Startseite » Stromversorgung/Energieverteilung »

Der Einsatz in der Industrie lohnt sich

Warum das IT-System häufig die bessere Wahl ist
Der Einsatz in der Industrie lohnt sich

Das ungeerdete IT-System ist im Vergleich zum geerdeten TN- oder TT-System eine selten angewandte Netzform – sie wäre jedoch häufig die bessere Wahl. Warum aber gibt man sich in der Praxis mit der schlechteren Alternative zufrieden? Die Antwort lautet wohl: aus Gewohnheit, aus Bequemlichkeit oder aus Unkenntnis.

Dr. Dirk Pieler ist CEO bei Bender GmbH & Co KG in Grünberg

Das IT-System ist in der Praxis kaum bekannt. Es wird an Hochschulen und anderen Ausbildungsstellen selten behandelt, sodass sich das geerdete System durchgesetzt hat und sich weiter verbreitet. Das IT-System dagegen findet sich vor allem dort, wo auf dessen Vorteile nicht verzichtet werden kann, wie in Operationsräumen und Intensivstationen oder in der Signaltechnik bei der Bahn. Warum? Weil es hier letztlich um Menschenleben geht. Aber geht es bei Stromversorgungssystemen nicht immer auch um Menschenleben?
Inhärent sicher – kleiner Unterschied, große Wirkung
Das TN- oder TT-System unterscheidet sich vom IT-System hauptsächlich durch die leitende Verbindung zwischen dem Sternpunkt des Transformators, der das System versorgt, und der Erde. Im ungeerdeten IT-System ist dagegen die allpolige Absicherung aller aktiven Leiter erforderlich. Das gilt auch für den N-Leiter, soweit er vorhanden ist. Da in diesem Fall im Einphasensystem keiner der beiden Leiter geerdet wird, sind statt der klassischen Phase und Null zwei unter Spannung stehende Leiter vorhanden. Alternativ zu einem Versorgungstrafo kann ein IT-System auch auf einer anderen Stromquelle basieren, beispielsweise einer Batterie. Doch worin liegt der Unterschied in der Wirkung, wenn es in der Ausführung nur einen so geringen Unterschied gibt?
Berührt ein Mensch bei einem intakten IT-System einen nicht isolierten stromführenden Leiter oder ein unter Spannung stehendes leitendes Gehäuse, so passiert nichts. Warum? Weil Strom nur im Kreis fließen kann, der Kreis nicht geschlossen ist, weil der Sternpunkt des Transformators nicht geerdet ist. Es ist wie bei einem Vogel auf der Hochspannungsleitung; auch der Mensch ist sicher. Doch wie stellt sich die Situation beim geerdeten System dar? Hier wird von Vorherein ein geschlossener Stromkreis aufgebaut und gewissermaßen auf den Fehler gewartet. Berührt in diesem Fall ein Mensch einen stromführenden Leiter, fließt aufgrund der niederohmigen Verbindung zum Versorgungstrafo sofort ein Fehlerstrom über den Menschen. Ohne funktionierende Schutztechnik wäre dies gefährlich. Man schützt diesen Stromkreis über Sicherungen und Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD oder FI-Schalter), sodass im Fehlerfall die Abschaltung schnell genug erfolgt, noch bevor der Mensch Schaden erleidet. Um sicherzustellen, dass dies auch zuverlässig funktioniert, muss die Schutztechnik regelmäßig überprüft werden. So sind z.B. die RCDs in Elektroanlagen alle sechs Monate auf ihre Funktionalität hin zu testen. Aber wie häufig wird tatsächlich geprüft?
Das ungeerdete IT-System bietet also einen inhärenten Schutz vor hohen Berührungsspannungen. Die einzige Ausnahme hierzu bilden AC-Systeme mit sehr großen Netzableitkapazitäten und asymmetrischer Belastung. Gegenmaßnahmen sind hier erstens das Aufteilen in kleinere Subsysteme und zweitens die Messung der Kapazität sowie das Berechnen des maximalen Körperstroms im Fehlerfall, was mit einem Isolationsüberwachungsgerät wie dem Isometer iso685 möglich ist. Auch im IT-System müssen Isolationsfehler zeitnah beseitigt werden, um das System auf hohem Isolationsniveau zu halten.
Vorteile des IT-Systems
Mittels sogenannter Einrichtungen zur Isolationsfehlersuche (IFLS) können Isolationsfehler sowohl im laufenden Betrieb als auch im abgeschalteten Zustand lokalisiert werden. Dazu stehen Geräte zur stationären Installation sowie mobile Geräte zur Verfügung. Dies ist in geerdeten Systemen grundsätzlich auch möglich, basierend auf der Differenzstromtechnik (RCM), jedoch mit der Einschränkung, dass dies nur in eingeschalteten Systemen funktioniert und im Gegensatz zum IT-System auf asymmetrische Isolationsfehler begrenzt bleibt.
