Im Werk Babenhausen laufen rund um die Uhr alle 15 s Komponenten für Auto-Cockpits vom Band. Da ist wenig Luft nach oben, um Stillstandszeiten aufzuholen. Deshalb ersetzt Continental derzeit starre Prüf- und Bestückungslinien durch flexible redundante kollaborative Prüflinien: Die Cobots Claus und Clara bestücken die Prüfautomaten, und zwar dort, wo sie benötigt werden. Beschäftigte gehen ihnen, wenn nötig, sozusagen zur Hand. Für die Sicherheit im kollaborativen Miteinander sorgt eine Safety-Lösung von Sick bestehend aus Sicherheits-Laserscannern S300, Sicherheitsschaltern TR4 und Software-programmierbaren Sicherheitssteuerungen Flexi Soft. In der komplett neu aufgebauten Prüflinie gibt es drei Prüfstände, die mit Robotern (Cobots) bestückt werden. Der Cobot nimmt sich ein Teil von einem Band, legt das in den Prüfautomaten ein, nimmt das geprüfte Gerät wieder mit und legt das auf ein nächstes Band.
Sicherheit für die Mensch-Roboter-Kollaboration
„Claus (Clever automatisiertes universelles Roboter-System) und Clara (Clever automatisierte Roboter Applikation) sind halbmobile Leichtbauroboter, die stationär arbeiten, aber mobil einsetzbar sind“, beschreibt Heiko Liebisch, Industrial Engineering, Robotics, Continental Automotive GmbH, die Cobots und ihre Vorteile. „Mit diesem Konzept ist es möglich, den Roboter auszuheben und für eine andere Schicht an einen anderen Platz zu fahren. Somit besteht die Möglichkeit, an zwei Anlagen mit denselben Robotern zu arbeiten.“
„Alles, was zum Thema Sicherheit in dem ganzen System steckt, wird über die Sicherheitssteuerung Flexi Soft gesteuert. D.h., die Steuerung schaut nach, ob der codierte Sicherheitsschalter da ist. Wenn nicht, dann passiert gar nichts. Dann löst sie eine Fehlermeldung aus. Wenn der Schalter verifiziert wird, laden die Sicherheits-Laserscanner (S300 Advanced) die Feldsätze, die passend zu dem Arbeitsplatz hinterlegt sind, und geben dem Cobot überhaupt erst einmal die Freigabe, sein Programm zu laden und starten zu können“, beschreibt Heiko Liebisch die Initialisierung.
Die neu aufgebaute Linie bietet die Möglichkeit, ausgeschleuste Prüfteile wieder als Rückläufer in die laufende Anlage zu bringen. Hierfür geht ein Bediener im laufenden Betrieb zur Prüfanlage bzw. zum Cobot, legt das Prüfteil irgendwohin, wo gerade Platz ist, läuft wieder raus und der Cobot weiß selbstständig, da liegt was, das muss ich noch prüfen und macht ganz normal weiter. Die Sicherheits-Laserscanner, die diagonal angebracht für die Rundum-Überwachung sorgen, zeigen frontseitig per Leuchtmelder in Ampelfarben die Schutzfeldzonen bzw. deren Verletzung an. Damit Bediener dies quasi bereits im Augenwinkel wahrnehmen können, leuchtet der ganze Korpus unter dem Cobotarm entsprechend der Signalampel-Automatik. Im kollaborativen Modus gibt Claus ein gelbes Signal und reduziert die Geschwindigkeit. Im roten Modus bleibt er komplett stehen. Verlässt der Bediener das rote Schutzfeld, läuft das System und somit Claus automatisch wieder an. Der Bediener muss nicht quittieren.
Am Anfang steht immer die Risikobeurteilung
Auch wenn Claus und Clara sich relativ langsam bewegen, generell kann ein Roboterarm einem Bediener lebensbedrohlich nah kommen. „Man muss immer das Gesamtkonzept beurteilen; deswegen haben wir die Greifer, die wir vorne einsetzen, lasergesintert – ohne spitze Kanten, alles verrundet.“ Auch der Kollaborationsraum muss grundlegende Anforderungen erfüllen, z. B. hinsichtlich von Mindestabständen zu angrenzenden begehbaren Bereichen mit Quetsch- oder Einklemmgefahren. Normative Grundlage für die funktionale Sicherheit von MRK-Anwendungen sind zum einen generelle Normen wie die IEC 61508, die IEC 62061 und die ISO 13849-1/-2. Darüber hinaus sind die ISO 10218-1/-2 zur Sicherheit von Industrierobotern und speziell die ISO TS 15066 über Roboter für den Kollaborationsbetrieb zu berücksichtigen. Das Team um Heiko Liebisch hat sich bzgl. der Auslegung, Richtlinien, gesetzlichen Vorgaben und Normen für Kollaborative Robotik von Sick beraten und schulen lassen.
Funktionale Sicherheit bei der MRK
Arbeiten Mensch und Maschine jetzt noch enger und dennoch sicher zusammen, ist die funktionale Sicherheit in modernen Fertigungssystemen ein Schritt auf dem Weg zu mehr Flexibilität. Hierzu sind nicht nur ein umfassendes Verständnis der Roboteranwendungen, sondern auch Fachwissen bei der Risikobewertung und das entsprechende Portfolio an Sicherheitslösungen notwendig. Bei bestimmten Anwendungen müssen der Mensch und der bewegte Roboter eng miteinander interagieren. In diesen sogenannten kollaborativen Szenarien stellen Kraft, Geschwindigkeit, Bewegungsbahnen des Roboters und das Werkstück Gefahren für den Werker dar. Diese müssen entweder durch inhärente Schutzmaßnahmen oder zusätzliche Maßnahmen zur Risikominderung beschränkt werden.
Ein Beispiel, wie die Vernetzbarkeit mehrerer Sicherheits-Laserscanner die Lösung der Applikation erleichtert, ist die lückenlose 360°-Rundum-Absicherung von Robotern oder AGVs und AGCs mit S300 Mini, S300, S3000 oder dem microScan3 Core im Verbund mit der Sicherheitssteuerung Flexi Soft. Die herstellerspezifische EFI-Schnittstelle (Enhanced Function Interface) erlaubt eine direkte sicherheitsgerichtete Kommunikation der Geräte untereinander. Die Nutzung dieser Schnittstelle minimiert den sonst erforderlichen, hohen Verkabelungsaufwand für den Anwender – und damit gleichzeitig auch das Risiko von Verdrahtungsfehlern insbesondere in der Inbetriebnahmephase. Durch die zentrale Integration der Flexi Soft im Fahrzeug oder Roboterkorbus ist neben der einfachen Konfiguration auch eine verbesserte Diagnose des Laserscanner-Gesamtsystems von einer Stelle aus möglich. Heiko Liebisch und Dejan Pfaff haben die 4.0-Prüflinie der Continental Automotive geplant und die Cobots konstruiert. Weitere werden folgen. ge
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