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Blitzschnell im Nanokosmos

Präzise und dynamische Antriebssteuerung für den Europäischen Röntgenlaser
Blitzschnell im Nanokosmos

In der Metropolregion Hamburg entsteht eine Forschungsanlage der Superlative: Der Röntgenlaser European XFEL soll ab 2017 ultrakurze Laserlichtblitze im Röntgenbereich erzeugen – 27.000 Mal in der Sekunde und mit einer milliardenfach höheren Leuchtstärke als bei den besten herkömmlichen Röntgenstrahlungsquellen. Die PC-basierte Steuerungs- und Antriebstechnik von Beckhoff positioniert dabei hochpräzise insgesamt 91 spezielle Magnetanordnungen (Undulatoren) des zugrunde liegenden Elektronenbeschleunigers.

Stefan Ziegler, Marketing Communications, Beckhoff Automation

Der Röntgenlaser European XFEL soll mit seinen laserartigen Röntgenblitzen völlig neue Forschungsfelder erschließen: So lassen sich unter anderem dreidimensionale Aufnahmen aus dem Nanokosmos aufnehmen, atomare Details von Viren und Zellen entschlüsseln sowie selbst extrem schnelle chemische Reaktionen untersuchen. Dabei wird die von der Forschungsorganisation European XFEL, Hamburg, betriebene 3,4 km lange und größtenteils unterirdisch verlaufende Anlage Wissenschaftlerteams aus aller Welt für Experimente zur Verfügung stehen. Zurzeit beteiligen sich elf Länder am Bau der Anlage: Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Russland, Schweden, Schweiz, Slowakei, Spanien und Ungarn.
Eine Besonderheit des European XFEL ist die extrem hohe Wiederholrate von 27.000 Röntgenblitzen pro Sekunde, die durch die supraleitende Beschleunigertechnologie ermöglicht wird. Die Wellenlänge der Blitze ist mit 0,05 bis 6 nm so klein, dass selbst atomare Details erkennbar werden. Und mit einer Zeitdauer von unter 100 Femtosekunden (1 fs = 10-15 s) lässt sich sogar die Bildung von Molekülen oder die Umkehrung von Magnetisierungen filmen. Zudem sind aufgrund der Laserlicht-Eigenschaften auch 3D-Aufnahmen auf atomarer Ebene möglich.
Ausgangspunkt für die Entstehung der Röntgenblitze ist ein 1,7 km langer, supraleitender Elektronen-Linearbeschleuniger. In ihm werden Elektronen in Paketen auf hohe Energien und nahezu Lichtgeschwindigkeit gebracht. Die Beschleunigung erfolgt in besonders geformten Hohlräumen, den sogenannten Resonatoren. Diese sind supraleitend und ermöglichen einen äußerst feinen und gleichmäßigen Elektronenstrahl, wie ihn ein Röntgenlaser erfordert.
Die beschleunigten Elektronen rasen anschließend durch sogenannte Undulatoren, das heißt spezielle Magnetanordnungen, die die Teilchen auf einen engen Slalomkurs zwingen. Dabei senden die Elektronen Röntgenlicht aus, das sich aufgrund der Wechselwirkung des Lichts mit den Elektronen immer mehr verstärkt. Denn da sich das Licht schneller ausbreitet als die Elektronen, überholt das Licht die Teilchen und wirkt dabei auf diese ein. Einige Elektronen werden beschleunigt, andere abgebremst. Als Folge davon ordnen sich die Elektronen in zahlreichen dünnen Scheiben an. Sämtliche Elektronen in einer Scheibe strahlen nun im Gleichtakt, wodurch extrem kurze und intensive Röntgenblitze mit den Eigenschaften von Laserlicht entstehen.
Für dieses Prinzip der selbstverstärkten spontanen Emission (Self-Amplified Spontaneous Emission; SASE) sind mehrere Undulatoren, sogenannte Undulator-Systeme, erforderlich, die hinter dem Beschleuniger fächerförmig angeordnet sind. Beim European XFEL sind bei Betriebsstart zunächst drei Undulator-Systeme vorgesehen – SASE 1 und 2 mit jeweils 35 sowie SASE 3 mit 21 Undulatorzellen. Die Gesamtlänge aller Undulator-Systeme beträgt 555,1 m.
PC-based Motion Control steuert die zahlreichen Undulatoren
Ein Undulator besteht aus zwei Magnetstrukturen, deren Abstand bei konstanter Energie der beschleunigten Elektronen ausschlaggebend für die Wellenlänge des Laserlichts ist. Hieraus ergeben sich äußerst hohe Anforderungen an die Antriebssteuerung, wie Dr. Suren Karabekyan, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei European XFEL, erläutert: „Jede der beiden Magnetstrukturen wird von zwei Servomotoren bewegt. Diese müssen hochsynchron angesteuert werden, um eine Phasenverschiebung zwischen den Elektronen- und Photonenbündeln zu verhindern. Dieses ist wichtig für die Spektrum-Scan-Experimente, bei denen es auf hochdynamische Durchstimmbarkeit der Photonen-Wellenlänge ankommt. Der Folgefehler muss hierbei unter 1 µm liegen. Zudem ist hinsichtlich des Abstands der Magnetstrukturen eine Wiederholgenauigkeit von ±1 µm sicherzustellen. Das gewährleistet eine hohe Reproduzierbarkeit der magnetischen Feldstärke und damit auch der Photonen-Wellenlänge.“