Im IT-System erfolgt bei einem Isolationsfehler – selbst bei einem satten Erdschluss – keine Abschaltung. Dies ist der Grund, warum IT-Systeme z.B. in Intensivstationen vorgeschrieben sind. Im Falle eines Isolationsfehlers werden die lebenserhaltenden Geräte weiter versorgt. Das IT-System eignet sich generell hervorragend für alle Applikationen, in denen Abschaltungen unerwünscht sind, beispielsweise in der Prozessindustrie, in Rechenzentren und in der Automatisierung. Eine besondere Bedeutung kommt Steuerstromkreisen aller Art zu. Fehlsteuerungen und Ausfälle von Steuerstromkreisen – zum Beispiel in einem Umspann- oder Kraftwerk – können gravierende Folgen haben. Basierend auf den Informationen, die das Isolationsüberwachungsgerät bereitstellt, können im IT-System Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen langfristig geplant und ungeplante Einsätze zur Störungsbehebung vermieden werden.
Verschlechterungen erkennen
Ein weiterer Vorteil ist, dass Verschlechterungen des Isolationsniveaus sofort erkannt werden können. In einem geerdeten System können Fehlerströme mittels hochentwickelter Differenzstromtechnik (RCM-Technik) im einstelligen Milliampere-Bereich aufgelöst werden – aber auch nicht weiter. Selbst in dem Fall, wenn nur die ohmschen Anteile des Differenzstromes selektiert werden könnten und eine Netzspannung von 400 V sowie eine Auflösung von 10 mA vorliegen, lässt sich eine Verschlechterung des Isolationsniveaus unterhalb von 40 kOhm sicher erkennen. Dies ist eine enorme Verbesserung gegenüber einem geerdeten System, das nicht überwacht wird und irgendwann einfach ungewollt abschaltet. Aber ein Isolationswert von 40 kOhm entspricht beim IT-System bereits dem empfohlenen Hauptansprechwert. Gemessen werden kann im Megaohmbereich und darüber – was einen Faktor von mindestens 1000 gegenüber dem geerdeten System bedeutet. Es können also Isolationsverschlechterungen im ungeerdeten System viel früher gemessen und behoben werden.
In einem IT-System können mittels eines aktiv messenden Isolationsüberwachungsgerätes nach IEC 61557-8 symmetrische Fehler erkannt werden. Das sind Isolationsverschlechterungen gleicher Größenordnung auf allen Außenleitern. Solche Fehler sind nicht selten. Beispielsweise verschlechtern sich die Isolationswerte in Photovoltaikanlagen häufig gleich auf der Plus- und der Minusseite.
RCDs für reine DC-Netze wie Batteriesysteme stehen zurzeit nicht zur Verfügung. Möglichkeiten dazu stellen Geräte zur Differenzstromüberwachung (RCM) mit einer DC-Versorgungsspannung oder die Ausführung als IT-System mit Isolationsüberwachung dar. Das Isometer iso685 bietet den Vorteil, dass es in DC-Netzen anzeigt, ob der Fehler auf der Plus- oder Minusseite vorliegt.
Messung in AC-Netzen mit DC-Anteilen
Befinden sich Batteriesysteme, Umrichter, Schaltnetzteile etc. im AC-Netz, so sind auch DC-Fehlerströme möglich. Die weit verbreiteten RCDs vom Typ A für reine AC-Netze sind hier ungeeignet. Hier können im geerdeten Netz nur RCDs vom Typ B eingesetzt werden oder es muss auf anderem Wege (mittels RCM-Technik) sichergestellt werden, dass bei Gleichströmen oberhalb von 6 mA abgeschaltet wird. Eine sinnvolle Alternative dazu ist es, die Anlage als ungeerdetes Netz zu betreiben und mit einem Isolationsüberwachungsgerät zu kontrollieren.
Da ein Isolationsüberwachungsgerät nach IEC 61557-8 im IT-System aktiv misst, kann es auch allpolig abgeschaltete IT- oder TN-Systeme überwachen. Dies ist zum Beispiel wichtig für Weichenheizungen, Feuerlöschpumpen auf Schiffen oder redundante Kühlsysteme in Atomkraftwerken. So erkennt man z.B. auch im Sommer, wenn eine Weichenheizung einen Isolationsfehler aufweist, und kann sie rechtzeitig reparieren. Andernfalls würde man den Fehler erst im Winter bemerken – in Form des Ausfalls der Anlage genau dann, wenn sie gebraucht wird.
Das im IT-System vorgeschriebene Isolationsüberwachungsgerät überwacht den Isolationswert permanent. Bei den regelmäßigen Prüfungen (BGV-A3-Prüfung) wird im Gegensatz dazu nur der momentane Isolationszustand erfasst. Dieser kann unmittelbar nach der Prüfung schon dramatisch verschlechtert sein und dann lange unbemerkt bleiben. Auch im geerdeten System ist die permanente Überwachung durch den Einsatz von Differenzstromüberwachungssystemen möglich.
Isolationsfehler in Elektroinstallationen sind die häufigste Brandursache überhaupt. Im IT-System ist die Brandwahrscheinlichkeit sehr gering. Erstens lassen sich Isolationsfehler schon in der frühen Entstehungsphase erkennen und beheben. Zweitens fließt aufgrund des fehlenden niederohmigen Rückpfades im Falle des Isolationsfehlers kein Strom, der groß genug wäre, einen Brand zu verursachen. Auch hier gilt wieder die Einschränkung auf Systeme mit nicht zu großer Netzableitkapazität.
