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Internet der Dinge in der Automatisierung

Informationsaustausch zwischen Anlagen, Maschinen und Werkstücken
Internet der Dinge in der Automatisierung

Das Internet der Dinge könnte in der Automatisierung zu völlig neuen Anwendungen und deutlichen Effizienzsteigerungen führen. Doch zunächst einmal sind verschiedene Probleme zu lösen. Interoperabilität, herstellerübergreifende Verbundanwendungen, direkte Kommunikationsbeziehungen ohne die Cloud als Integrationsebene, Datenschutz und sichere Datenübertragung sind nur einige davon.

Stefan Klünder ist Sales- und Projekt- Manager bei SSV Software Systems GmbH in Hannover

Die Idee hinter dem Internet der Dinge (Internet of Things = IoT) ist, praktisch jeden Gegenstand mit einem Embedded-System und einer Kommunikationsschnittstelle auszustatten und in ein Netzwerk einzubinden. Die einzelnen Netze werden je nach Anwendung gekoppelt und bei Bedarf mit dem Internet der Menschen verbunden. Durch die virtuellen Repräsentanzen einzelner Dinge innerhalb eines offenen Netzes werden völlig neuartige Verbundsysteme ermöglicht. In einer solchen vollständig digitalisierten und vernetzten Umgebung soll zunächst einmal unser Alltag einfacher werden. Aber auch in der Automatisierung soll sich durch das Internet der Dinge einiges ändern. So wurde auf der Hannover Messe 2011 unter dem Begriff „Industrie 4.0“ eine industrielle Revolution ausgerufen. Dieses mit 200 Millionen Euro an Fördermitteln ausgestattete Zukunftsprojekt aus der Hightech-Strategie der Bundesregierung versucht, mit Hilfe des IoT und Cyber-physischer Systeme eine neuartige Smart-Factory-Umgebung zu schaffen, die sich durch Wandlungsfähigkeit, Ressourceneffizienz und Ergonomie auszeichnet und Kunden bzw. Geschäftspartner in die Wertschöpfungsprozesse industrieller Fertigung einbindet. Erreichen will man die Ziele durch die Internet-basierte Vernetzung von Materialien, Gegenständen und Maschinenteilen und den damit möglichen kontinuierlichen Informationsaustausch zwischen Anlagen, Maschinen und Werkstücken.
Die Interoperabilitätsproblematik
Innerhalb der derzeitigen Automatisierungspyramiden gibt es inzwischen eine unternehmensweit durchgängige Vernetzung und damit zumindest einen recht hohen Grad an Interoperabilität. Um diesen Status zu erreichen, wurden viele Automatisierungslösungen einfach auf Basis eines etablierten Herstellerstandards – wie zum Beispiel Profibus, Profinet oder Ethercat – aufgebaut. Mit anderen Worten: Die vertikale Vernetzungsebene für IoT-Anwendungen existiert bereits – zumindest in den unteren Schichten des ISO/OSI-Layers. Sie nutzt allerdings eine schwer überschaubare Anzahl unterschiedlicher Kommunikationsprotokolle und beinhaltet eine hohe Herstellerabhängigkeit.
Was aber nahezu vollständig fehlt, sind durchgängige Datenmodelle und offene Datenschnittstellen. In den vorhandenen Lösungen sind die Datenstrukturen mehr oder weniger durch Steuerungsprogramme (SPS-Programme) vorgegeben und weitgehend in diesen isoliert. Alle anderen Baugruppen und Systeme werden über spezielle Engineering-Tools für den Zugriff auf die SPS-Variablen konfiguriert. Zur Realisierung der IoT-Ideen sind allerdings ausgereifte Konzepte für die horizontale Interoperabilität erforderlich, die zum einen aus IT-Sicht dem neusten Stand der Technik entsprechen und die sich zum anderen in der Automatisierungswelt herstellerübergreifend umsetzen lassen. Auf Grund fehlender Datenmodelle und der Marktmacht einiger Hersteller sind hier erhebliche Probleme zu erwarten. Teilweise kollidieren die IoT-Anforderungen sogar mit den Geschäftsmodellen einiger Automatisierungstechnikanbieter. Wenn zum Beispiel in einem SPS-Programm für die Steuerung des Herstellers A in der Fabrikhalle B eine Variable verändert wird, die von einer Softwarekomponente C auf einem System des Herstellers D in der Fabrikhalle E benutzt wird, müsste in einer IoT-Anwendung die Abhängigkeit automatisch berücksichtigt und die Softwarekomponente angepasst werden – das ist im Moment aber noch Zukunftsmusik. Von einer wirklich durchgängigen Vernetzung auf Basis offener Datenschnittstellen ist die deutsche Automatisierungstechnik noch Jahre entfernt.
