elektro AUTOMATION: Worin liegt die Bedeutung von TSN für die Automatisierung, ist TSN (beispielsweise mit OPC UA) eine Alternative zu Echtzeit-Feldbussen und -Protokollen bis in die Feldebene oder nur eine Echtzeit-Erweiterung bestehender (industrieller) Ethernet-Kommunikationslösungen?
Georg Stöger (TTTech): OPC UA TSN skaliert bis auf die Feldebene, weil es als Erweiterung von Ethernet die unterschiedlichen Bandbreiten und Topologien von Ethernet unterstützt – und auch zu Ethernet-Geräten kompatibel ist. Durch TSN werden die Eigenschaften von Ethernet um Anforderungen von maschinennaher Datenkommunikation wie Robustheit, Echtzeit und Sicherheit (Safety) ergänzt. So wird die Konvergenz von IT- und Cloud-Verbindungen mit industrieller Datenkommunikation wie Machine-to-Machine-Anwendungen möglich, aber auch die Anbindung von Feldelementen. Die Kombination von OPC UA mit TSN ist aus unserer Sicht ein heißer Kandidat für eine herstellerübergreifende Lösung und hat das Potenzial, Feldbusse auch bei komplexen Use Cases innerhalb von Maschinen tatsächlich abzulösen.
elektro AUTOMATION: Erste Interoperabilitäts-Workshops haben stattgefunden. Als TSN-Ready-gekennzeichnete Managed Switche sowie TSN-ertüchtigte PC-Erweiterungskarten sind verfügbar. Doch wieweit ist die Standardisierung der einzelnen Teile für Hard- und Software (ASbt, Qbu, Qbv, etc.) vorangeschritten. Ist die Entwicklung von Lösungen auf dieser Basis schon heute möglich bzw. wann ist die Technologie in Seriengeräten verschiedener Hersteller für den Industrie-Einsatz verfügbar?
Stöger: Dass die Standards ausreichend definiert sind, um als technologische Basis dienen zu können, wurde besonders im letzten Jahr bereits bei den zahlreichen Plugfests im Rahmen des IIC-TSN-Testbeds erfolgreich demonstriert. Es gibt auch bereits TSN-IP-Implementierungen, die in verfügbaren Netzwerk-Produkten erhältlich sind. Allerdings muss man in den nächsten Jahren auf jeden Fall noch darauf achten, ob TSN-Ready-Geräte alle für den Anwendungsfall benötigten Eigenschaften und Features enthalten; erst mit breiter Marktdurchsetzung von TSN wird alles, was TSN zu bieten hat, auch wirklich überall darin enthalten sein, wo TSN draufsteht.
elektro AUTOMATION: Die Nutzung von TSN mit Profinet/Profisafe, Sercos, Powerlink, OPC UA, etc. setzt evtl. auch Engineering-Funktionalitäten bzw. Entwicklungstools voraus. Welche Unterstützung benötigt der Industrie-Anwender dafür zukünftig?
Stöger: TSN selbst ist als reine Netzwerkschicht für die Anwendung nicht relevant und soll – mittels der dafür vorgesehen Standards – quasi unsichtbar in die Engineering-Tools und Entwicklungsprozesse eingebettet werden. Die für herstellerunabhängige Interoperabilität notwendigen Konfigurations- bzw. Softwareschnittstellen sind in der TSN-Standardisierung enthalten. Wie gut oder wie ‚seamless‘ diese TSN-Konfigurationsmethoden dann tatsächlich in den Entwicklungstools integriert werden, hängt vom jeweiligen Anbieter ab. Auch hybride Netzwerke oder Gateways zwischen TSN- und anderen Automatisierungsnetzwerken können auf diese Art realisiert werden. Der Anwender selbst wird das Vorhandensein von TSN hauptsächlich daran merken, dass gewisse Zeiteigenschaften schon von der Konfiguration garantiert werden können und nicht erst durch Tests überprüft werden müssen.