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Steuerungstechnik

Wago erweitert Edge-Plattform um x86-Architektur
Cloud-Funktionalitäten an die Maschine bringen

Dank moderner IT stehen alle wichtigen Informationen aus der Produktion fast überall und zu jeder Zeit zur Verfügung. Mit den PFC-Controllern und den Schaltschrank-Devices bietet Wago Lösungen für das Edge-Computing und die Cloud-Connectivity. Mit einem weiteren Edge-Device für die Hutschiene auf der Basis eines i7-Prozessors entspricht das Unternehmen nun auch der großen Vielfalt an x86-basierenden Edge-Anwendungen. Jürgen Pfeifer, Dr. André Kleine und Alexander Janzen von Wago erläutern die Hintergründe.

 

Die Fragen stellte Andreas Gees, stv. Chefredakteur KEM Konstruktion

KEM Konstruktion: Die Begrifflichkeiten verwirren: Cloud-Computing, Fog- und Edge-Computing, Big- oder Smart-Data sowie Analytics und daraus resultierend neue Geschäftsmodelle. Erklären Sie uns bitte, weshalb Sie dem Edge-Computing besondere Bedeutung beimessen?

Dr. André Kleine: Die Thematik ist nicht nur für unsere Kunden interessant, sondern auch für uns als Hersteller. Wir sehen im Edge-Computing die Möglichkeit, Cloud-Funktionalitäten direkt an die Maschine zu bringen. Als Anbieter einer offenen Automatisierungsplattform liefern wir genau für diese Funktionalität geeignete Produkte. In Zukunft wird es immer mehr Daten geben, weshalb es wichtig ist, diese schon an der Basis zu verdichten. Dabei können wir mit unseren Geräten einen wichtigen Beitrag leisten. Gerade beim Aufbau einer geeigneten Infrastruktur können wir helfen, Flaschenhälse abzubauen. Wir erweitern unser Portfolio kontinuierlich und haben dazu weitere Edge Devices vorgestellt, wobei zu erwähnen ist, dass schon unsere Steuerungen der PFC-Familie mit Edge-Funktionalitäten ausgestattet sind. Damit bieten wir eine gute Skalierbarkeit, und weitere Funktionalitäten sind für den Anwender über die Docker-Technologie in großer Vielfalt nutzbar. Mit unseren Geräten schlagen wir so eine Brücke zwischen der OT- und der IT-Welt.

KEM Konstruktion: Maschinenbauer und Anwender haben unterschiedliche Interessen. Während neue Geschäftsmodelle eher aus Big-Data resultieren, setzt die produzierende Industrie andere Schwerpunkte. Beschreiben Sie aus Ihrer Sicht die konkreten Anforderungen der KMUs an die Digitalisierung?

Jürgen Pfeifer: Wir haben zum einen die Produktionsbetriebe, zum anderen den Maschinenbauer. Beide treffen sich beim Thema Edge-Computing. Der eine möchte beispielsweise SAP-Prozesse näher an die Maschine oder in den Schaltschrank bringen, ein anderer Analytics-Funktionalitäten realisieren. Möchte der Maschinenbauer Predictive Maintenance als Service anbieten, benötigt er dazu ein Edge Device an der Maschine. Die Edge-Funktionalität bietet Potenzial für beide. Während der Produktionsbetrieb seine Prozesse optimieren kann, sammelt der Maschinenbauer Daten, um die Qualität seiner Maschine zu steigern oder aber um den genannten Maintenance Service anbieten zu können. Mit Hilfe der Docker-Technik können beide Anforderungen in einem Device realisiert werden.

KEM Konstruktion: Im Gegensatz zur Auslagerung von Daten und Services in die Cloud sind Lösungen im Rechenzentrum des Unternehmens für die Industrie mit ihren hohen Datenschutzanforderungen ein geeigneter Weg. Alternativ ist aber auch der Einsatz von Edge-Computing-Systemen direkt im Schaltschrank im Feld möglich.

