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Daten gewinnen und analysieren mit Twincat IoT und Twincat Analytics

„Es lassen sich lückenlos alle Daten zu Analysezwecken speichern und auswerten“
Daten gewinnen und analysieren mit Twincat IoT und Twincat Analytics – eine Voraussetzung für Industrie-4.0-Szenarien

Erste, echte Industrie-4.0-Produkte seien Twincat IoT und Twincat Analytics, so Hans Beckhoff bei deren Vorstellung auf der SPS IPC Drives 2015. Die elektro AUTOMATION sprach bei Beckhoff Automation darüber mit Dr. Josef Papenfort, Pascal Dresselhaus und Sven Goldstein. Ein Fazit: Maschinen- und Anlagenbauer erhalten über die Möglichkeit, Daten aus den Steuerungen komplett zu speichern – auf Wunsch lokal oder in einer Cloud – die Chance, umfangreichere Erkenntnisse über die Maschinen im Einsatz zu gewinnen. Vorausschauende Wartung und Machine Learning sind nur zwei der Schlagworte, die den Nutzen für den Maschinenbau und den Anlagenbetreiber beschreiben.

Interview: Michael Corban, Chefredakteur, elektro AUTOMATION
 
elektro AUTOMATION: Alle Beckhoff-Steuerungen sollten mit der Cloud reden können und man könne, wenn gewünscht, ‚alle‘ Daten verschicken, sagte Hans Beckhoff auf der SPS IPC Drives 2015 und sprach bezüglich Twincat IoT (Internet of Things) und Twincat Analytics von den ersten ‚echten‘ Industrie-4.0-Produkten. Welche Motivation steckt dahinter und welchen Nutzen kann der Anwender daraus ziehen?
Papenfort: Der Grundgedanke, ‚alle‘ Prozessdaten zyklussynchron aufzuzeichnen und speichern zu können, ist prinzipiell verlockend. Liegen die Daten einmal vor, erlaubt das eine online oder auch offline Analyse in bislang unbekanntem Ausmaß – zumal jetzt wirklich auch alle Sensordaten aufgezeichnet werden können. Ziel ist insbesondere die vorausschauende Wartung (Preditive Maintenance) zur Erhöhung der Verfügbarkeit. Es können aber auch die Daten genutzt werden um Maschinen und Prozesse zu optimieren. Viele Kunden lassen schon jetzt Condition Monitoring als Applikation auf der Maschinensteuerung mitlaufen. Natürlich kann man damit die Daten einer Maschine lokal analysieren. Wenn die Daten allerdings in der Cloud – oder besser in einem Netzwerk für viele zugreifbar – gespeichert sind, dann können auch weitere Spezialisten die Daten analysieren und wertvolle Schlüsse ziehen. Hier sind speziell die Hersteller der Maschinen also die Maschinen- und Anlagenbauer als Spezialisten gefragt. Neue Geschäftsmodelle sind hier denkbar bei denen der Hersteller – der seine Maschinen besonders gut kennt – aus der Ferne die vorausschauende Wartung oder die Optimierung einer Maschine als Dienstleistung anbieten kann.
 
elektro AUTOMATION: Hinter Ihrem Angebot stecken ja zwei Aufgabenstellungen – das Sammeln und Transportieren der Daten und die anschließende Analyse. Wenden wir uns zunächst dem Sammeln mit Twincat IoT zu: Wo lassen sich Daten speichern und welche Rolle spielen dabei Clouddienste?
Papenfort: Der Anwender hat die Wahl – er kann Twincat nutzen, um die Daten in der lokalen Netzwerkumgebung, einer lokalen Cloud (Private Cloud) oder in einer ‚wirklichen‘ Cloud (Public Cloud) abzulegen. Speziell mit Blick auf die Cloud-Angebote von Amazon und Microsoft greifen wir dazu auch auf die standardisierten Kommunikationsprotokolle MQTT (Message Queue Telemetry Transport) und AMQP (Advanced Message Queuing Protocol)zurück. Mit diesen beiden Protokollen lässt sich ein großes Spektrum von Cloudanbietern und Clouddiensten abdecken. Mit diesen Protokollen haben wir auch das Thema Security – sehr wichtig für Industrie 4.0 – abdecken können. Authentifizierung und Datensicherheit sind inhärent in den Protokollen berücksichtigt. Wenn wir von ‚allen‘ Beckhoff-Steuerungen sprechen – also der Funktionalität, Daten in die Cloud zu bringen und Analysen zu fahren – ist es wichtig zu wissen, dass wir dies nicht nur für Twincat 3 sondern via TwinCAT IoT Data Agent auch für Twincat 2 anbieten. Der TwinCAT IoT Data Agent kann auch Daten von Nicht-Beckhoff-Steuerungen per OPC-UA-Kanal holen und versenden.
Goldstein: Betont sei, dass wir die Installation und Konfiguration von MQTT- und AMQP-Geräten auch im lokalen Maschinennetzwerk ermöglichen – es muss eben nicht zwangsweise eine Public Cloud zum Einsatz kommen. Oftmals ist diese Entscheidung ja auch davon abhängig, welche IT-Infrastruktur generell beim Kunden zur Verfügung steht und welches Know-how vorhanden ist. Wer sich damit weniger beschäftigen möchte, für den ist ein Public-Cloud-System durchaus attraktiv.
 
