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Neue Geschäftsmodelle bei Murrelektronik durch disruptive Ansätze

Neue Geschäftsmodelle durch disruptive Ansätze
Murrelektronik stellt bei Industrie 4.0 die Transparenz in den Vordergrund

Murrelektronik ist Systempartner für Connectivity, vom Schaltschrank über die Schnittstellen bis in die Feldebene. Mit einer breit gefächerten Produktpalette bietet das Unternehmen Technik aus einer Hand. Ziel ist es, gemeinsam mit dem Anwender maßgeschneiderte Lösungen für die industrielle Automatisierung zu finden. Jürgen Zeltwanger, Chief Technology Officer, erläutert die Unternehmens-Philosophie.

Die Fragen stellte Andreas Gees, stv. Cehfredakteur elektro AUTOMATION

elektro AUTOMATION: Herr Zeltwanger, Industrie-4.0-Konzepte erfordern mehr dezentrale Intelligenz. Murrelektronik bietet neben den Cube67-Komponenten auch Stromversorgungen in IP67 an, wird es zukünftig auch SPSen in IP67 geben?

Jürgen Zeltwanger: Moderne Webservices ermöglichen es, dass eine zentrale Steuerung zukünftig auch in der Cloud laufen kann und dezentrale Steuerungsaufgaben in den Feldbusmodulen abgearbeitet werden. Das sehen wir als deutlichen Trend und an der Entwicklung entsprechender Geräte arbeiten wir. Unsere Cube67-Module sprechen Profinet, Ethernet/IP oder Ethercat und verfügen über so viel Rechenkapazität, dass darin auch Steuerungssoftware laufen kann. Dann ist es im Prinzip egal, wo sich die übergeordnete Steuerung befindet und welche Sprache sie spricht. Dezentrale Steuerungen werden zukünftig definitiv in die Feldbusmodule Einzug halten.

elektro AUTOMATION: Murrelektronik bietet ein umfangreiches Angebot an Stromversorgungen sowie Netzwerkkomponenten. Wie definieren Sie Ihre Rolle als Lieferant für Automatisierungstechnik?

Zeltwanger: Wir sind zwar ein Vorreiter bei IP67, aber kein Steuerungshersteller. IPCs und Industriesteuerungen wird es deshalb bei uns in absehbarer Zukunft nicht geben. Was es allerdings geben wird, ist die dezentrale Intelligenz in den Feldbusmodulen der IO-Ebene. Unsere Position ist klar definiert. Wir liefern Lösungen für die Connectivität zwischen der eigentlichen Steuerung und der Sensor-Aktorebene. In diesem Umfeld bieten wir ein breites Produktportfolio und absolute Offenheit. Mit unseren Systemen und Lösungen können wir Signale und Daten für die Steuerung und die Energieverteilung in einer Maschine übertragen und bieten dazu die komplette Installationstechnik.

elektro AUTOMATION: Herr Zeltwanger, Murrelektronik bietet eine breite Palette an Automatisierungskomponenten. Welche Gründe sprechen für die IP67-Verdrahtung, welche für den Schaltschrank?

Zeltwanger: Da gibt es alle Spielarten und wir gehen den Weg, gemeinsam mit unseren Kunden die Applikation zu analysieren und zu entscheiden, was unter installations- und Kostengesichtspunkten die optimale Lösung ist. Immer öfter gibt es Anwendungen, bei denen der Schaltschrank nahezu verschwindet. Oft gibt es überhaupt keine Komponenten mehr, die in den Schaltschrank eingebaut werden müssen. Es gibt aber auch nach wie vor Maschinen und Anlagen, bei denen große Teile der Steuerungstechnik in den Schaltschrank wandern. Unser Ziel ist es aber, den Kunden auf dem Weg zur schaltschranklosen Maschine zu unterstützen. Das ist unsere ‚Zero-Cabinet-Philosophie‘. Es gibt Maschinenbauer, die erste schaltschranklose Anlagen präsentiert haben; beispielsweise bei Verpackungsanlagen. Gerade da zeigt sich, dass viele Kunden auch ein mechanisches Problem haben und nicht wissen, wo der Schaltschrank in der Anlage positioniert werden kann. Oft stört er einfach.

elektro AUTOMATION: Können Sie ein Beispiel nennen?