Kleine: Als Anbieter einer Automatisierungsplattform tragen wir zur Zuverlässigkeit der Anlagen bei. Trotz mangelhafter Sicherheit und Latenz bei der Datenübertragung oder beim Ausfall eines größeren Knotens müssen Anlagen betriebsfähig bleiben. Da bietet die Nähe zum Prozess mit Geräten direkt im Schaltschrank erhebliche Vorteile. Mit unseren nun vorgestellten Automatisierungskomponenten bringen wir auch den Industrie-PC näher an den Prozess. Wir schaffen eine Verbindung zwischen den Welten, mit den Edge-Gateways der PFC-Familie sowie mit den Controllern und Computern, die auf die Datenverarbeitung im Schaltschrank ausgerichtet sind.

KEM Konstruktion: Welche Vorteile zeichnen Edge Devices direkt im Schaltschrank, also nahe der Echtzeitsteuerung aus? Welche Vorteile ergeben sich daraus für die einsetzenden Unternehmen? Könnten dann in Zukunft nicht Edge Devices und Steuerungshardware wieder verschmelzen?

Pfeifer: Betrachtet man eine moderne SPS, stellt man fest, dass diese heute viele Funktionalitäten der Datenverarbeitung übernommen hat. Auftragsdaten, das Verarbeiten von Logdateien, von Prozesswerten oder die Textverarbeitung für das Touch Panel – die ursprünglich auf boolsche Verarbeitung und weniger komplexe Operationen ausgelegte SPS ist über die Jahre in ihrer Funktionalität mit den Anforderungen gewachsen. Heute besteht die Chance, diese Aufgaben wieder in die Edge, also in eine separate Computer-Technologie auszulagern. Sicher werden die beiden Funktionalitäten zusammenwachsen. Auch wir sehen diesen Trend: Doch nicht die IT-Funktionalitäten wandern weiter in die SPS, wahrscheinlicher ist, dass zukünftig mehr Steuerungs-Runtimes virtualisiert in der Edge laufen. Dabei wird die Edge-Technologie die führende Funktion übernehmen.

KEM Konstruktion: Wie Wago setzen heute viele Steuerungshersteller auf Linux. Welche Vorteile bietet Linux in der Automatisierungswelt, welchen Stellenwert haben Open-Source sowie Docker für das Edge-Computing?

Kleine: Ein großer Vorteil von Linux ist die Stabilität und die konstante Performance. Denn durch Updates dürfen Steuerungen keineswegs an Leistung verlieren, was bei Windows-Lösungen durchaus nicht ausgeschlossen ist. Da wird mit einem neuen Betriebssystem-Release meist auch leistungsfähigere Hardware notwendig. Hier bietet Linux einen deutlichen Vorteil. Außerdem wirkt die Community mit ihrer ‚Schwarmintelligenz‘ daran mit, eine breite Auswahl von Software zur Verfügung zu stellen. Mit Hilfe dieser Open-Source-Lösungen ist der Kunde in der Lage, eigene Applikationen zu entwickeln. Dazu bieten wir ihm die Plattform sowie die Schnittstellen. Aber der Anwender muss sich keineswegs mit der Hochsprachenprogrammierung auskennen. Mit unserer Engineeringsoftware e!Cockpit decken wir die Anforderungen der IEC61131-Programmierung ab. Der Kunde kann eine Lösung unter Linux nutzen, er kann aber ebenso eine Standard-SPS-Applikation schreiben.

Pfeifer: Wir bieten die Möglichkeiten zur Evolution. 2005 hatten wir die erste Linux-basierte Hardware. Und 2007 haben wir den IPC herausgebracht, ebenfalls basierend auf einem Echtzeit-Linux. Ziel war immer, den Anwendern mehr Flexibilität zu bieten. Während der Standardkunde ohne Linux-Kenntnisse mit seinem gewohnten Engineering-Tool arbeiten kann, können wir mit Linux die nachwachsende ‚Raspberry-Pi-Generation‘ erreichen. Die Frage: ‚Wie können wir Steuerungs- und Automatisierungsaufgaben außerdem lösen, ohne mit SPS-Code zu arbeiten?‘ ist die Basis dieser Evolution, und darin liegen die Chancen, die das offene Linux bietet.

