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Smart produzieren heißt smart testen mit softwaredefiniertem Ansatz

Rahman Jamal, National Instruments
Smart produzieren heißt smart testen

Smart produzieren heißt smart testen
Zwischen automatisierten Maschinen und automatisierten Prüfständen gibt es sehr viele Parallelen, betont Rahman Jamal, Business & Technology Fellow bei National Instruments. In beiden Bereichen brauche man clevere Analytik, um sowohl Produkt als auch Prüfstand besser zu überwachen Bild: National Instruments
Industrielle Anlagen produzieren wie Teststände große Mengen an Daten, die sich erst mit cleveren Analyse-Werkzeugen sinnvoll nutzen lassen, sagt Rahman Jamal, Business & Technology Fellow bei National Instruments (NI). Das A und O sei ein softwaredefinierter Ansatz mit einem hohen Grad an Modularität. 16.000 Signalverläufe verlieren ihren Schrecken, wenn sich per Machine Learning das System mit lediglich 2 % dieser 16.000 begnügt, deren Analyse ein Prüfingenieur vorgibt.

Fragen: Michael Corban, Chefredakteur elektro AUTOMATION

elektro AUTOMATION: Herr Jamal, die Smart Factory und damit smarte Produktion sowie das Internet of Things (IoT) treiben derzeit die Entwicklung voran, mitbeeinflusst durch das autonome Fahren im Fahrzeugbau. Sind das getrennte Phänomene oder hängen diese zusammen?

Rahman Jamal (National Instruments): Diese disruptiven Trends treiben nicht nur die Entwicklung voran, sondern stellen unsere existierenden Ökosysteme auch noch auf den Kopf. All diese Trends sind letztendlich Facetten des IoT – zum einen die kommerziellen Produkte wie Fitnesstracker, zum anderen die großen industriellen IoT-Systeme. Smart Mobility – also autonome Fahrzeuge – und Smarte Produktion, was wir in Deutschland gerne als ‚Industrie 4.0‘ bezeichnen, sind solche industriellen IoT-Systeme. Auch wenn sie auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, haben sie sehr wohl viele Gemeinsamkeiten, denn: In allen drei Bereichen wird immer mehr Funktionalität in Software abgebildet, in allen drei Bereichen ändern sich Funktionen sehr schnell und in allen drei Bereichen werden das Design und Testen von Geräten und Systemen immer komplexer.

elektro AUTOMATION: Ist letzteres der Grund, warum Sie auf der VIP 2018 vor allem die Bedeutung des Testens hervorhoben?

Jamal: Zunächst kann man feststellen, dass es zwischen automatisierten Maschinen und automatisierten Prüfständen sehr viele Parallelen gibt. Betrachten wir beispielsweise vernetzte industrielle Anlagen, produzieren diese große Mengen an Daten. Mit cleveren Analytik-Werkzeugen lassen sich Anlagen auf dieser Basis überwachen, Predictive Maintenance durchführen etc. Auf all diese Aspekte stoßen wir auch beim automatisierten Testen. Auch diese Systeme sind immer mehr vernetzt, auch hier fallen große Mengen an Daten an und auch hier braucht man clevere Analytik, um das Produkt – aber auch den Prüfstand selbst – zu überwachen und Predictive Maintenance zu ermöglichen. Einen Unterschied gibt es allerdings: Bei automatisierten Prüfständen dreht sich alles um Testdaten.

elektro AUTOMATION: Beide Bereiche können also von IoT-Technologien profitieren?

Jamal: Ja, wobei die Grundlage für jeden einzelnen automatisierten Prüfstand zunächst ein softwaredefinierter Ansatz mit einem hohen Grad an Modularität ist, das ist das A und O. Manche Testunternehmen vergessen dies gerne und reden mittlerweile nur über die Cloud. Ähnlich beim IoT: Es ermöglicht unter anderem eine verbesserte Verwaltung von Testsystemen, eine höhere Auslastung des Testequipments, bessere Einblicke in Testdaten und den Fernzugriff auf verteilte Testsysteme. Aber auch hier ist eine softwaredefinierte und hochgradig modulare Testplattform die Voraussetzung, damit Unternehmen die Möglichkeiten des IoT nutzen können, die den höchsten Mehrwert versprechen – ohne sich für alles oder nichts entscheiden zu müssen.

elektro AUTOMATION: Eine Ihrer Kernaussagen ist zudem, dass eine IoT-Strategie ohne das Testen unvollständig ist. Gerade die IoT-Technologien machen das Testen allerdings auch komplexer – lohnt es sich in der Summe dennoch?

