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Verborgene digitale Werte bereits vorhandener Daten erkennen und nutzen

Verborgene digitale Werte in Form bereits vorhandener Daten erkennen und nutzen
Ungeplanter Anlagenstillstand war gestern

Maschinendatenerfassung, Big Data, die Cloud und ein Predictive Analytics Service ermöglichen proaktive Servicekonzepte. Es wird in Zukunft nicht mehr gewartet, bis eine Baugruppe ausfällt. Innovative IT-Konzepte gestatten in der Automatisierung eine vorausschauende Wartung und die Digitalisierung der dafür erforderlichen Prozesse. Der erste Schritt ist ein Cloud-basiertes Condition Monitoring mit qualitativ hochwertigen Daten.

Der Autor: Klaus-Dieter Walter ist Geschäftsführer der SSV Software Systems GmbH in Hannover und engagiert sich seit 2012 aktiv in der M2M Initiative Deutschland des Nationalen IT-Gipfels der Bundesregierung
 
Durch den Hype um das Internet der Dinge in der Konsumerelektronik und anderen Marktsegmenten werden Monitoring-Sensoren immer kommunikationsfähiger und preiswerter. Darüber hinaus bieten die meisten Anlagen durch die zum Einsatz kommende Steuerung bereits viele geeignete Daten, die bisher allerdings in der SPS verborgen bzw. isoliert sind. In einem ersten Schritt sollte man sich zunächst einmal den Zugriff auf diese Daten verschaffen und klären, welche für die Zustandsüberwachung relevanten Informationen sich aus den Daten gewinnen lassen. Hierzu als Beispiel ein pneumatisches Subsystem zum Materialtransport in einer Fertigungszelle. Es besteht aus einem Führungszylinder mit einem Druckluft-bewegten und SPS-gesteuerten Schlitten, der sich jeweils zwischen linker und rechter Endposition hin und her bewegt. An den beiden Endpunkten des Führungszylinders befindet sich ein Näherungssensor mit einem Schaltpunkt, um der SPS (Siemens S7-1200) die aktuelle Endposition des Schlittens anzuzeigen (Positionen X1 und X4 in der Abbildung). Nur durch den LAN-Zugriff per RFC1006-Protokoll (ISO-on-TCP) auf die beiden S7-1200-Eingänge für X1 und X4 lassen sich schon einmal die folgenden für ein Condition Monitoring relevanten Informationen gewinnen:
    • Bisherige Gesamtstrecke des Schlittens: Der Schlitten hat eine maximal Laufleistung, z. B. 3.000 km. Durch das Zählen der erreichten Endpositionen lässt die sich Gesamtstrecke errechnen und eine Aussage zur Restlaufleistung ableiten.
    • Anzahl aller Ventilbetätigungen in der Ventilinsel: Für alle zum Subsystem gehörenden Ventile können an Hand der Endpositionen die Anzahl der Ventilschaltvorgänge gezählt und die gemäß Datenblatt die mögliche Restlebensdauer errechnet werden.
    • Zeitspanne für die Schlittenbewegung von links nach rechts und umgekehrt: Über die Zeitmessungen zwischen den Betätigungen der Schaltkontakte an den Endposition lässt sich z. B. ein Überdruck (Schlitten zu schnell), ein Unterdruck oder eine mechanische Überlastung (Schlitten zu langsam) sowie Verschleiß an Schlitten und Führungszylinder erkennen.
    • Stoßdämpfernutzung: Durch Errechnen der Schlittengeschwindigkeit und Zählen der Schlittenbewegungen zwischen den Endpunkten ist die Auffahrgeschwindigkeit sowie die maximale Energieaufnahme pro Hub und pro Stunde bestimmbar. Diese Daten reichen meist nicht aus, um die Restlebensdauer eines Stoßdämpfers zu ermitteln.

