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NH-Sicherungen richtig wählen und dimensionieren

Wie NH-Schaltgerätekombinationen geplant und eingerichtet werden
Absicherung von Kabeln und Leitungen: Auswahl und Dimensionierung

Wichtiges Element von Niederspannungs-Schaltanlagen ist die Absicherung der Kabel und Leitungen. Den Schutz gegen Überlast und Kurzschluss übernehmen Schmelzsicherungen, die dank ihrer Eigenschaften bei Strombegrenzung und Kurzschlussabschaltvermögen optimal geeignet sind. Jean Müller bietet entsprechende Lösungen sowie kompetente Unterstützung bei der Auswahl und Dimensionierung von Sicherungs-Schaltgeräten an.

 

Torsten Wolf ist Produktmanager NH-Schaltgeräte bei der Jean Müller GmbH in Eltville/Rhein

Inhaltsverzeichnis

1. Unter Last sicher schalten
2. Typprüfung nach DIN EN60947-3
3. Einfluss der Umgebungstemperatur
4. Weiterhin zu beachtende Einflüsse

Für den Einsatz von Schmelzsicherungen sind in der Regel entsprechende Geräte zur Aufnahme erforderlich. Im Bereich der Energieversorgung sowie des industriellen Schaltanlagenbaus nimmt die NH-Sicherung einen festen Platz ein (NH = Niederspannungs-Hochleistungs-Sicherung). Um NH-Sicherungseinsätze in elektrische Anlagen integrieren zu können, gibt es verschiedene Geräte:
  • NH-Sicherungsunterteile,
  • NH-Sicherungsleisten,
  • NH-Sicherungslasttrennschalter,
  • NH-Sicherungslastschaltleisten und
  • Lasttrennschalter mit NH-Sicherungen.
Das NH-Sicherungsunterteil ist die einfachste Bauform zur Aufnahme von Sicherungen. Es hat zwei Aufnahmekontakte, zwischen denen der Sicherungseinsatz eingesetzt wird. Die äußeren Anschlüsse dienen zur Kontaktierung der Einspeise- und Abgangsleitungen. Spezielle Bauformen erlauben die Montage des Unterteils auf Sammelschienensystemen. Das Einsetzen und Herausnehmen des Sicherungseinsatzes erfolgt mit einem Sicherungshandgriff. Eine besondere Ausprägung ist die 3-polige NH-Sicherungsleiste, bei der praktisch drei Sicherungsunterteile miteinander kombiniert sind. Diese Sicherungsleiste wird stets auf ein 3-phasiges Sammelschienensystem montiert.

Unter Last sicher schalten

Sicherungslasttrennschalter und Sicherungs-Lastschaltleisten verfügen im Unterschied zu den Sicherungsunterteilen und NH-Sicherungsleisten zusätzlich über eine Einschwenkvorrichtung, die ein geführtes Zuschalten und Öffnen des Gerätes ermöglichen. Durch eine geeignete Gestaltung des Kontaktapparates können diese Geräte unter Last einschließlich einer definierten Überlast sicher geschaltet werden. Auch das Schalten auf einen Kurzschluss ist beherrschbar und bildet einen wichtigen Bestandteil innerhalb der Typprüfung für diese Gerätegruppe. Durch ein umfassendes Berührschutzkonzept ermöglichen NH-Sicherungslasttrennschalter und -Sicherungslastschaltleisten einen wesentlich höheren Schutz gegen Berührung aktiver Teile, als dies bei NH-Sicherungsunterteilen und -Sicherungsleisten gegeben ist.
Während bei Sicherungslasttrennschaltern und Sicherungslastschaltleisten der Sicherungseinsatz selbst den bewegbaren Kontakt darstellt, verfügen Lasttrennschalter mit NH-Sicherungen über ein Schaltwerk, das eine vom Bediener unabhängige Schaltgeschwindigkeit sicherstellt. Damit sind die Geräte besonders für den Einsatz in Anlagen geeignet, bei denen neben einer hohen Kurzschlussfestigkeit auch ein hohes Schaltvermögen gefordert wird. Durch die mehrpolige Unterbrechung des Kontaktapparates werden die Sicherungseinsätze beidseitig vom Netz getrennt und können somit im spannungsfreien Zustand ausgetauscht werden.