KEM Konstruktion: Wago unterstützt mit seinen IO-Systemen und den Controllern eine Vielzahl offener Schnittstellen. Der Anwender benötig die Skalierbarkeit der Geräte vom einfachen IIoT-Gateway bis zum leistungsfähigen Rechner.

Alexander Janzen: Die Skalierbarkeit ist uns wichtig, und wir versuchen eine möglichst hohe Kompatibilität zu gewährleisten. Der Kunde, der mit einem PFC100 oder PFC200 arbeitet, soll genauso einfach mit den Edge Controllern arbeiten können. Diese Geräte sind zwischen PFC und Edge Computer positioniert. Der Edge Controller, auf dem eine SPS-Runtime integriert ist, lässt sich mit unserem Engineering programmieren, man kann aber auch beliebige Anwendung unter Linux realisieren. Applikationen für den PFC sind auch auf den HMIs oder den Edge Controllern lauffähig. Die Geräte zeichnen sich durch eine nahezu gleiche Firmware aus. Mit dem Edge Computer gehen wir einen weiteren wichtigen Schritt in die IT-Welt. Auch hier setzen wir auf die Docker-Technik.

KEM Konstruktion: Angekündigt ist ein leistungsfähiger Edge Computer mit i7-Prozessor. Für welche Applikationen ist der vorgesehen?

Janzen: Der i7-Edge-Computer ist ebenfalls für die Hutschiene konzipiert wie die bereits vorhanden Edge Computer mit Atom-Prozessor. Er ist mit 2,8 GHz, 16 GByte RAM und einem 256 großen SSD-Speicher sowie einer Vielzahl von Schnittstellen ausgestattet. Das Gerät bietet dem Kunden die Möglichkeit, sein System flexibel zu gestalten und bei Bedarf weiter auszubauen. Auch beim i7-Device werden wir Docker integrieren. Dank dieser Performance kann eine dezentrale Bearbeitung von komplexen Applikationen nahe am Prozess erfolgen. Dieser Aspekt ist besonders in den Bereichen relevant, wo nur kurze Latenzzeiten akzeptiert werden und eine Verfügbarkeit der Systeme gewährleistet sein muss. Als Beispiel dafür können Echtzeitanalysen aufgeführt werden.

KEM Konstruktion: Mit Analytics unterstützt Wago Anwender von der Datenaufnahme bis zur Analyse und hilft bei der Auswertung. Könnte hier der Edge Computer mit i7-Prozessor zum Einsatz kommen? Er würde KI in der Edge ermöglichen.

Pfeifer: Wir kommen aus der OT und haben bei unseren Geräten bisher die ARM-Architektur eingesetzt. Wir registrieren jedoch zunehmend eine Nachfrage nach x86-Technologie für IoT-Projekte und Edge. Anwendungen beispielsweise im Bereich KI oder zur Bildauswertung werden heute nicht unbedingt für die ARM-Architektur entwickelt. Der IT-Community im Cloud-Umfeld bietet die x86-Umgebung mit all ihren verfügbaren Lösungen sehr viel mehr Möglichkeiten, auch wenn es beispielsweise darum geht, ERP-Systeme mit Auftragsverwaltung näher an den Prozess und in den Schaltschrank zu bringen.

KEM Konstruktion: Welches weitere wichtige Merkmal der Edge-Technologie ist für den Anwender relevant?

