagerte Rechenleistung. Sicher kann man mit Algorithmen gewisse Zustände berechnen. Man darf hierbei aber nicht die Kompressibilität der Luft vergessen. Hier können immer Kräfte auf den Aktor einwirken. Um das komplett auszuschließen und die physikalische Stellung sicher feststellen zu können, brauchen Sie wieder einen Sensor…

elektro AUTOMATION: Was passiert mit den in größerem Umfang erfassten Daten – werden sie vor Ort ausgewertet (Edge-Computing) oder in die Cloud geschickt? Welche Rolle spielen dabei die Schnittstellen/Kommunikationsprotokolle, inbesondere etwa IO-Link?

Gerecke (Aventics): Unsere feste Überzeugung ist, dass die Datenvorverarbeitung nahe an der Applikation unvermeidbar ist. Diese Vorverarbeitung kann entweder in den Komponenten selbst, in entsprechenden IoT-Gateways oder in den lokalen Steuerungen erfolgen. Für die vorverarbeiteten Daten spielen moderne Kommunikationsstandards wie etwa OPC UA eine maßgebliche Rolle, da diese eine hohe Flexibilität insbesondere hinsichtlich semantisch aufgewerteter Daten in der M2M-Kommunikation bieten. IO-Link bietet hier schon die Möglichkeit, vorverarbeitete Daten intelligenter Sensoren zu kommunizieren. Aufgrund der Punkt-zu-Punkt Kommunikation wird aber auch hier noch ein Gateway in die IoT-Infrastruktur benötigt.

Kolvenbach (Camozzi): Rohdaten ergeben für den Anwender keinen oder nur geringen Nutzen. Der Anwender erwartet klare Aussagen und Handlungsempfehlungen. Daher sollten die Daten vor Ort – das heißt in der Komponente – analysiert und bearbeitet werden. Für den Anwender verständliche Ergebnisse können dann mittels diverser Schnittstellen (Feldbussysteme, IO-Link, RFID, Bluetooth, WLAN) zur Verfügung gestellt werden.

Klotz (Festo): Um ein umfassendes Bild über die Daten einer Maschine oder Anlage zu erhalten, kommt man um leistungsfähige Tools nicht herum. Ob diese in der Anlage, lokalen Servern, im Rechenzentrum oder einer Cloud liegen, hängt von diversen Faktoren ab: Echtzeitanforderungen, Bandbreite, Verfügbarkeit, Kosten, Risiken und vieles andere. Festo bedient alle Optionen: IO-Link-fähige Feldgeräte als ideale Zubringer strukturierter Daten, Steuerungen und Automatisierungslösungen mit OPC UA, bis hin zu schlüsselfertigen Lösung für eine IoT-Integration samt IoT-Gateway und Dashboards. Damit sind die Festo-Lösungen durchgängig – von der Mechanik bis zur Cloud.

Fiedler (IMI Precision Engineering): Wir gehen davon aus, dass die Mehrzahl der Anwendungen vor Ort vom jeweiligen Betreiber mit dessen Domain-Know-how ausgewertet werden. Industrial-Ethernet-Protokolle, aber auch IO-Link werden eine zentrale Rolle bei der Erfassung und Konsolidierung von Felddaten spielen.

Ziegler (SMC): Es zeigt sich immer mehr, dass der anfängliche Hype um die Cloud jetzt differenzierter betrachtet wird. Aktuell zeichnet sich ein Hybrid-Modell ab: Man überlegt, was in der Cloud und was lokal sinnvoll ausgewertet werden kann – Sie sprechen es mit Edge-Computing an. Die Frage wird also sein, welche Daten ich wirklich brauche, um den Prozess zu regeln. Diese werden eher lokal verarbeitet, während beispielsweise Daten zur Wartung gut in einer Cloud zu managen sind. Hier wird es aber sicher kein Schwarz-Weiß geben. Es kommt auf die Anwendung an.

elektro AUTOMATION: Welche Rolle spielt die Anbindung an übergeordnete Lösungen (MES, ERP) und welche Aspekte stehen dabei im Vordergrund (Energie- & Ressourceneffizienz etc.)?