Sonderbehandlung für kritische Komponenten

  • Alle Zeitmessungen und Berechnungen zur Schlittengeschwindigkeit sind relativ ungenau, solange nur die digitalen Näherungssensorsignale der Endpunkte zur Verfügung stehen. In der Schlittenlaufzeit zwischen diesen Endpunkten sind auch die von verschiedenen Parametern abhängigen Dämpfungsphasen der Stoßdämpfer-Hubstrecken (Zeitspannen t1 und t2) enthalten. Insofern wird der Schaltzeitpunkt der Näherungssensoren an X1 und X4 immer um die nicht konstante Energieabsorptionszeit der Stoßdämpfer verzögert. Die Stoßdämpfer an den Schlittenenden sind aber die kritischen Komponenten des gesamten pneumatischen Subsystems. Reicht die Dämpfung nicht mehr aus, fährt der Schlitten ungebremst an den Anschlag des Führungszylinders. Dadurch kann es zu irreparablen Schäden am gesamten Subsystem kommen. Es ist sinnvoll, den Zustand der Stoßdämpfer in das Cloud-basierte Condition Monitoring einzubeziehen und zusätzliche Sensoren zu installieren.
Will man nun die Wirkung der Stoßdämpfer im Rahmen eines Condition Monitorings messen, sollten die einfachen Näherungssensoren mit je einem Schaltkontakt durch eine spezielle Variante mit zwei Schaltkontakten ersetzt werden. Der Abstand zwischen den beiden Schaltern in einem Näherungssensor wird bei der Inbetriebnahme in einen direkten räumlichen Zusammenhang zur Stoßdämpfer-Hubstrecke gesetzt. Diese Erweiterung ergibt mit X2 (Anfang der Hubstrecke linker Stoßdämpfer) und X3 (Anfang der Hubstrecke rechter Stoßdämpfer) zwei neue Punkte auf der X-Achse. Da X1 und X4 ja nicht nur den Schlittenendpunkten auf dem Führungszylinder, sondern auch dem jeweiligen Ende der Stoßdämpfer-Hubstrecken entsprechen, lassen sich nun die Zeitspannen t1 (Hubzeit linker Stoßdämpfer) und t2 (Hubzeit rechter Stoßdämpfer) für jede Schlittenbewegung Millisekunden-genau ermitteln.
Um für den Führungszylinder eine vorausschauende Wartung zu ermöglichen, sollten alle Daten, die sich per RFC1006-Protokoll über die Ein- und Ausgänge der SPS erfassen bzw. errechnen lassen, in bestimmten Zeitabständen an einen Cloud-Service übertragen und dort gespeichert werden. Wegen der in Deutschland unzureichenden Internet-Bandbreiten sollten die Datenmengen, die per Mobilfunknetz oder xDSL-Netzzugang an die Cloud weitergegeben werden, mit Hilfe einer Datenvorverarbeitung reduziert werden. So kann eine geeignete Mittelwertbildung für t1 und t2 über eine Zeitspanne (z. B. zwei Stunden) zu lediglich zwei t1/t2-Werten führen, die an den Cloud-Service gesendet werden, obwohl in dieser Zeitspanne einige tausend Messwerte angefallen sind.
Zukunftsvorhersage per Cloud
Trendvorhersagen durch Auswertungen größerer Datenmengen werden im IT-Umfeld schon seit Jahren unter dem Sammelbegriff „Predictive Analytics“ praktiziert. Deshalb gibt es in verschiedenen Cloud-Serviceplattformen hochentwickelte und praxiserprobte Dienste, die sich zur Vorhersage der Ausfallwahrscheinlichkeit einzelner Maschinenkomponenten und zum Festlegen geeigneter Wartungstermine bzw. als Basis proaktiver Servicekonzepte eignen. Sie fallen in die Kategorie der Software-as-a-Service-Angebote (SaaS) und stehen über verschiedene Cloud- und IoT-Serviceplattformen zur Verfügung.
Um prädiktive IT-Analyseservices für Predictive Maintenance zu nutzen, müssen, wie zuvor für das pneumatische Subsystem beschrieben, vor Ort geeignete Daten erfasst bzw. ermittelt, in die Cloud transportiert, mit Zeitstempel versehen in einer Datenbank gespeichert werden. Dafür müssen die Daten nicht einmal eine einheitliche Struktur haben. In der Cloud stehen sogenannte NoSQL-Datenbanken (beispielsweise Apache CouchDB, IBM Cloudant, MongoDB) als Service zur Verfügung. Diese dokumentenorientierten Datenbanken speichern unstrukturierte Daten in JSON-Strukturen.
Die Trendvorhersagequalität einer Predictive-Maintenance-Lösung hängt zum einen von der Menge der Historiendaten ab, die in der Cloud zur Verfügung stehen, um per Machine Learning ein geeignetes Vorhersagemodell zu erzeugen. Zum anderen spielt die Datenqualität eine große Rolle. Je mehr Umgebungsdaten zur Verfügung stehen, desto präziser die Zukunftsvorhersage. Aus diesem Grund können für das pneumatische Subsystem auch Druck, Umgebungs- und Bauteiltemperaturen – ja sogar der tägliche Wetterbericht – in die Datenerfassung einbezogen werden.
Jetzt starten und nicht warten
Es wird im Moment sehr viel über Industrie 4.0 und die durchgängige Vernetzung kompletter Wertschöpfungsketten gesprochen. Im Maschinen- und Anlagenbau passiert allerdings hinsichtlich der Umsetzung relativ wenig. Dabei müssen wir uns nur umschauen und die verborgenen digitalen Werte in Form bereits vorhandener Daten erkennen und nutzen. Gerade in Hinblick auf Cloud-basiertes Condition Monitoring und Predictive Maintenance wäre es ein relativ kleiner Schritt, die eigenen Produkte mit wertvollen neuen Eigenschaften in Form intelligenter Datenschnittstellen und Services aufzurüsten und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich deutlich zu verbessern.

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SSV Software Systems GmbH
Hannover
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