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„Wir wollen komplexe Technik beherrschbar machen“

Dr. Thomas Cord zum Zusammenspiel von Antriebs- und Automatisierungstechnik
„Wir wollen komplexe Technik beherrschbar machen“

„Wir wollen komplexe Technik beherrschbar machen“
Dr. Thomas Cord, Geschäftsführer Lenze Automation Bild: Lenze
Lenze ist als Antriebsspezialist bekannt geworden, sieht sich selbst aber inzwischen vor allem als Automatisierungsanbieter mit Schwerpunkt Motion Centric Automation. Dr. Thomas Cord, Geschäftsführer von Lenze Automation, erläutert im Interview die Hintergründe und die praktische Umsetzung am Beispiel der Robotik.

Das Interview führte Armin Barnitzke, stellvertretender Chefredakteur der Automationspraxis, die wie die elektro AUTOMATION in der Konradin Mediengruppe erscheint

elektro AUTOMATION: Dr. Cord, können Sie kurz die heutige Aufstellung von Lenze beschreiben?
Cord: Die Lenze Gruppe hat zwei Geschäftsbereiche, die für die Entwicklung und Vermarktung unser Produkte, Lösungen und Systeme verantwortlich sind: Während die Business Unit Drives für mechatronische Antriebspakete und das Produktgeschäft mit Getrieben, Motoren und Frequenzumrichtern zuständig ist, beschäftigen wir uns in der Business Unit Automation mit kompletten Systemlösungen aus Antriebs- und Steuerungstechnik plus der dazugehörigen Software. Damit tragen wir übrigens auch der Verschmelzung von Steuerungs- und Servoantriebstechnik Rechnung. Klassische Abnehmer für solche Systeme sind mittelständische Maschinenbauer. Wir konzentrieren uns dabei in der Fabrikautomation auf Maschinen, die Bewegungen umsetzen – denn dafür bieten wir alle erforderlichen Produkte: von der Steuerungstechnik über die Antriebselektronik bis zum Motor und Getriebe, sowohl für einfache als auch komplexe Maschinen. Entscheidend ist vor allem unser Lösungs-Know-how, denn letztendlich haben wir schon immer Bewegung automatisiert und kennen die Maschinen und Applikationen unserer Kunden sehr genau.
elektro AUTOMATION: Welche Bedeutung hat für Lenze das Segment Handling und Robotik?
Cord: Die Anwender in vielen Branchen benötigen immer flexiblere Systeme – und viele Maschinenbauer integrieren aus diesem Grund Roboter in ihre Maschinen. Das ist zurzeit ein wichtiger Treiber unseres Geschäfts. Ein Beispiel ist die Möbelindustrie: Selbst Ikea baut heute nicht mehr nur die standardisierten Billy-Regale, sondern kann auch kundenspezifische, auf Maß geschneiderte Regale liefern. Dafür sind in der Fertigung flexible Kommissionier- und Handling-Systeme erforderlich.
elektro AUTOMATION: Nutzen die Maschinenbauer dafür selbst gebaute Kinematiken oder integrieren sie fertige Lösungen von bekannten Roboterherstellern?
Cord: Beides hat seine Berechtigung. Am Ende einer Getränke-Abfüllanlage, wenn Bierkisten auf Paletten gestapelt werden, dann verwendet man eher Standardroboter. Aber gerade dort, wo die Maschine sehr flexibel und möglichst kompakt sein muss, ist es oft sinnvoller, die Roboterkinematik tief in das Maschinenkonzept zu integrieren. Hier bietet sich unsere Steuerungsplattform an, die alle Maschinenachsen plus die Roboterachsen gemeinsam steuert.
elektro AUTOMATION: Viele Standard-Roboterhersteller betonen aber die Offenheit ihrer Steuerung für die Zusammenarbeit mit Drittsteuerungen…
Cord: …was sicher richtig ist. Aber eine richtig tiefe Integration erreichen Sie nur, wenn sie die Bewegungsachsen der Maschine und die Robotersteuerung in eine Plattform integrieren. Zumindest sollte die Maschinensteuerung der Master sein und die Robotersteuerung sollte sich unterordnen. Die heute auf dem Markt verfügbaren Ansätze sind sicher nur ein erster Schritt – da wird noch viel mehr kommen. Letztlich gibt es hier aber kein wahr oder falsch – in unserem Lösungsgeschäft betrachten wir es als unsere Aufgabe, den Kunden zu beraten und ihm für seine Applikation die passende Lösung anzubieten.
elektro AUTOMATION: Sie betonen stets die Einfachheit Ihrer Automationslösungen. Wie können Sie das gewährleisten?