Nicht nur Cloud-zentriert denken
Nach den bisher vorliegenden IoT- und Industrie-4.0-Beschreibungen zahlreicher Forschungseinrichtungen und Automatisierungstechnikanbieter soll praktisch jede zukünftige Anwendung im Factory-Umfeld eine sternförmige Architektur aufweisen. Ursächlich dafür ist, dass sich die meisten Ideenskizzen und Konzeptvorschläge an der bereits seit vielen Jahren existierenden M2M-Kommunikation orientieren. Im Mittelpunkt einer M2M-Lösung arbeitet ein zentraler Service bzw. Server, der in der M2M-Anfangsphase als Backend oder auch DIP (Data Integration Point) bezeichnet wurde. Später wurde der DIP in Cloud-Service umbenannt. Die Endpunkte eines solchen Kommunikationssystems bilden die einzelnen M2M-Devices.
Dieses Cloud-zentrierte Modell sollte man nicht ohne weiteres in die IoT-Welt importieren, weil es nur einen kleinen Teil der Dinge einbezieht. Wenn zum Beispiel in einer Fertigungslandschaft eine Baugruppe per Smartphone-App bedient wird, muss diese Kommunikationsbeziehung nicht zwangsläufig über den Internetserver des Baugruppenherstellers oder eines entsprechenden Serviceproviders laufen – einzige Ausnahme: jemand will das Nutzerverhalten tracken. Die eigentliche Fernsteuerfunktion könnte auch per Bluetooth oder Wi-Fi/Wi-Fi-Direct erfolgen, da beide Funkstandards von praktisch jedem Smartphone unterstützt werden. Die für eine derartige Peer-to-Peer- (P2P) bzw. Ad-hoc-Vernetzung inhomogener Gerätelandschaften erforderlichen Softwarevoraussetzungen will die AllSeen-Alliance schaffen. Basierend auf dem Leitmotiv „Die Dinge müssen auch ohne Cloud direkt miteinander reden können“, haben sich dort seit der Gründung im Dezember 2013 über 30 Firmen zusammengeschlossen, um ein Open-Source-Framework weiterzuentwickeln und zu verbreiten. Solche Initiativen dürften in Zukunft auch in der Automatisierung einen wichtigen Beitrag zur IoT-Verbreitung leisten.
Security by Design
Wird heute eine Anlage mit vernetzten Automatisierungskomponenten erstmalig mit dem Internet verbunden, vergehen nach den Untersuchungen der Sicherheitsfirma Trend Micro nur wenige Stunden bis zum ersten gezielten Angriff aus dem weltweiten Netz. Die Angreifer kommen aus der gesamten Welt und haben offensichtlich das erforderliche Fachwissen für nicht autorisierte Zugriffe auf spezielle Automatisierungsbaugruppen und deren Manipulationen. Die Motive dieser Hacker sind laut Trend Micro völlig unklar. Man darf aber vermuten, dass teilweise sogar hochentwickelte Organisationen hinter diesen Angriffen stecken, die mögliche Angriffsziele für zukünftige Cyberattacken ausspähen. Um in diesem Umfeld anspruchsvolle IoT-Anwendungen zu realisieren, wären im Vorfeld zunächst einmal erhebliche Zusatzinvestitionen für Sicherheitskomponenten, Tests und Audits erforderlich. Da ein Höchstmaß an Sicherheit nur im Rahmen spezieller Prozesse zu erreichen ist, fallen darüber hinaus erhebliche Zusatzkosten für den Betrieb derartiger Lösungen an. Es wäre sogar zu prüfen, ob für die IoT-Sicherheit in bestimmten Anwendungen – zum Beispiel für Applikationen im Umfeld kritischer Infrastruktur – nicht sogar staatliche Security-Vorgaben erforderlich wären und wichtige Baugruppen und Systeme nach Common-Criteria-Vorgaben zertifiziert oder Normen wie die IEC 62443 zwingend eingehalten werden müssten. Ausreichende Sicherheit mit echter Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, eine eindeutige Authentifizierung und fälschungssichere digitale Identitäten sind eine Grundvoraussetzung für das Internet der Dinge und Industrie 4.0. Ansonsten kann das IoT in der Automatisierung zu einer digitalen Katastrophe führen – mit weitaus größeren Auswirkungen als seinerzeit Stuxnet.

INFO-TIPP
Informationen zu den Themen IoT, Cloud und Security bieten die Seiten:
http://tinyurl.com/onhsn8y
http://tinyurl.com/qhl4peh
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