Gerecke (Aventics): Die Anbindung an übergeordnete Lösungen stellt genau eine der Kernfunktionalitäten in unserem Industrie-4.0-Konzept dar, Informationen direkt allen ‚interessierten‘ Instanzen verfügbar zu machen. Treiber sind hier im ersten Schritt Anlagenverfügbarkeit und die Effizienzsteigerung. So kann beispielweise die Information zur voraussichtlichen Lebensdauer einer Komponente der Software zur Wartungsplanung und zur Beschaffung bereitgestellt werden. Informationen zum Energieverbrauch eines Fertigungsprozesses können in die Stückkostenrechnung integriert werden.

Kolvenbach (Camozzi): Die Anbindung an Warenwirtschaftssysteme eröffnet neue Möglichkeiten zur effizienten Resourcenplanung auf digitaler Ebene. Camozzi sieht hier großes Potenzial.

Klotz (Festo): Wer eine Fertigung flexibel steuern, Prozesse und Auslastung der Maschinen optimieren und eine durchgängige digitale Wertschöpfungskette realisieren will, muss die MES- und ERP-Ebene ganz einbeziehen. Dort wird die Planung gemacht und es werden die Vertriebs- und Kundenschnittstellen – etwa ein Online-Shop – angebunden. Ab wann die sich selbst steuernde Fabrik diese Systeme teilweise überflüssig macht, wird erst die Zukunft zeigen.

Ziegler (SMC): In der Industrie 4.0 verwischt die klassische Systemabgrenzung immer mehr. Erst dies ermöglicht, das Thema der Ressourceneffizienz besser umzusetzen. Energie kann ich einsparen, wenn ich weiß, wo ich sie verbrauche. Somit ist die Grundvoraussetzung dafür Transparenz – habe ich die, kann ich optimieren. Wie diese Optimierung stattfindet, wird die Zukunft zeigen. Es gibt MES- und ERP-Systeme oder auch Cloud-Anwendungen. Es könnten sogar Optimierungen auf Maschinenebene möglich sein. Das ist das Spannende an Industrie 4.0 – neue Möglichkeiten entstehen und SMC geht diesen Weg mit.

www.aventics.com

www.camozzi.de

www.festo.com

www.imi-precision.com/de

www.smc.de

Weitere Informationen zu smarten Maschinen:

hier.pro/re6fB


„Wir setzen stark auf eine Etablierung von OPC UA als den primären Kommunikationsstandard im Bereich IoT.“

Wolf Gerecke, Director Strategic Product Management, Aventics GmbH, Laatzen
Bild: Aventics

„Alle Neuentwicklungen werden standardisierte Interfaces aufweisen, die die Kommunikation mit anderen Ebenen erlauben und somit auf sich ändernde Aufgaben angepasst werden können.“

Hansgeorg Kolvenbach, Leiter Camozzi Application Center, Camozzi Automation GmbH, Aachen
Bild: Camozzi

„Durch das schnelle und einfache Zuschalten von Funktionen über Motion Apps können Maschinen- und Anlagenbauer höchste Individualität in die Anwendungen bringen.“

Eberhard Klotz, Leiter Industrie 4.0 Kampagne, Festo AG & Co. KG, Esslingen
Bild: Festo

„Industrial-Ethernet-Protokolle, aber auch IO-Link werden eine zentrale Rolle bei der Erfassung und Konsolidierung von Felddaten spielen.“

Dr. Maik Fiedler, Engineering Director Europe & Industrial Automation, IMI Precision Engineering, Fellbach
Bild: IMI Precision Engineering

„Zur SPS IPC Drives 2017 haben wir auch ein Antriebsregelgerät mit IO-Link-Schnittstelle vorgestellt.“

Christian Ziegler, Manager Marketing & Product Management, SMC Deutschland GmbH, Egelsbach
Bild: SMC

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