Cord: Bei einer Umfrage des VDMA hat sich gezeigt, dass das größte Problem der Maschinenbauer die steigende Komplexität der Maschinen ist – vor allem der Software. Unser Ziel ist es seit Jahren, die Engineering-Prozesse unserer Kunden zu vereinfachen, komplexe Technik beherrschbar zu machen und somit einen Beitrag zur Reduzierung ihrer Entwicklungskosten zu leisten. Wir tun das mit anwendungsorientierten Hardwarelösungen, haben aber auch Software geschaffen, die vorgefertigte Lösungen für standardisierbare Maschinenmodule bereitstellt. Innovation ist heute nicht mehr nur ein neues Produkt oder neue Funktionalität, sondern Einfachheit und ein virtuoser Umgang mit komplexer Technik – gerade in Zeiten von Industrie 4.0.
elektro AUTOMATION: Spielt die Software bei der Komplexitätsreduktion die Hauptrolle?
Cord: Ja, Software ist der dominierende Faktor. Bereits vor mehr als drei Jahren haben wir mit unserem Application-Software-Baukasten FAST darauf reagiert, und die Standardisierung und Modularisierung der Maschinensoftware vorangetrieben: Wir haben uns dazu die Maschinen unserer Kunden ganz genau angeschaut und diese in Module zerlegt. Dabei haben wir festgestellt, dass sich viele Funktionen in ganz verschiedenen Maschinen wiederfinden. Diese Basis-Funktionen haben wir dann standardisiert und in modulare Technologiemodule umgesetzt. Das FAST-Konzept bietet also vielmehr als nur standardisierte Softwarebausteine: Darin steckt unser Know-how aus dem Maschinenbau – nicht zuletzt fast 70 Jahre Erfahrung in Motion.
elektro AUTOMATION: Ist der Baukasten fertig oder wird er noch ausgebaut?
Cord: Er wird stetig ausgebaut. Wir bieten aber bereits heute eine breite Basis von häufig gebrauchten Applikationen aus einem Guss, wie beispielsweise Querschneider oder Wickler. Im vergangenen Jahr haben wir nun die Robotik hinzugefügt; von einfachen Portalen über Delta-Roboter für Pick&Place-Anwendungen bis hin zu komplexen Knickarm-Robotern. Mit unseren Technologiemodulen lassen sich 80 Prozent der Funktionen einer Maschine schnell und einfach umsetzen. Die restlichen 20 Prozent wollen viele Maschinenbauer gar nicht standardisieren, weil dies spezifische Funktionen sind, mit denen sie sich von ihrem Wettbewerb unterscheiden.
elektro AUTOMATION: Verändern sich die Wertschöpfungsprozesse im Maschinenbau?
Cord: Ja, sie müssen sich ändern. So ist etwa eine konsequente Modularisierung nur möglich, wenn diese in allen drei mechatronischen Disziplinen – Mechanik, Elektronik und Software – gleichzeitig umgesetzt wird. Heute steht aber oft noch die Mechanik als stärkste Abteilung ganz am Anfang, anschließend folgt der Schaltschrankbau – bevor zum Schluss noch ein paar Softwerker ran dürfen. Bei konsequenter Modularisierung muss man diese drei Entwicklungsstränge vollständig integrieren. Viele Maschinenbauer arbeiten daher gerade an veränderten Organisationsstrukturen und integrierten Engineering-Prozessen.
elektro AUTOMATION: Ist dieses ganzheitliche Denken bei Maschinenbauern und den Endkunden bereits angekommen?
Cord: Sicher nicht, das ist ein langer Prozess. Zumal ja eben auch die Endanwender als Maschinenkäufer die Maschine entsprechend spezifizieren müssen. Also auch die Endanwender müssen modular denken. Das ist auch die große Herausforderung bei Industrie 4.0: Diese liegt nicht in der Verbindung eines Sensors mit dem Internet, sondern es geht um das Verständnis, wie modulare, flexible Konzepte ganzheitlich aufgebaut werden können. Da ist noch sehr viel zu tun.
elektro AUTOMATION: Dr. Cord, herzlichen Dank für das informative Gespräch. co
„Entscheidend ist vor allem unser Lösungs-Know-how, denn letztendlich haben wir schon immer Bewegung automatisiert und kennen die Maschinen und Applikationen unserer Kunden sehr genau.“

HERAUSFORDERUNG MECHATRONIK

Die im Interview angesprochene gleichzeitige Umsetzung der drei mechatronischen Disziplinen – Mechanik, Elektronik und Software – ist Hauptthema der von der Konradin Mediengruppe herausgegebenen neuen Zeitschrift develop3 systems engineering. Die aktuelle Ausgabe ist online verfügbar, der QR-Code führt direkt auf das E-Paper.
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