Diese hohen Anforderungen sollten mit einem Standard-Automatisierungssystem aus der Industrie umgesetzt werden, fährt Karabekyan fort. „Nach einer mehrmonatigen Evaluierungsphase hat sich hier die PC-basierte Steuerungs- und Antriebstechnik von Beckhoff als optimal erwiesen.“ Vorteile ergeben sich insbesondere durch die Software Twincat mit integrierten Motion-Control-Funktionen. „Mit Twincat lässt sich eine hochpräzise und dabei sehr dynamische Antriebssteuerung realisieren, mit der Möglichkeit, mehrere Achsen exakt aufeinander zu synchronisieren“, erläutert der Wissenschaftler. „Dabei lassen sich die hohen Synchronitätsanforderungen sogar bei unseren sehr langen Undulator-Systemen mit ihren bis zu 35 Zellen erfüllen. Sehr hohe Anforderungen werden außerdem an die Steuerung der Undulatoren innerhalb eines SASE-Bereichs gestellt. Denn um Experimente zur Messung der Photonenenergie ‚on the flight‘ durchführen zu können, ist eine maximale Synchronisation des Magnetstruktur-Abstands für alle Undulatoren eines Bereichs erforderlich. Bestes Beispiel hierfür ist das ebenfalls über Twincat gesteuerte Projekt ‚Kinetic Rain‘ am Changi Airport in Singapur, bei dem über 1200 Servoachsen synchronisiert werden. In diese Richtung arbeiten wir zurzeit, sehr stark unterstützt durch die Experten von Beckhoff.“
Große Anzahl an Undulatorzellen erhöht Komplexität des Automatisierungssystems
Die Undulator-Systeme SASE 1 bis 3 werden mit je einem 19-Zoll-Einschub-IPC C5210 gesteuert und sind über einen Ethercat-Ring mit Kabelredundanz vernetzt. Aufgrund der Länge des Tunnels von mehreren Kilometern kommen hier Lichtwellenleiter zum Einsatz. Außerdem sind die Undulatorzellen in jedem SASE-Bereich untereinander via Ethernet als Daisy-Chain-System verbunden. In jeder Undulatorzelle kommt ein Schaltschrank-PC C6925 zum Einsatz, der per Twincat NC PTP die beiden Servoverstärker AX5206 für die vier Servomotoren AM3052 ansteuert. Zusätzlich steuert der IPC drei Schrittmotoren – zwei für einen Quadrupol-Mover und einen für einen Phasenschieber (Phase shifter). Der Phasenschieber-Motor läuft synchron zu den Servoantrieben und korrigiert die Phase der Elektronen- und Photonen-Pakete zwischen den einzelnen Undulatorzellen. Die notwendigen I/O-Daten liefern rund 35 Ethercat-Klemmen pro Undulatorzelle, und zwar Digital- und Analog-I/Os sowie Pulse-Train-, Encoder- und Bridge-Klemmen. Insgesamt umfasst die PC-Control-Lösung damit drei 19-Zoll-Einschub-IPCs C5210, 91 Schaltschrank-PCs C6925, 182 Servoverstärker AX5206, 364 Servomotoren AM3052 sowie zirka 3200 Ethercat-Klemmen.
Dies ergibt – so Karabekyan – ein ebenso kompaktes wie leistungsfähiges Steuerungssystem für die 91 Undulatorzellen: „Der lüfterlose Schaltschrank-PC C6925 ist äußerst kompakt gebaut und war bei der Auswahl das kleinste Gerät mit ausreichender Rechenleistung, um alle Steuerungsaufgaben innerhalb einer Undulatorzelle auszuführen. Hierzu zählen die hochpräzise Synchronisation zwischen den Master- und Slave-Achsen zur Steuerung der Magnetstrukturen sowie die exakte Aufsynchronisation des Phasenschiebers auf die Veränderung der Magnetabstände. Weitere Vorteile ergibt die systemintegrierte Sicherheitstechnik über die Twinsafe-Optionskarte AX5801 der Servoverstärker AX5206. Hierüber sind die Safety-Funktionen STO und SS1 realisiert. Mit dieser leistungsfähigen Steuerungs- und Antriebstechnik lassen sich auch so schwere Komponenten wie die Undulator-Magnetstrukturen zusammen mit den hohen Magnetkräften (rund 100.000 N = 10 t) oder der rund 60 kg wiegende Quadrupol-Mover mikrometergenau positionieren.“
Als Fazit fasst Dr. Suren Karabekyan zusammen: „Eine große Bedeutung hat insbesondere die Ethercat-Kommunikation. Sie ermöglicht es uns, auch bei einer solch großen Anlage ein äußerst robustes und zuverlässiges Steuerungssystem mit einer redundanten Ringtopologie aufzubauen. Außerdem handelt es sich um eine insgesamt sehr kosteneffiziente Lösung, was gerade solchen, in der Regel über staatliche Institutionen realisierten Forschungsprojekten, sehr entgegenkommt. Zudem wurden wir durch den Support von Beckhoff optimal unterstützt.“ co

INFO & KONTAKT

Beckhoff Automation GmbH & Co. KG
Verl
Tel. +49 5246 963-0
Details zu den Antriebssystemen:
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