Zeltwanger: Nehmen sie eine kompakte Werkzeugmaschine, der Schaltschrank soll integriert sein und er soll in das Design der Maschine einbezogen werden. Manche Maschinen haben den Schaltschrank oben angeordnet, das ist jedoch für Servicezwecke ungeeignet. Oft befindet er sich im Maschinenunterbau und ist ebenfalls schlecht zugänglich. Die Konstrukteure sind deshalb für den schaltschranklosen Ansatz dankbar. Sicher werden Frequenzumrichter sowie die zentrale Steuerung weiter im Schaltschrank platziert. Die Steuerungen wandern aber auch in die Bediengeräte, die wiederum direkt an den Maschinen positioniert sind.

elektro AUTOMATION: Welche Bedeutung hat die Zero-Cabinet-Philosophie für mobile Maschinen?

Zeltwanger: Fahrzeuge für den Agrarbereich haben keinen Platz für einen Schaltschrank. Erforderlich ist hier eine Steuerung mit hohem Schutzgrad. Wir bieten für diesen Markt verschiedene Komponenten wie Ventilstecker oder klassische M12-Steckverbinder. Mobile Maschinen sind zunehmend ein Thema für uns. Dort werden ebenfalls Bustechnologien und Feldverteilsysteme benötigt. Solche Lösungen liefern wir zum Teil bereits heute, weitere Geräte entwickeln wir gerade. Ein zusätzlicher Aufwand besteht darin, die Zertifizierungen nach den entsprechenden Vorgaben zu erhalten. Für mobile Maschinen oder die Bahntechnik gelten andere Anforderungen bezüglich Schock, Vibrationen und Flammschutz. Die einzelnen Technologien lassen sich jedoch gut adaptieren.

elektro AUTOMATION: Thema auf der diesjährigen Hannover Messe war Industrie 4.0 bzw. IIoT. Worin liegt die Bedeutung für Murrelektronik und seine Kunden?

Zeltwanger: Digitalisierung bedeutet auch, dass zukünftig sehr viele Daten zur Verfügung stehen und genutzt werden können, um Anlagenverfügbarkeit und Effizienz mittels Predictive Maintenance zu steigern. Für Murrelektronik bedeutet das, dass auch wir diese Daten einsammeln und unseren Kunden zur Verfügung stellen müssen. Wir haben auf der Hannover Messe erstmals unsere Device Cloud gezeigt. Darin sammeln wir die Daten unserer Geräte und kommunizieren sie über OPC UA. Ein eigens dafür entwickeltes Gerät im Cube67-System sendet die Daten über das Mobilfunknetz in die Cloud. Dann kann der Kunde entscheiden, wie er die Daten nutzen und welche Informationen er daraus gewinnen möchte. Sendet er sie an eine übergeordnete Cloud, gibt er sie in sein SAP-System, möchte er sie nur visualisieren; die Entscheidung über die Nutzung bleibt beim Kunden. Er hat alle Rechte an den Daten.

elektro AUTOMATION: Was für Funktionen bietet die Device Cloud im Einzelnen?

Zeltwanger: Wir haben den Weg über das Mobilfunknetzt gewählt, um mögliche Probleme mit der IT beim Kunden zu umgehen. Das Mobilfunknetzt ist heute so attraktiv, dass man es universell und weltweit nutzen kann. Die internationalen SIM-Karten können von uns zentral verwaltet werden. Der Kunde muss keinen Vertrag abschließen, kann festgelegte Datenmengen einkaufen und kann bei Bedarf weiteres Datenvolumen dazu erwerben. Wir stehen damit erst am Anfang, werden aber in naher Zukunft alle unsere aktiven Feldbuskomponenten ertüchtigen, zu kommunizieren. Server und Cloud-Services-Anbieter befinden sich in Österreich. Der Kunde entscheidet, welche Daten er auswerten und über Dashboards anzeigen möchte. Es besteht die Möglichkeit, Warnmeldungen an Mobilgeräte auszugeben oder Störmeldungen per SMS zu senden und eine Analysesoftware läuft im Hintergrund. Darüber hinaus bietet der Cloud-Service die komplette Mobilfunk-Verwaltung. Das System verwaltet die Zugangsdaten, regelt die Authentifizierung sowie die Abrechnung. Die Cloud arbeitet weltweit zu einheitlichen Kosten. Der Maschinenbauer hat so die volle Kostenkontrolle.

elektro AUTOMATION: Apropos offene Systeme – wie beurteilen Sie die Entwicklung bei OPC UA TSN?

