Wie können Automatisierer KI-Modelle intuitiv entwickeln und in die Steuerung integrieren? Wie lässt sich überschüssige Energie im Antriebsverbund wieder...
Inhaltsverzeichnis
1. Eine bewährte Grundlage
2. IEEE TSN: Echtzeit für Ethernet
3. Zeitsynchronisierung
4. Time-Aware Shaper
5. Das Bindeglied für OPC UA und TSN
6. Fazit
7. Rückblick auf die Pressekonferenz der „Shaper“ anlässlich der SPS 2016
Um Daten zwischen verschiedenen Maschinen wie Robotern, Verpackungsanlagen etc. auszutauschen, muss eine allgemein verständliche Repräsentation von verschiedenen Informationen gewährleistet sein. Dafür steht mit OPC UA seit 2006 eine herstellerunabhängige, standardisierte Plattform zur Verfügung. OPC UA legt fest, wie Daten in Information übersetzt werden und wie diese Information folglich in einer verteilten Umgebung wie einem ‚Machine-to-Cloud-Szenario‘ verwaltet wird. OPC UA ermöglicht dadurch Interoperabilität zwischen Geräten, die davor nur über aufwändige Umwege hergestellt werden konnte. Dadurch wird auch ein Zugang zu solchen Daten geschaffen, die beispielsweise für Produktionsoptimierungen genutzt werden können. Durch Initiativen wie Industrie 4.0 ist der Wert solcher Daten vielen Nutzern im industriellen Bereich bewusst geworden. Folglich ist auch die Akzeptanz und Nutzung von OPC UA rapide angestiegen, sodass mittlerweile alle großen Maschinenhersteller diese Plattform unterstützen.
Eine bewährte Grundlage
OPC UA basiert grundsätzlich auf einem Client-Server-Modell: Ein User (der Client), beispielsweise ein menschlicher Nutzer oder ein cloud-basiertes Informations-Managementsystem, fragt Informationen von einem Gerät (dem Server) in einer standardisierten Form an. Der Server bietet dann entsprechend Zugang zu den Daten in einem Standard-Format. Im Mai 2018 wurde von der OPC Foundation die Publish-Subscribe (PubSub) Spezifikation für OPC UA veröffentlicht. Damit wird erstmals auch die Kommunikation von Einem zu Vielen (Multicasting) ermöglicht, sodass ein Gerät (der Publisher) Daten in standardisierter Form einer Gruppe von anderen Geräten (den Subscribern) zur Verfügung stellen kann. Diese Informationen können vom Publisher in exakt definierten Zeitintervallen bereitgestellt werden – die Subscriber wissen dann wie oft oder sogar genau wann, neue Maschinen oder Produktionsdaten zur Verfügung stehen.
Für OPC UA ist PubSub die Eintrittskarte für das Endgerät-Level, wo Steuerungen, Sensoren und Embedded Devices Kommunikation mit geringer Latenz benötigen. Diese Erweiterung macht somit eine Vielzahl neuer Use Cases auf Produktionslevel möglich. Diese Eigenschaften sind besonders für Nutzer im Industriebereich attraktiv: Sie können mit PubSub flexibel Systeme, die aus mehreren Geräten oder Maschinen bestehen, automatisieren, die zuvor nicht interoperabel waren. Viele dieser Systeme arbeiten allerdings mit extrem hohen Geschwindigkeiten und erfordern nicht nur regulären Datenaustausch, sondern auch Echtzeit: Daten müssen innerhalb weniger Millisekunden bereitgestellt werden können. Um diese Anforderung zu erfüllen, kommt IEEE TSN ins Spiel.
IEEE TSN: Echtzeit für Ethernet
Mit Time Sensitive Networking (TSN) stehen neue Mechanismen in Standard IEEE Ethernet zur Verfügung, die Echtzeitverhalten und seine Zuverlässigkeit auch für kritische Anwendungen ermöglichen. An diesem Paket von Mechanismen wurde in den letzten Jahren in der TSN Task Group gefeilt, die Teil der IEEE 802.1 Arbeitsgruppe ist. TTTech hat nach langjähriger Forschungsarbeit bereits Konzepte entwickelt, die sichere Echtzeitkommunikation über Standard-Ethernet ermöglichen. Gemeinsam mit anderen führenden Unternehmen hat TTTech diese Konzepte in Form der IEEE 802.1 TSN Standards in das IEEE Ethernet eingebracht. TSN besteht derzeit aus mehr als 10 Standards, wovon zwei zentrale Elemente näher beleuchtet werden:
Zeitsynchronisierung
Zeitsynchronisierung ist ein essentieller Mechanismus, um deterministische Kommunikation mit geringer Latenz für TSN-Netzwerke zu ermöglichen. Ein robuster Mechanismus, der eine globale Zeit bereitstellt, bildet die Grundlage für die Planung der Traffic-Queues für jede teilnehmende Netzwerkkomponente. Der IEEE-802.1AS-Sub-Standard erstellt ein Profil des IEEE-1588-PTP-Synchronisationsprotokolls für TSN, das die Kompatibilität der Zeitsynchronisation zwischen verschiedenen TSN-fähigen Geräten ermöglicht. Dieser Standard liegt für TSN als Version nach Revision (IEEE 802.1ASrev) vor. Dafür wurden Mechanismen für Fehlertoleranz sowie die Möglichkeit, mehrere aktive Synchronisations-Master zu integrieren, hinzufügt.