Typprüfung nach DIN EN60947-3

NH-Sicherungsleiste
NH-Sicherungsleiste
Bild: Jean Müller

NH-Sicherungslasttrennschalter, NH-Sicherungslastschaltleisten und Lasttrennschalter mit NH-Sicherungen müssen den Anforderungen der DIN EN60947-1 und -3 entsprechen. Der erforderliche Nachweis wird insbesondere durch die festgelegten Prüffolgen I bis V geführt. Diese gliedern sich in Allgemeines Verhalten, Betriebsverhalten, Verhalten bei Kurzschluss, bedingter Bemessungskurzschlussstrom und Überlastverhalten.

Ein wichtiges Element innerhalb der einzelnen Prüffolgen ist der Nachweis der thermischen Beständigkeit der Geräte-Sicherungskombination. Mit den in den einzelnen Prüffolgen definierten Erwärmungsprüfungen wird insbesondere sichergestellt, dass die maximal zulässigen Übertemperaturen an den äußeren Anschlüssen des Gerätes sowie an berührbaren Teilen nicht überschritten werden. Die entsprechenden Grenzübertemperaturen sind in der Norm angegeben und gelten in Bezug auf eine Umgebungstemperatur zwischen -5 bis +35°C. Die Prüfung des Überlastverhaltens soll den Nachweis erbringen, dass auch unter abnormalen Bedingungen ein sicherer Betrieb der Gerätekombination möglich ist. Dabei wird das sicherungsbehaftete Schaltgerät mit dem 1,6-fachen Nennstrom solange belastet, bis mindestens 1 Sicherungseinsatz abschaltet, maximal jedoch für die Dauer von 1 Stunde.
Die Prüfung ist dann bestanden, wenn sich das Gerät danach einwandfrei bedienen lässt und keinerlei die Sicherheit beeinträchtigende Schäden am Gerät vorliegen. Es kann jedoch z.B. durch schleichende Erhöhungen der Anschlusswerte in Verbraucheranlagen zu wesentlich länger andauernden Überlastsituationen kommen. Während der NH-Sicherungseinsatz je nach Nennstromstärke bei den vorgenannten Prüfbedingungen nach maximal 1 bis 4 Stunden schaltet, kann die Zeit bis zur Abschaltung bei Werten zwischen dem 1,3- und 1,5-fachen Nennstrom deutlich länger sein. Die Erwärmung der Schalter-Sicherungskombination ist dabei wesentlich stärker als beim 1,6-fachen Nennstrom. Ob das NH-Schaltgerät dieser thermischen Belastungssituation gewachsen ist, wird durch die zuvor geschilderte Prüfung nach DIN EN 60947-3 nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Jean Müller prüft deshalb innerhalb der Produktentwicklung alle NH-Schaltgeräte, ob diese den in der Praxis zu erwartenden Belastungssituationen auch tatsächlich gewachsen sind.
Bei der Anordnung mehrerer Schaltgeräte nebeneinander kommt es zu einer wechselseitigen thermischen Beeinflussung der Geräte, was unter anderem zu einer reduzierten Abführung der Verlustwärme führt. DIN EN 61439-2 legt deshalb Reduktionsfaktoren fest, der bei zwei Hauptstromkreisen 0,9 und bei 10 und mehr Hauptstromkreisen 0,6 beträgt. In Schaltgerätekombinationen sind die vorgenannten Bemessungs-Belastungsfaktoren auf die Bemessungsströme der jeweiligen Stromkreise anzuwenden. Dabei handelt es sich um den Wert des Stroms, der von diesem Stromkreis unter üblichen Betriebsbedingungen getragen werden kann, wenn er allein betrieben wird.