Zeltwanger: Auch mit dem Thema TSN beschäftigen wir uns intensiv und würden uns wünschen, dass es eine bedeutende Rolle in der Automatisierungstechnik erlangen würde. Weil wir glauben, dass eine einheitliche Kommunikationssprache im Sinne der Kunden ist. Aus der IT kennen wir, dass alle Komponenten zuverlässig miteinander kommunizieren. In der Automatisierungstechnik sprechen wir dagegen über viele Protokolle. Da könnte OPC UA TSN eine willkommene Lösung sein.

elektro AUTOMATION: Da stellt sich generell die Frage, wie könnten zukünftige Geschäftsmodelle aussehen?

Zeltwanger: Einmal hat der Maschinenbau ein eigenes Interesse daran, die Daten seiner Maschinen zu sammeln und auszuwerten. Seine Kunden interessieren sich für die Daten jedoch in besonderem Maße. Grund genug für den Maschinebauer, diese Daten zur Verfügung zu stellen. Dabei handelt es sich neben dem Zusatznutzen auch um ein Verkaufsargument. Die Kunden haben ein großes Interesse daran, prozessbegleitente aber auch Diagnosedaten zu kennen. Viele Maschinenbauer denken über neue Geschäftsmodelle nach, sie verkaufen nicht mehr Maschinen, sondern die Leistung und damit garantierte Produktionsmengen. Da liegt es im Interesse des Herstellers, das seine Maschinen hoch verfügbar sind. Schon heute gibt es Industrien, beispielsweise die Hersteller von Tunnelbohrmaschinen, die nicht die Maschinen verkaufen, sondern Meter Tunnellänge. Solche disruptiven Ansätze ermöglichen alternative Geschäftsmodelle. Unsere Kunden können genau erklären, welche Informationen sie benötigen und welche Rückschlüsse sie daraus ziehen möchten. Wir versuchen dann gemeinsam, den richtigen Weg mit den Kunden zu finden.

elektro AUTOMATION: Was sind die wesentlichen Anforderungen der Kunden?

Zeltwanger: Murrelektronik ist Spezialist für Connectivity. Gemeinsam mit den Kunden erarbeiten wir entsprechende Lösungen. Die Schwierigkeiten liegen oft darin, dass ein Maschinenbaukunde heute nicht einfach nur ein Produkt kaufen kann. Er muss vielmehr seinen Engineering-Prozess und seine Denkweise anpassen. Wir analysieren seine bestehenden Anlagen, zeigen die Potenziale auf und erstellen moderne Installationskonzepte. Wir versuchen dabei immer, uns die Kundenbrille aufzusetzen um zu erkennen, was die Präferenzen sind.

elektro AUTOMATION: Welche Rolle spielen bei alledem Engineering, Fehlersuche und -analyse?

Zeltwanger: Wir möchten den Kunden auch beim Engineering-Prozess unterstützen durch entsprechende Tools. Wir liefern heute außerdem Dienstleistungen über das Produkt hinaus, erstellen Kabelsätze und konfektionieren Leitungen, produzieren Bausätze und liefern auch laserbeschriftete Komponenten nach Kundenwunsch. Dieses Angebot werden wir weiter ausbauen. Wir wollen der Hersteller für die umfassende Connectivität bei Maschinen sein und liefern alles, was Daten, Signale und Power verbindet.

elektro AUTOMATION: Sie unterstützen den Wechsel von Profibus zu Profinet?

Zeltwanger: Viele Unternehmen beschäftigen sich derzeit intensiv mit dem Umstieg von Profibus auf Profinet, beispielsweise auch, um IO-Link zu nutzen. Hinzu kommt in Zukunft IO Link Safety, mit dem die aktive Sicherheitstechnik einfach integriert werden kann. Wir bieten Workshops zu diesen Themen und erklären, was hinter den einzelnen Technologien steckt und welches Potenzial sie bieten. Es wird jedoch vermutlich noch eine Weile dauern, bis erste Produkte verfügbar sind. Da wir alle Signale einsammeln möchten, unterstützen wir auch diese Technologie mit eigenen Entwicklungen.

Weitere Informationen über

das I/O-System Cube67:

http://hier.pro/lUOQO

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