Jamal: Auf alle Fälle! IoT-Technologien unterstützen den Anwender dabei, Tests zu optimieren. Dazu lohnt es sich, einen Blick auf die Technologien einer kommerziellen IoT-Plattform zu werfen. Mit diesen kann ich

  • IoT-Endpunkte verwalten und für Vernetzung sorgen,
  • Zugriff auf die Daten erhalten und mich um die so genannte ‚Data Ingestion‘ kümmern – sprich Datenquellen priorisieren, unterschiedliche Dateien validieren und sie sinnvoll weiterleiten –,
  • IoT-Daten visualisieren und analysieren sowie
  • IoT-Anwendungen realisieren und verwalten.

Von all diesen Technologien würden moderne automatisierte Testsysteme enorm profitieren, denn sie hätten das Potenzial, den automatisierten Test auf den neuesten Stand zu bringen – und zwar in den Bereichen Systemmanagement, Datenmanagement, Daten-Analytik sowie Applikationsentwicklung und -management.

elektro AUTOMATION: Sie betonten das Thema Data Ingestion – sprich das Priorisieren, Validieren und zielgerichtete Weiterleiten von Daten. Steckt dahinter vor allem die klassische Big-Data-Problematik, aus einem Berg von Daten die richtigen Informationen zu extrahieren?

Jamal: Korrekt. Der geschäftliche Nutzen von IoT ist unbestritten; er steckt vor allem in den riesigen Mengen an Daten, die vernetzte Systeme generieren. Dieser Mehrwert ergibt sich aber erst aus der Umwandlung von Daten in praktisch umsetzbare Erkenntnisse, die zu längeren Betriebszeiten, höherer Effizienz und dem Vorantreiben von Produktinnovationen beitragen. Das Potenzial der Testdaten richtig auszuschöpfen, ist allerdings nicht trivial – man denke an die vielen Datenformate und -quellen, die über unterschiedlichen Schnittstellen wie GPIB, VXI, LXI, PXI oder Datenerfassungskarten kommen. Darüber hinaus sind die Daten oft auch noch in Silos und in unterschiedlichen Standards gespeichert. Folglich sind sie nicht unternehmensweit ‚sichtbar‘ – womit mir wertvolle Einsichten verlorengehen. Abhilfe schaffen hier Softwareadapter, die ankommende Datensätze priorisieren, validieren und sinnvoll weiterleiten – sich also um Data Ingestion kümmern. Und hier sprechen wir nicht nur von Testdaten, sondern auch von solchen, die nicht testbezogen sind – beispielsweise solche aus dem Design- und Fertigungsumfeld.

elektro AUTOMATION: Gesetzt den Fall, ich habe die Testdaten im Griff – wie nähere ich mich dann der Daten-Analytik?

Jamal: Handelsübliche Business-Analytik-Software ist auf komplexe und mehrdimensionale Testdaten nicht ausgelegt. Es fehlen zum Beispiel die gängigen Visualisierungsfunktionen für Tests und Messungen. Denken Sie an Augendiagramme, Smith-Diagramme oder auch ganz einfache Sachen wie die Kombination analoger und digitaler Signale in einem Grafen. Würde man dafür sorgen, dass die Analytik-Software auf Testdaten ausgelegt ist, ergäben sich viele Vorteile: Zum einen ließen sich Testdaten mit Daten aus der Design- und der Fertigungsphase in Korrelation setzen. Auch könnten die unterschiedlichsten Analysen durchgeführt werden – angefangen bei den einfachen Statistiken bis hin zu Algorithmen aus der Künstlichen Intelligenz oder dem Machine Learning. Nicht zuletzt ließen sich gängige Werkzeuge wie Python, R und Matlab in den Arbeitsablauf integrieren. Hinzu kommen muss dann aber auch das Thema Testsoftwaremanagement. Hier geht man ganz klar weg von reinen zentralen Desktop-Anwendungen hin zu webbasierten und mobilen Apps – auch wenn man im Testumfeld nach wie vor eher zu proprietären, organisch gewachsenen zentralen Lösungen tendiert. Dabei wäre eine gut strukturierte modulare Testsoftwarearchitektur mit Testverwaltung, Prüfcode, Mess-IP, Gerätetreibern, Hardwareabstraktionsschichten etc. eine hervorragende Basis dafür, etwa die vielen Vorteile des Cloud-Computings zu nutzen. Nimmt man dann webbasierte Werkzeuge dazu, lassen sich aus der Ferne Testdaten sichten oder der Systemstatus überwachen etc.

elektro AUTOMATION: National Instruments hat dafür sicher eine passende Lösung parat?