Eine Referenzuhr, die gleichzeitig eine ‚Arbeitsuhr‘ ist, die zeitkritische Ereignisse triggert, sowie eine ‚Universal-Uhr‘ oder ‚Wanduhr‘ zu haben, die für Zeitstempel-Ereignisse genutzt wird, kann in vielen Anwendungsfällen vorteilhaft sein. So wird beispielsweise Zeitstempeln von Ereignissen wie Produktionsdaten oder Messungen, und die Synchronisation von Applikationen wie Sensoren, Aktuatoren und Steuereinheiten ermöglicht.
Time-Aware Shaper
Das Herzstück von TSN ist das Time-Sensitive-Kommunikationsprinzip, im Bereich TSN als ‚Time-Aware Shaper‘ bezeichnet. Dieses Prinzip bewirkt, dass Traffic deterministisch in Warteschlangen durch ein Netzwerk transportiert wird. Dieses Prinzip wurde als IEEE 802.1Qbv standardisiert.
Mit diesem Time-Aware-Shaper-Konzept wird es möglich, den Datenfluss über einen TSN-fähigen Switch zu kontrollieren. Ethernet Frames werden identifiziert und auf Basis des Priority Fields des VLAN-Tags einer Warteschlange zugeordnet. Jede dieser Warteschlangen wird über einen Schedule definiert, die Übertragung der Nachrichten wird dann durch Egress Ports während definierter Zeitfenster durchgeführt. Die Übertragung anderer Warteschlangen wird während dieses Zeitfensters blockiert – so wird verhindert, dass der geplante Traffic nicht von ungeplantem Traffic behindert wird. Die Verzögerung bei jedem Switch ist somit deterministisch und die Latenz kann daher in einem Netzwerk mit TSN-fähigen Komponenten garantiert werden.
Das Bindeglied für OPC UA und TSN
Um nun den OPC-UA-PubSub-Datenaustausch und die deterministische TSN-Kommunikation zu verbinden, braucht es einen Mechanismus, der TSN-Schedules den bereitgestellten OPC-UA-Daten zuordnet. Diese Aufgabe wird vom PubSub-TSN-Konfigurations-Broker ausgeführt. Er wird als Softwaremodul implementiert, auf einem Switch oder einem anderen Netzwerkgerät gehostet, und interagiert mit den OPC-UA Publisher- und Subscriber-Geräten sowie mit der TSN-Scheduling-Software. Sobald der TSN-Scheduling-Service bestätigt hat, dass er jedem vom Broker angeforderten OPC-UA-PubSub-Datenstrom einen Pfad durch das Netzwerk zugeordnet hat, stellt der Broker für die Konfiguration relevantes Feedback für die OPC-UA-Publisher zur Verfügung. Dieses System lässt auch die dynamische Rekonfigurierung von OPC-UA-Datenströmen über das TSN-Netzwerk zu. Wenn Publisher oder Subscriber dem Netzwerk hinzugefügt werden, wird der Vermittlungsprozess wiederholt, um den TSN Scheduler anzuweisen, verfügbare Slots im Schedule zu finden und entsprechendes Feedback an die Publisher und Subscriber zurückzumelden.
Fazit
Ein Leitprinzip von OPC UA ist die Vereinfachung offener Kommunikation. Offenheit in eine Welt der geschlossenen Systeme zu bringen haben sich auch die Unternehmen auf die Fahnen geheftet, die OPC UA over TSN unterstützten und vorantreiben. Die Möglichkeit, Informationen von allen Arten von Maschinen, Geräten und Sensoren in Echtzeit zu teilen ist tatsächlich revolutionär – eine breite Akzeptanz des Standards könnte tatsächlich der Grundstein für die 4. industrielle Revolution sein. Abseits jeglicher Prognosen über die Marktmechanismen ist die Kombination aus OPC UA PubSub und TSN jedenfalls eine geeignete Gesamtlösung, um herstellerübergreifend Industrie-4.0-Konzepte zu realisieren:
- Offenheit und Standardisierung, die für das Industrial Internet of Things (IIoT) notwendig ist,
- Bandbreite und Übertragungsgeschwindigkeit von Gigabit-Ethernet sowie
- garantierte Echtzeitfähigkeit für alle Anwendungen und Datenverbindungen vom Sensor bis in die Cloud.
