elektro AUTOMATION: Herr Hoppe, die Kombination aus OPC UA als M2M-Protokoll mit TSN für die Deterministik bietet in der Automatisierungstechnik einiges Potenzial. Warum?
Stefan Hoppe (OPC Foundation): Die OPC Foundation sieht in der Field-Level-Communications-Initiative die Chance, mit einem einzigen Transport (OPC UA) von der Feldebene ohne Medienbrüche in die IT-Welt und Cloud zu kommunzieren – und dabei alle Anforderungen der industriellen Automatisierung abzudecken. Das schließt explizit für die Fabrikautomatisierung auch die deterministische Übertragung, aber auch Motion und funktionale Safety mit ein – auch wenn nicht alle davon in der Prozess-Automatisierung erforderlich sind. Deswegen nennt sich die Gruppe auch nicht ‚OPC-UA-TSN-Gruppe‘, sondern wir haben sie mit ‚Field Level Communications Initiative including TSN‘ bezeichnet. TSN spielt also eine wichtige Rolle – aber auch andere Transporte wie 5G bieten sich an. Die sehr stark vereinfachte Beschreibung ist also: Mit OPC UA vom Sensor bis in die Cloud, und wenn Determinismus benötigt wird, ‚aktiviert‘ man die Option ‚mit TSN‘. Am ersten technischen Kick-off-Meeting in München haben bereits 90 Teilnehmer aus 28 Unternehmen teilgenommen – das Interesse ist hoch.
elektro AUTOMATION: Sie betonen im Zusammenhang mit OPC UA vor allem die Bedeutung des Informationsmodells – könnten Sie das etwas näher erläutern?
Hoppe: Erfreulicherweise stellen wir fest, dass das Interesse an der Modellierung von Systemen deutlich anzieht. Dahinter steht die Erkenntnis, dass zunehmend ‚Informationen‘ entscheidend sind – reine Daten reichen also nicht aus; man benötigt neben der Beschreibung der Daten auch die Bedeutung und Fähigkeiten (Dienste) eines Produktes oder eines Systems. Oder um es anders zu formulieren: Für das Internet of Things (IoT) brauche ich Beschreibungen der Dinge, eine Bibliothek. Ich bin der Meinung, dass diese Bibliothek als ‚Sparte industrielle Kommunikation‘ bei der OPC Foundation entstehen wird – denn eine der entscheidenden Stärken von OPC UA ist, dass wir damit eine universelle Kommunikationsplattform für standardisierte Informationsmodelle nutzen können. OPC UA ist also weniger ‚nur‘ ein Protokoll, sondern vielmehr ein Framework für industriellen robusten Informationsaustausch.
elektro AUTOMATION: Will heißen: Je mehr Produkte oder Geräte miteinander vernetzt werden und miteinander kommunizieren können, desto wichtiger wird eine Art ‚Sprache‘, auf deren Basis sich die Daten nutzen lassen?
Hoppe: Exakt – OPC UA ermöglicht den semantischen interoperablen Informationsaustausch und die Interaktion über Dienste. Das gilt insbesondere dann, wenn in einer intelligenten Vernetzung jedes Gerät oder jeder Dienst eigenständig eine Kommunikation zu anderen Diensten initiieren kann. Aufgrund der Zusammenarbeit von PLCopen und OPC Foundation haben wir etwa erreicht, dass auf die Datenstrukturen eines SPS-Programmes – selbst wenn es auf verschiedenen Steuerungen verschiedener Hersteller ausgeführt wird – ein semantisch identischer Zugriff möglich ist. Letztlich ist die Standardisierung der Semantik die eigentliche Herausforderung von Industrie 4.0. Neben der Frage der Datennutzung vereinfacht sich dadurch übrigens auch das Engineering einer Anlage ganz erheblich – ein wichtiger Zusatzpunkt.
elektro AUTOMATION: Eingangs hatten Sie neben der diskreten Fertigung insbesondere auch die Prozess-Automatisierung (PA) als Einsatzfeld für OPC UA genannt – gilt der Semantik-Gedanke also auch hier?
Hoppe: Selbstverständlich! Jede Branche profitiert davon und ich darf hier daran erinnnern, dass die OPC-Initiative ihre Wurzeln in der PA hat. Diese arbeitet schon viel länger an Informationsmodellen, allerdings sind die Standardisierungszyklen im PA-Bereich noch langwieriger als im Fabrikbereich. Die OPC Foundation unterstützt das neue Process Automation Device Information Model (PA-DIM) der FieldComm Group und der Namur. Die Verwendung einer OPC-UA-basierten PA-DIM-Implementierung mit FDI-Produkten ermöglicht es Endanwendern, die Zeit zur Einführung fortschrittlicher Analyse-, Big-Data- und Enterprise-Cloud-Lösungen – die oft auf Infos von verteilten Feldgeräten mit mehreren Prozessautomatisierungsprotokollen angewiesen sind – deutlich zu verkürzen. Die Zusammenarbeit mit Namur und der FieldComm Group ebnet auch hier den Weg hin zu standardisiertem Informationsautausch basierend auf OPC UA. Die wirkliche Herausforderung der OPC Foundation ist, zu helfen, die Harmonisierung der verschiedenen Informationsmodelle zu koordinieren.
Eine Übersicht zur Initiative ‚Field Level Communications‘ der OPC Foundation findet sich hier:
Hannover Messe 2019: Halle 9, Stand A11
Modellieren mit OPC UA
OPC UA eignet sich für die Abbildung beliebig komplexer Informationsinhalte zur Modellierung virtueller Objekte als Repräsentanten der realen Produkte und deren Produktionsschritten. Dazu bietet OPC-UA ein voll vernetztes (nicht nur hierarchisch, sondern full-mashed-network) objektorientiertes Konzept für den Namensraum inklusive Metadaten zur Objektbeschreibung. Über Referenzierung der Instanzen untereinander und ihrer Typen sowie ein durch Vererbung beliebig erweiterbares Typmodell, sind beliebige Objektstrukturen erzeugbar. Da Server ihr Instanz- und Typsystem in sich tragen, können Clients durch dieses Netz navigieren und sich alle erforderlichen Informationen beschaffen – selbst für ihnen zuvor unbekannte Typen.
Interessant ist vor diesem Hintergrund auch, dass die OPC Foundation bereits erfolgreich mit anderen Organisationen (PLCopen, BACnet, FDI, etc.) zusammenarbeitet und in weiteren Kooperationen aktiv ist, etwa mit MES D.A.CH Verband, ISA95, MDIS (Öl- und Gasindustrie) sowie AutomationML bezüglich der Optimierung der Interoperabilität zwischen Engineering-Tools. Letztlich geht es bei dieser Integration ins Engineering um die semantische Erweiterung von OPC UA.