elektro AUTOMATION: Beim Speichern ‚aller‘ Daten entstehen ja schnell enorme Datenmengen. Macht es aus Ihrer Sicht Sinn, nur eine Auswahl in die Cloud zu schicken, um die Datenmenge überschaubar zu halten?
Dresselhaus: Das ist immer abhängig von der jeweiligen Applikation und kann angesichts eines besonders großen Datenaufkommens Sinn machen. Auf der anderen Seite kann es aber durchaus reizvoll sein, explizit auf alle Daten zugreifen zu können. Etwa dann, wenn ein bislang unbekanntes Fehlverhalten an der Maschine auftritt und der Analyst über die vollständige Speicherung der Daten exakt nachvollziehen kann, was genau wann passiert ist. Damit lässt sich die heute oft so unbefriedigende Situation beherrschen, dass man erneut auf das Auftreten dieses Fehlers ‚warten‘ muss. Unabhängig davon machen wir uns aber auch Gedanken über Datenkomprimierung und Ringpuffer. Allerdings: Ziel für uns ist es, jetzt den Grundstein für die Zukunft und spätere Analysen zu legen – und dazu ist es sinnvoll, alle Daten erfassen und analysieren zu können. Und das auch über einen längeren Zeitraum, um beispielsweise Verschleißeffekte an Maschinenteilen zuverlässig zu analysieren.
 
elektro AUTOMATION: Nehmen wir an, die Daten sind gespeichert – dann folgt ja die spannende Frage, wie ich die Analyse am besten angehe?
Dresselhaus: Eine entscheidende Voraussetzung für eine Analyse ist die Kenntnis der Mechanik der Maschine – aber genau diese Kenntnisse sind ja bei den Maschinenbauern vorhanden. Sinnvolle Analysen – gerade bei Schwingungen – brauchen detailliertes Wissen über den mechanischen Aufbau. Der Twincat-Analytics-Konfigurator ist ein einfach zu bedienendes Tool mit dem man zunächst die Daten sichten kann. Dazu kann der Bediener bestimmte Zeitbereiche selektieren und erste Basisanalysen (wie Häufigkeiten und Laufzeiten) direkt in diesem Tool vornehmen. Anschließend lassen sich Werte im Twincat 3 Scope View anzeigen, indem man einfach die Daten per Drag’n’Drop vom Konfiguratior in das Scope View ‚herüberzieht‘. Relevante Ereignisse – z.B. das Auftreten eines Maximalwertes – werden dann direkt im Scope View markiert. Das erleichtert es enorm, in dem sprichwörtlichen ‚Heuhaufen‘ an Daten genau die zu finden, die interessieren. Auf diese Weise kann der Bediener beispielsweise die Folgen eines Druckverlustes analysieren und erkennen, welche Auswirkungen das auf den Maschinentakt hatte.
 
elektro AUTOMATION: Die Möglichkeiten der Analyse boten Sie auch schon früher, was jetzt neu ist, ist der Industrie-4.0-Gedanke…
Dresselhaus: …der es mir erlaubt, die Analyse auch losgelöst von der Maschine durchzuführen. Die Analysen können direkt an der Maschine durchgeführt werden, genauso gut aber auch an einem Arbeitsplatz im Büro und hier nicht nur für eine Maschine, sondern für viele Maschinen. Dieses Höchstmaß an Flexibilität wird über die IoT-Kommunikationsprotokolle erreicht, die eben auch die Speicherung der Daten in einer Cloud erlauben – sei sie private oder public.
Papenfort: Der Hauptnutzen für den Anwender – sprich den Maschinen- oder Anlagenhersteller – ist, dass er über die Verfügbarkeit aller Daten die Möglichkeit erhält, im Feld auftretende Probleme analytisch in den Griff zu bekommen. Bezüglich Fehleranalyse und vor allem Optimierung einer Maschine lassen sich damit ganz neue Wege erschließen. Das reicht bis hin zu der Frage, unter welchen konkreten Bedingungen sich ein Produkt sehr gut fertigen lässt und welche eher hinderlich sind. Auch auf Fragen nach Warte- oder Werkzeugwechselzeiten lassen sich auf diese Weise ganz neue Antworten finden.
Goldstein: Hinzu kommt der Vergleich mehrerer Maschinen im Feld – sprich der Vergleich über eine Typenreihe hinweg im Einsatz bei verschiedenen Kunden. Dahinter steckt für den Maschinenbauer ein enormes Potenzial, weil sich sehr viel mehr Erkenntnisse gewinnen lassen, die zu Prozessverbesserungen führen können – beispielsweise bei Werkzeugmaschinen.
 