Jamal: Definitiv! Wir haben kürzlich SystemLink vorgestellt, eine Anwendungssoftware für die Verwaltung global verteilter Testsysteme – das geht in diese Richtung. Diese Software adressiert genau die Punkte Systemmanagement, Datenmanagement und Testsoftwaremanagement. Mit einer zentralen, webbasierten Oberfläche sorgt sie für die Verwaltung von Geräten, Software und Daten für effizientere Abläufe und mehr Produktivität (Anm. d. Red.: Details siehe Kasten).

elektro AUTOMATION: Trägt denn SystemLink selbst zu mehr Intelligenz bei? Könnte man per Machine Learning das Testen erleichtern oder verbessern?

Jamal: Dass Machine Learning das Testen erleichtern und verbessern wird, davon bin ich überzeugt! Oder um konkret ein Beispiel zu nennen: Bei der Umsetzung eines Forschungsprojekts durch einen NI-Ingenieur lag ihm aufgrund der Komplexität des Prüflings eine Unmenge an Testdaten vor – 16.000 Signalverläufe. Mit einem Prototypen eines WebUIs konnte der Kollege nun seine Testergebnisse schnell visualisieren und mit einer Kennzeichnung versehen – wodurch das Machine-Learning-Modell im Hintergrund trainiert werden konnte, Defekte automatisch zu erkennen. Der Grundgedanke hier ist, dass das Modell durch die Kennzeichnung lediglich einer kleinen Datenmenge so geschult werden kann, dass es den Rest der Daten selbst analysieren kann, ohne dass diese je ein Mensch ansehen muss. Ohne solche Technologien müssten all diese Testergebnisse manuell untersucht werden oder – noch schlimmer – sie würden gar nicht erst analysiert. Dadurch leidet die Produktqualität, das Testen wird teuer oder die Markteinführungszeit verlängert sich. In unserem Beispiel konnte das Modell mit einer Kennzeichnung von lediglich zwei Prozent der 16.000 Signalverläufe auf eine Genauigkeit von 99 Prozent trainiert werden.

www.ni.com

Weitere Infos zur Optimierung von Testabläufen mit dem IoT:

hier.pro/jKmaP


info

SystemLink im Überblick

SystemLink ist eine Anwendungssoftware für die Vernetzung und Verwaltung verteilter Systeme von National Instruments (NI) und Drittanbietern. Diese Middleware bietet eine zentrale Oberfläche für die Automatisierung von Aufgaben wie Softwareverteilung, Remote-Gerätekonfiguration und Systemzustandsüberwachung, auf die von überall aus zugegriffen werden kann. Dies sorgt für effizientere Betriebsabläufe und zugleich niedrigere Wartungskosten. Anwender sind damit in der Lage,

  • Software und Systeme über das Netzwerk zu konfigurieren und zu verteilen,
  • den Zustand und die Leistung von Geräten und Anlagen zu überwachen,
  • Alarme zu verwalten und
  • Anwendungsparameter anzuzeigen.

Zudem lässt sich die Datenübertragung an benutzerdefinierte Dashboards und Remote-Bedienoberflächen automatisieren.

Mit SystemLink können nicht nur Systeme für die Verwaltung und Wartung kleinerer Pilotsysteme oder Systemgruppen relativ einfach implementiert werden. Adressieren lässt sich vor allem die Herausforderung, auf große Systeme zu skalieren und dabei unterschiedliche Lebenszyklusstadien sowie verteilte Testgeräte und Verarbeitungsknoten über Fertigungsstätten und Produktionsanlagen hinweg zu verwalten.


Bild: Konradin Mediengruppe
Bild: Konradin Mediengruppe

info

Video-Tipp

Anlässlich der Messe SPS IPC Drives 2018 sprach die elektro AUTOMATION mit Rahman Jamal, Business & Technology Fellow bei National Instruments, ebenfalls über die Bedeutung des Testens von smarten Maschinen und den Zusammenhang von automatisierten Maschinen und automatisierten Prüfständen.

hier.pro/34jeo


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