Pfeifer: Ein großer Anwendervorteil gerade bei überregionalen oder weltweiten Anwendungen ist die Möglichkeit, ein Gerät bzw. die Anwendungen darauf smart aus der Cloud heraus zu bedienen. Device-
Management ist so ein aktuelles Thema. Ziel ist, die Geräte ortsunabhängig zu managen. Die Edge-Technik bietet dafür die Möglichkeit, die Geräte eines Maschinenbauers zentral mit neuen Software-Releases zu versorgen und eine Versionsverwaltung aufzubauen.

KEM Konstruktion: MQTT ist in die Firmware integriert. Wie steht es um OPC UA und die Schnittstellen zum Prozess?

Kleine: MQTT als Kommunikationsprotokoll ist bereits seit längerem in die Firmware integriert. Mit dem letzten Release haben wir nun unseren eigenen OPC-UA-Server integriert, bisher wurde der Codesys-Server genutzt. Wir arbeiten daran, auch die Clients bereitzustellen. Die neuen Edge Controller bieten den Vorteil, dass sie über flexible Schnittstellen wie TCP/IP, CAN, RS232 und RS485 verfügen. So können auch heterogene Steuerungslandschaften angeschlossen werden. Mit den Hutschienen-Controllern bieten wir eine komplette Steuerung, jedoch im Gegensatz zu unseren anderen Steuerungen ohne direkt angeschlossenes IO-System. Da wir die Runtime integriert haben, können wir Umgebungen wie EtherCAT, Modbus oder BACNET nutzen. Beim Thema Edge besteht die Aufgabe ja auch darin, mit der vorhandenen Maschinensteuerung zu kommunizieren. Wir bieten unterschiedliche Bibliotheken, um beispielsweise auf die Daten alter Steuerungen zugreifen zu können. Die Schnittstellen der Edge Devices und Protokoll-Gateways sichern die Connectivity zu den unterschiedlichsten Steuerungen. Eine wesentliche Herausforderung besteht heute darin, die große Zahl bestehender Anlagen IoT-fähig zu machen. Das können wir mit unserer offenen Automatisierungsplattform leisten.

KEM Konstruktion: Was sind die nächsten größeren Entwicklungsschritte in Bezug auf die Edge-Thematik?

Kleine: Mit unseren Edge Devices sind wir nun schon seit einiger Zeit am Markt, jetzt kommt wie bereits erwähnt der Edge Computer mit i7-Prozessor hinzu. Damit haben wir ein Grundgerüst geschaffen, mit dem wir die Anforderungen des Marktes abdecken können. Wir werden den Markt weiter beobachten, den Weg gemäß unseres Claims #openandeasy weitergehen und versuchen, die zunehmend komplexe Automatisierung einfacher zu gestalten sowie die Prozesse permanent weiter zu optimieren. Auch im Bereich Analytics entwickeln wir uns weiter. Wir haben vor einiger Zeit außerdem eine Multi-Cloud-Schnittstelle in der Firmware eingeführt, sodass unterschiedlich sensible Daten in verschiedene Cloud-Umgebungen gesendet werden können. Wir betrachten die Edge-Technik nicht als reine Hardware, wir möchten vielmehr Lösungen entwickeln, um den Bedienkomfort zu steigern und den Kunden viele Aufgaben abzunehmen, so wie wir das mit der Wago Cloud praktiziert haben.

Kontakt:
Wago Kontakttechnik GmbH & Co. KG
Hansastraße 27
32423 Minden
Tel: +49571 8870
info.de@wago.com

Die Wago Edge Controller bieten denVorteil, dass sie neben TCP/IP, USB über CAN und serielle Schnittstellen verfügen, so können auch heterogene Steuerungslandschaften angeschlossen werden
Bild: Wago

Jürgen Pfeifer, IoT & Cloud Partnermanager
Bild: Wago

Dr. André Kleine, Produktmanager Controller & HMI
Bild: Wago

Alexander Janzen, Produktmanager Controller & HMI
Bild: Wago

Der Edge Computer mit i7-Prozessor erfüllt die wachsende Nachfrage nach x86-Technologie
Bild: Wago

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