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„Der Sensor sagt selbst, wie es ihm geht“

Digitale Sensortechnik für Industrie 4.0
„Der Sensor sagt selbst, wie es ihm geht“

Digitale Sensortechnik bietet die Möglichkeit, nicht nur den Lebenszyklus von Sensoren zu managen, sondern letztlich auch die Umsetzung von Industrie-4.0-Konzepten voranzutreiben. Wie Jumo sich hier aufstellt und welche Rolle das neue digiLine-System spielt, erläutern Geschäftsführer Michael Juchheim und Entwicklungsleiter Jens Lang.

Interview:Johannes Gillar, freier Fachjournalist, Leinfelden

elektro AUTOMATION: Herr Juchheim, Herr Lang, moderne digitale Sensortechnik gilt als ein Schrittmacher für Industrie 4.0. Welche Gründe gibt es dafür?
Lang: Industrie 4.0 ist zunächst die Vernetzung von Produktions- und Steuerungsebene. Diese findet nicht nur vertikal – über unterschiedliche Bussysteme –, sondern auch horizontal statt. Das bedeutet, wenn Industrie 4.0 in der Fertigung Einzug hält, erobern Internettechnologien Schritt für Schritt die Produktionsanlagen. Als Folge müssen immer mehr Systeme miteinander kommunizieren und aufeinander abgestimmt werden, um den Traum von der digitalen Fabrik Realität werden zu lassen. Und wenn man mehr vernetzt, überwacht und steuert, kommt man an der digitalen Sensorik nicht vorbei. Es entsteht eine Verbindung zwischen Sensor und Internet, also vom Sensor bis zu den virtuellen Systemen und der dazu momentan entstehenden Dienstleistungssoftware, die mehrere Sensoren und deren Messwerte auswertet und dann entsprechende Aktionen auslöst. Daher ist die digitale Sensortechnik unheimlich wichtig für Industrie 4.0. Ich vergleiche das gern mit dem Menschen. Der Mensch besitzt ganz viele Sensoren und in seinem Gehirn kombiniert er deren Messwerte und zieht entsprechende Schlüsse. Mit Industrie 4.0 ist das ähnlich. Deshalb ist die digitale Sensortechnik ein Treiber für Industrie 4.0 – sozusagen die Basis dafür.
elektro AUTOMATION: Wäre es denkbar, dass irgendwann mal jeder Sensor über eine eigene IP-Adresse verfügt?
Lang: Wenn die Endanwender bereit sind, das Geld für eine Ethernet-Schnittstelle in jedem Sensor auszugeben, dann könnte es dahin kommen. Meine Prognose ist, dass IP-Adressen in der Ebene von Controllern und Remote I/O Einzug halten. Folglich werden System- und Feldbus zu einem industriellen Ethernet verschmelzen. Aber sie werden Busverbindungen oder digitale Verbindungen zu den Sensoren und Aktoren behalten, Beispiel IO-Link. IO-Link ist die letzte digitale Schnittstelle zum Sensor, überbrückt die letzten Meter zum Aktor.
elektro AUTOMATION: Mit dem zunehmenden Einsatz von Sensoren steigt die anfallende Datenmenge. Um übergeordnete Steuerungen nicht zu überlasten, spielt die Vorverarbeitung von Sensordaten eine wichtige Rolle – Stichwort: Nicht nur Daten, sondern Informationen weitergeben. Wie sieht hier Ihre Strategie aus?
Lang: Eine Vorverarbeitung ist zwingend erforderlich, um eine fundierte Aussage über den Sensor zu erhalten. Und da der Sensorhersteller das größte Erfahrungswissen über den Sensor hat, muss es eigentlich so sein, dass die Vorverarbeitung im Sensor selbst stattfindet – der Sensor selbst also seinen Zustand meldet. Es sei denn, es sind zu komplexe Algorithmen, so dass dies nicht mehr zu leisten wäre und man den Vorgang in eine Dienstleistungssoftware auslagern müsste, die die Daten dann interpretiert. Letzteres ist aber nicht erstrebenswert. Ziel ist es, dass der Sensor selbst sagt wie es ihm geht. Nur so lässt sich auch die mit Industrie 4.0 verbundene große Gefahr umgehen.
elektro AUTOMATION: Die da wäre…?
Lang: Wir brauchen moderne Konzepte, die diese riesigen Datenmengen analysieren, bewerten und dann entsprechende Schlüsse daraus ziehen. So lange wir da nichts tun oder nichts entsteht, wird Industrie 4.0 ein reines Datensammelkonzept bleiben. Auf der anderen Seite liegt der mögliche Gewinn in den entstehenden neuen Geschäftsmodellen. Ein Beispiel zeigt dies am besten: Früher haben Firmen Industriegase in Flaschen bezogen. Irgendwann hat ein Mitarbeiter bemerkt, dass die Flasche leer ist und eine neue bestellt. Mit zunehmendem Automatisierungsgrad wurde der Füllstand über Sensoren gemessen und der Arbeiter über diesen via Steuerungs- und Regelungstechnik informiert. Mit Industrie 4.0 ist der nächste Schritt, dass die Gasflaschen intelligente Köpfe beziehungsweise Sensoren bekommen. Und diese sind so intelligent, dass sie über moderne Kommunikationswege dem Versorger den Füllstand melden. Das neue Geschäftsmodell, dass daraus entsteht, ist, dass man nicht mehr zum Versorger fährt und Gas oder Flüssigkeit in einen Behälter füllt, sondern man schließt einen Belieferungsvertrag ab – wie oft der Dienstleister dann in die Fabrik kommt und befüllt, das bleibt ihm überlassen.