Die Isometer iso685 und iso1685 sind in der Lage, über viele Jahre hinweg lückenlos Netzparameter mit Zuordnung von Datum und Zeit aufzuzeichnen. In Verbindung mit weiteren Systemereignissen ermöglicht dies die eventbasierte Fehleranalyse und erleichtert das Auffinden und Beseitigen sporadisch auftretender Fehler sowie die Verbesserung der Entscheidungsgrundlage für zukünftige Investitionen. Die Auswertung kann am Gerät selbst oder via Ethernet durchgeführt werden.
Nichtlineare Verbraucher und Umrichter
Heutige Netze enthalten immer weniger lineare bzw. ohmsche Verbraucher. Die Glühlampe wurde durch Energiesparlampen oder LEDs ersetzt, Computer und Fernseher werden über Schaltnetzteile mit dem Netz verbunden, die Waschmaschine enthält einen Frequenzumrichter und für die Motoren in der Industrie kommen Frequenzumrichter in großer Zahl zum Einsatz. Ein leistungsfähiges Isolationsüberwachungsgerät im IT-System hat damit kein Problem und misst den Isolationswert des gesamten Netzes korrekt. Das IT-System eignet sich besonders für den Einsatz mit Umrichtern, denn im IT-System kann es auch bei einem satten Isolationsfehler im Zwischenkreis von großen Umrichterantrieben durch Gleichströme und die damit verbundenen Sättigungseffekte in Eisenkernen nicht zur Zerstörung der induktiven Elemente von speisenden Generatoren und Transformatoren kommen. Eine Fehlerdifferenzierung in Umrichterantrieben nach Zwischenkreis und Motorseite ist mit dem Isometer iso685 ohne zusätzliche Aufwendungen möglich.
In geerdeten Systemen verursachen vagabundierende Ströme oft Probleme. Dies sind Ströme, die nicht über die L-, N- und PE-Leiter fließen, sondern sich andere Wege suchen. Sie verursachen Korrosion und Lochfraß bei Rohrleitungen, Blitzschutzanlagen, Kugellagern, Fundamenterdern und sonstigen leitfähigen Teilen. Sie können zur Zerstörung von Schirmen von Signalkabeln bis hin zum Brand führen und es können dadurch Störmagnetfelder auftreten, die Probleme mit EDV- und Kommunikationsanlagen hervorrufen. Da im ungeerdeten System der Pfad zum Sternpunkt des Trafos nicht geschlossen wird, können sich vagabundierende Ströme nicht ausbreiten.
IT-Systeme sollten nicht zu groß sein
In der IEC 62109-1:2010 wird die Möglichkeit beschrieben, die Überspannungskategorie von ÜK IV auf ÜK III durch Isolation via Trenntransformator, Optokoppler oder ähnliche galvanische Trennung zu reduzieren, weil Transienten keine so hohen Ströme wie bei geerdeten Systemen zur Folge haben. Die praktische Folge daraus ist, dass Bauteile in den elektrischen Verbrauchern im IT-System weniger Belastung durch Spannungsspitzen erfahren und dadurch eine längere Lebensdauer haben.
Sehr große IT-Systeme können unübersichtlich werden und eine ungewollt hohe Netzableitkapazität aufweisen. Es ist daher zu empfehlen, sehr große IT-Systeme mittels Trenntransformatoren in separate Einheiten zu unterteilen, was zusätzliche Kosten und Leistungsverluste in insgesamt aber meist vernachlässigbarer Größe verursachen kann. Die Aufteilung in galvanisch getrennte Subsysteme hat durchaus auch Vorteile, wie die Filterungswirkung gegenüber Störgrößen oder die Möglichkeit der individuellen Anpassung der Spannungen an die versorgten Verbraucher. Was ein sehr großes System ist, ist im Einzelfall zu bewerten und hängt von den Systemparametern ab. So können zum Beispiel die weltgrößten Photovoltaik-Felder komplett von jeweils einem einzelnen Isometer des Typs isoPV überwacht werden.
In einem IT-System mit Isolationsfehler auf einem Leiter erhöhen sich die Außenleiterspannungen der anderen Leiter gegenüber Erdpotenzial. Bei einem satten Erdschluss eines Leiters im 230 V-Netz erhöhen sich die Spannungen der anderen Leiter gegenüber Erdpotenzial auf ca. 400 V. Systemkomponenten sollten daher für die maximale Nennspannung geeignet sein. Die Spannungserhöhung kann vermieden werden, wenn die Sekundärseite des Trafos in Delta-Form ausgeführt wird.
Eine wirtschaftliche Alternative
Das IT-System weist gegenüber geerdeten Systemen viele Vorteile auf und eignet sich nicht nur für die hohen Anforderungen im Operationsraum oder in einem Atomkraftwerk, sondern praktisch überall. In den meisten Fällen wird es heute gar nicht in Betracht gezogen, obwohl es die bessere Wahl wäre. ge
Newsletter

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Videos

Hier finden Sie alle aktuellen Videos


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de