Diese Offenheit bringt exakt die Vorteile, die die Industrie 4.0 seit der Prägung des Begriffs verheißt.
Startschuss für herstellerübergreifende Standardisierung: OPC UA over TSN bildet Highway zum IIoT
Rückblick auf die Pressekonferenz der „Shaper“ anlässlich der SPS 2016
Nürnberg, November 2016: Es könnte der Startschuss gewesen sein, den ‚dritten Feldbuskrieg‘ zu verhindern: Anlässlich der SPS IPC Drives 2016 haben elf Unternehmen zusammen bekannt gegeben, das mittels Time-Sensitive Networking (TSN) echtzeitfähige M2M-Protokoll OPC UA als einheitliche Kommunikationslösung zwischen industriellen Steuerungen und der Cloud voranzutreiben. „Viele verschiedene proprietäre Protokolle limitieren nur die Innovationsgeschwindigkeit“, so die einhellige Meinung der Vertreter von ABB, Bosch Rexroth, B&R, Cisco, General Electric, Kuka, National Instruments (NI), Parker Hannifin, Schneider Electric, SEW-Eurodrive und TTTech. OPC UA over TSN basiere dagegen auf offenen Standards und stelle sicher, dass in industriellen Anwendungen Geräte verschiedener Hersteller vollständig kompatibel zueinander sind. In künftigen Produktgenerationen der beteiligten Unternehmen soll deshalb OPC UA over TSN unterstützt werden.
In der Tat könnte die Gruppe der elf Unternehmen, unter denen sich Automatisierer genauso finden wie große Technologieunternehmen und Netzwerkspezialisten, genügend Gewicht auf die Waage bringen, OPC UA over TSN als Standard durchzusetzen. Blickt man in die Vergangenheit, so entstanden bereits bei den ersten Feldbussystemen konkurrierende Lösungen – mit jeweils guten Gründen hinsichtlich der Spezifikation, aber eben zum Nachteil der Kommunikation zwischen Geräten verschiedener Hersteller. Auch das Aufkommen der Industrial-Ethernet-Systeme brachte eine vergleichbare Entwicklung mit sich, die viele Automatisierer zwingt, Entwicklungsaufwand in die Anpassung an verschiedene Protokolle zu stecken – ein Mehraufwand, der aber eben keinen technologischen Fortschritt mit sich bringt. Zwar haben die großen Feldbusorganisationen – allen voran Profibus & Profinet International (PI) und die CC-Link Partner Association (CLPA), die gemeinsam an der Kompatibilität ihrer Systeme arbeiten – ebenfalls erkannt, dass mit Blick auf Industrie 4.0 und das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) Zusammenarbeit gefragt ist, doch die Festlegung oder zumindest Unterstützung eines wirklich offenen Standards wie OPC UA over TSN macht Kompatibilitätsüberlegungen von vornherein sehr einfach.
Alle elf beteiligten Unternehmen haben die Zusammenarbeit im Rahmen des Industrial Internet Consortiums (IIC) und der OPC Foundation ins Leben gerufen. Angestrebt wird eine vollständig offene, einheitliche, kompatible IIoT-Lösung für die echtzeitfähige Peer-to-Peer Kommunikation – womit Steuerungen sowohl untereinander als auch mit der Cloud standardisiert Daten austauschen können. OPC UA over TSN kann dies als Kombination des um Publisher/Subscriber (Pub/Sub) erweiterten OPC-UA-Protokolls und des IEEE-TSN-Ethernet-Standards leisten. OPC UA over TSN ermöglicht zudem das Zusammenwachsen von Informationstechnologie (IT) und operativen Technologien (OT) – Grundvoraussetzungen für das Industrial Internet of Things und Industrie 4.0.
Auch OPC UA over TSN wird allerdings kurzfristig etablierte Protokolle nur bedingt ersetzen können, insbesondere innerhalb von Maschinen beziehungsweise Fertigungszellen. Für extrem hohe Anforderungen an die Echtzeitfähigkeit werden noch eine Weile lang herstellerspezifische Lösungen ihre Bedeutung haben, wie einige Unternehmen betonten. Bei der Synchronisation von Fertigungszellen kann OPC UA over TSN aber eine wichtige Rolle spielen, zumal OPC UA allein schon seit einiger Zeit bei der Kommunikation bis hinauf in die ERP-Ebene zahlreiche Vorteile bietet.