elektro AUTOMATION: Damit ist die Grundlage für Optimierungsprozesse in Industrie-4.0-Szenarien gelegt. Gibt es dazu bereits Forschungsprojekte?
Papenfort: Ja, über unsere Mitgliedschaft im Spitzencluster it’s OWL – intelligente technische Systeme OstWestfalenLippe – ist Beckhoff Projektleiter in zwei Projekten. Ein Projekt trägt den Titel ‚ScAut – Scientific Automation‘ und das Ziel ist, ingenieurwissenschaftliches Know-how in die Automatisierungstechnik zu übertragen. Im Fokus ist hier speziell die Erfassung von Daten über intelligente Messtechnik und Optimierungsalgorithmen. Nur wenn die Automatisierungstechnik solche intelligenten Verfahren und Technologien ermöglicht, lassen sich ja intelligente Produktionssysteme betreiben – produktiv, verlässlich und energieeffizient im Sinne einer nachhaltigen Produktion.
 
elektro AUTOMATION: Und das zweite Projekt…
Papenfort: …heißt efa – eXtreme Fast Automation. Hauptziel ist hier die Bereitstellung sehr leistungsfähiger PC-basierter Steuerungstechnik zur Automatisierung komplexer Produktionsanlagen. Dazu zählt etwa die Verteilung von Steuerungsaufgaben auf mehrere Rechenkerne wie in unserem Many-Core-Rechner. Hier werden aber auch Entwicklungswerkzeuge und eine Entwurfsmethodik bereitgestellt, die auch Dritte in die Lage versetzt, diese Technologie in eigenen Lösungen zu integrieren. Rechenleistung ist dabei eine Grundvoraussetzung – nur auf diese Weise lassen sich all die komplexe Aufgaben wie Condition Monitoring oder Bildverarbeitung überhaupt realisieren.
 
elektro AUTOMATION: Lassen Sie uns noch einmal einen Blick auf die Analyse-Möglichkeiten werfen. Sie hatten das Zusammenspiel aus Twincat-Analytics-Konfigurator und Twincat 3 Scope View beschrieben. Lassen sich zur Analyse auch Simulationstools integrieren, mit deren Hilfe dann auch die Produktentwickler diese Erkenntnisse besser nutzen können?
Papenfort: Mit dem Twincat-System bieten wir hier ja schon eine gute und dem Maschinenbauer vertraute Engineering-Umgebung. Diese gleiche Umgebung wird auch für Analyse-Aufgaben genutzt. In dieser Umgebung wird sich auch eine MATLAB/Simulink-Runtime betreiben lassen. Algorithmen aus MATLAB/Simulink sind in verschiedenen Toolboxen vorhanden und können z.B. genutzt werden um Muster zu erkennen. Über die nahtlose Integration von PLC Code, C++ Code und MATLAB/Simulink ist der Maschinenbauer völlig frei in der Wahl der Programmiersprache oder der Nutzung von existierenden Lösungen und kann sich auf diese Weise sein spezielles Analysesystem schaffen. Ziel ist eine Engineering-Umgebung, in der wirklich alles enthalten ist. Nur so lässt sich mit Blick auf Industrie 4.0 auch das durchgängige Engineering realisieren.
 
elektro AUTOMATION: Werfen wir noch einen Blick auf die bevorstehende Hannover Messe 2016: Sind Weiterentwicklungen für das Industrie-4.0-Angebot von Beckhoff geplant?
Goldstein: Ein sehr interessanter Punkt ist, dass sich in der OPC Foundation eine Arbeitsgruppe zum Thema Publisher/Subscriber-basierte Kommunikation gebildet hat – also weg von der klassischen Client-Server-Architektur und hin zum Broker-System. Die Idee ist unter anderem, OPC-UA über AMQP zu transferieren – hier wollen wir zur Hannover Messe 2016 eine Demo zeigen. Der Grundgedanke dahinter ist, dass auch die OPC Foundation über das standardisierte OPC-UA-Protokoll die Möglichkeit schaffen will, höher gelegene Schichten – beispielsweise Cloud-Systeme – entsprechend anzubinden.
elektro AUTOMATION: Herr Dr. Papenfort, Herr Dresselhaus und Herr Goldstein – wir danken für das sehr informative Gespräch.

Kontakt

info

Beckhoff Automation GmbH & Co. KG
Verl
Tel. +49 5246 963-0
info@beckhoff.de
www.beckhoff.de
Einen ausführlichen Bericht speziell zu Twincat Scope finden Sie in elektro AUTOMATION 11/2015 auf S. 64 ff.:
http://t1p.de/lsku

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