Juchheim: Es entstehen ganz neue Geschäftsmodelle. Dadurch, dass man die Daten sammeln kann, besteht zum Beispiel auch die Möglichkeit intelligenter Tourenplanungen – der Versorger muss nicht warten, bis die Flaschen oder die Tanks leer sind. Er kann vielmehr nicht nur bei einem Kunden das Gas auffüllen, sondern auch bei anderen Kunden, die auf dem Weg liegen. Auf diese Weise – und das ist dann das neue Geschäftsmodell – verkaufen Firmen in der Konsequenz keine Produkte mehr, sondern eine Dienstleistung. Und mithilfe intelligenter Sensorik und deren Kommunikationsfähigkeit wird das immer häufiger geschehen. Vorstellbar sind unendlich viele Geschäftsmodelle.
elektro AUTOMATION: Welche Rolle spielt die digitale Sensorreihe ‚Jumo digiLine‘ speziell mit Blick auf Industrie 4.0?
Lang: digiLine ist ein System, bestehend aus smarten Sensoren, Messumformern und einer Sensordatenmanagement-Software. Das heißt, wir haben zum Beispiel einen Sensor, der pH-Werte misst und problemlos zum Kalibrieren aus dem Prozess entnommen werden kann. Es handelt sich also um den abtrennbaren Messumformer, der das Signal aufbereitet, und ‚on top‘ das Gesamtsystem. In diesem digitalen Sensormanagement kann man messen, den Sensor konfigurieren, kalibrieren sowie Sensorinformationen beziehungsweise -details in eine Datenverwaltung ablegen – und damit das komplette Life Cycle Management abbilden. Dieses System gibt es für unterschiedliche Messgrößen und wir werden es sukzessive ausbauen, von pH und Redox-Leitfähigkeit über konduktiv und induktiv bis hin zu Trübung. Das heißt, es wird ein ganzes Portfolio an unterschiedlichen Sensoren geben, das digitale Sensormanagement bildet aber für alle den Life Cycle ab. Damit ist das System prädestiniert für ein sauberes Asset-Management.
Juchheim: Zusammengefasst heißt das, man kann nicht nur die Messgrößen, sondern auch die Sensordetails – die Betonung liegt auf dem kompletten Life Cycle des Sensors – sehr gut rückverfolgen. Und damit sind horizontale und vertikale Integration mit diesem System abbildbar.
elektro AUTOMATION: Letztendlich ist digiLine also ein cyber-physisches Produktionssystem – kurz CPPS?
Lang: Bei einem CPPS handelt es sich nach meiner Meinung um ein Embedded System mit IP-Adresse. Allerdings wird das industrielle Ethernet – wie eingangs erläutert – in den nächsten Jahren nicht bis in die Sensorebene abtauchen. Von daher sehe ich die CPPS erst auf der Controllerebene. Das bedeutet, dass sich die Systemarchitektur ändern wird. Der Systembus zwischen Prozessleitebene und der SPS sowie der Feldbus von der SPS zu den Sensoren werden verschwinden. Es wird ein relativ einfach strukturiertes industrielles Ethernet geben, und alle Geräte, die an diesem hängen, sind für mich CPPS. Dieses Bild wird sich natürlich wandeln. Je mehr Ethernet-Schnittstellen wir im Feld haben, umso tiefer wird es in die Feldebene rutschen. Ich bestreite also nicht, dass der Sensor irgendwann Ethernet hat, aber eben noch nicht.
Juchheim: Der mögliche Nutzen von CPPS auf der Controller-, aber auch auf der Sensorebene – wenn es soweit kommt – sind erhöhte Transparenz und Produktivität oder die horizontale und vertikale Kommunikationsfähigkeit ohne Steuerung. Dazu kommt die Echtzeitfähigkeit, ein Muss! Und diese Echtzeitfähigkeit fordert uns natürlich in Zukunft, schneller zu messen und genauere Sensoren zu bauen.
elektro AUTOMATION: Herr Juchheim, Herr Lang, vielen Dank für diese Informationen.

Kontakt

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Jumo GmbH & Co. KG
Fulda
Tel. +49 661 6003-0
www.jumo.de
SPS IPC Drives: 4A-435, 7A-246
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