Einfluss der Umgebungstemperatur

Bei konstantem Strom und steigender Umgebungstemperatur kommt es im Betrieb zu einem Anstieg der Temperaturen am und im Schaltgerät. Insbesondere Isolierteile werden dadurch stärker beansprucht. Für Innenraumanlagen ist nach DIN EN 61439 eine maximale Umgebungstemperatur von 55°C zulässig. Überschreitet die Gerätetemperatur materialspezifische Grenzwerte, kann es zur vorzeitigen Alterung, Deformation und letztlich zu einer Zerstörung der Isolierteile kommen. Im Extremfall können sich einzelne Teile sogar entzünden und damit einen Anlagenbrand herbeiführen. Deshalb ist es bei Umgebungstemperaturen von über 35°C erforderlich, den maximalen Laststrom für die Schaltgerätekombination mittels Reduktionsfaktors herabzusetzen. Außerdem wirkt sich die Umgebungstemperatur auch auf die Kennlinie des Sicherungseinsatzes aus: Je höher die Umgebungstemperatur, desto früher wird im Inneren des Sicherungseinsatzes die Temperatur erreicht, die zum Schmelzen führt und den Stromkreis unterbricht.
Die Auswirkungen der Umgebungstemperatur sind umso stärker, je geringer der Überstrom ist; während sich die Kennlinie im Bereich des Kurzschlussschutzes kaum verändert, erfolgt die Abschaltung im Überlastbereich je nach Höhe der Umgebungstemperatur deutlich früher.

Weiterhin zu beachtende Einflüsse

Durch den IP-Schutz des Gehäusesystems werden die Luftzirkulation und damit die Abführung der durch den Innenwiderstand der eingebauten Komponenten hervorgerufenen Wärme beeinflusst. Dementsprechend sind in Abhängigkeit von Bemessungsstrom und IP-Schutzgrad auch hier Reduktionsfaktoren (zwischen 0,9 bei IP31 und 0,55 bei IP54) anzuwenden. Schaltgeräte und andere elektrische Komponenten werden in der Regel für den Einsatz bis 2000 m NN ausgelegt. Bei größeren Höhen nimmt aufgrund des geringeren Luftdruckes die Kühlwirkung ab. Zusätzlich verringert sich die Isolationsfestigkeit der Luft, weshalb auch die Betriebsspannung reduziert werden muss. Bei der Reduzierung des Ausschaltvermögens aufgrund der verringerten Isolationsfestigkeit der Luft kann überschlägig mit einer Abnahme von 6% je 500 m Höhe oberhalb 2000 m gerechnet werden. Von Elektroanlagen wird meist eine Lebensdauer von Jahrzehnten erwartet. Deshalb ist es unerlässlich, bei Planung und Errichtung die Bedingungen am Einsatzort zu berücksichtigen. Sind dabei mehrere Reduktionsfaktoren gleichzeitig anzuwenden, so sind diese miteinander zu multiplizieren. Werden diese Regeln nicht beachtet, folgt eine stärkere thermische Belastung der Anlage, was zu einem vorzeitigen Ausfall einzelner Komponenten führen kann. Bei der Auslegung der Anlage sind außerdem die Gleichzeitigkeitsfaktoren für die einzelnen Verbraucherstromkreise zu berücksichtigen sowie Reserven für Erweiterungen. (ge)

Eigenschaften der SASILplus-Leisten
SASILplus-Leisten sind 2-, 3- oder 4-polig, steckbare Lasttrennschalter mit Sicherung nach IEC/EN 60947-3 in Leistenbauform zur Aufnahme von NH-Sicherungseinsätzen. Das bedienerunabhängige Sprungschaltwerk mit Hand- oder Motorantrieb führt zu einer definierten Schaltgeschwindigkeit und einer eindeutigen Schaltstellung.
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