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Leitfaden zur informationstechnischen Modellierung von Schnittstellen mittels OPC UA

Informationsmodelle
Leitfaden zur informationstechnischen Modellierung von Schnittstellen mittels OPC UA

Alle Welt spricht von Informationsmodellen und der Notwendigkeit, diese im Unternehmen einzuführen. Der Weg dorthin ist jedoch nicht ganz einfach. Allein die Auswahl, welche Information denn nun wichtig ist, wie man die dafür notwendigen Daten erhält und wie diese strukturiert werden, erfordert Denkarbeit. Bei der Marke Volkswagen hat man hierfür nun einen Leitfaden entwickelt.

 

Anna Kernspecht, Digitales Produktionsmanagement (PPD-D/A), Fertigungsautomation & digitale Produktion, Marke Volkswagen, Wolfsburg

Inhaltsverzeichnis

1. Strategische Ausrichtung auf OPC UA
2. Standardisierung erleichtert die Arbeit
3. Informationsmodelle erfordern Struktur
4. Von der Theorie in die Praxis
5. Was wird in der Praxis genutzt?
6. Standardisierte Schnittstellen bilden die Basis

Viele der derzeit entwickelten Industrie-4.0-Use-Cases basieren darauf, Daten aus dem Shopfloor in IT-Systeme bzw. in die Cloud zu übertragen, um sie dort auszuwerten. Im einfachsten Fall sind dies Geräteinformationen, wie die Seriennummer oder Firmware-Version eines Devices. Komplexer wird es, wenn etwa Netzwerk-, Gerätediagnose- oder Prozessdaten ermittelt werden sollen, um daraus Wartungs- und Diagnosepläne zu erstellen oder Verfügbarkeitsaussagen abzuleiten. Für diese Fälle bewährt sich die folgende Arbeitsteilung:

  • OPC UA holt die vielen – scheinbar nebensächlichen – Informationen aus den Anlagen heraus.
  • Profinet sorgt für den schnellen und sicheren Weitertransport der E/A-Daten, um die Anlage zu steuern. Dies gelingt dank guter Strukturierung und hoher Standardisierung der Daten.

Strategische Ausrichtung auf OPC UA

Auch bei Volkswagen setzt man seit 2004 auf den Protokollstandard Profinet mit integrierter Personensicherheit, um Automatisierungskomponenten einfach und einheitlich anzubinden. So werden alle Daten von Maschinen und Prozessgeräten über Profinet an den übergeordneten Kommunikationspartner gesendet und anschließend von der Steuerung einem übergelagerten System bereitgestellt. Da über diese Schnittstelle nur eine begrenzte Anzahl an Informationen übertragen werden kann, untergelagerte Devices jedoch deutlich mehr Daten zur Verfügung stellen, sollen diese Zusatzdaten über OPC UA an übergeordneten Devices vorbei direkt an ein übergelagertes System gesendet werden. Dabei wurden mehrere Lösungen mit der Profibus Nutzerorganisation diskutiert. Die Integration solcher Informationen in Profinet würde zu einer Überlastung im E/A-Bereich führen und an der Rechenleistung der SPS scheitern. Auch die Übertragung der Informationen mittels MQTT war in dieser Anwendung kein gangbarer Weg, da hierfür keine standardisierten, herstellerübergreifenden Informationsmodelle vorliegen.

Für die vorbeugende Wartung (Predictive Maintenance), Zustandsüberwachung (Condition Monitoring) und die Datenerfassung (Data Mining) sollen daher nun die zukünftigen zusätzlichen Prozessgeräte-Schnittstellen strategisch auf OPC UA ausgerichtet werden. OPC UA soll Profinet dabei nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Profinet bleibt weiterhin zum Steuern der Anlagen bestehen. Gerade die Kombination mit Profinet bietet hier einige Vorteile: Die seit Jahren bewährten und in allen Geräten vorhandene Beschreibung der Daten durch Profinet kann sofort übernommen werden. Außerdem bietet Profinet schon immer einen parallelen Kommunikationskanal für andere Dienste auf der gleichen Leitung, z.B. OPC UA.

Allerdings gibt es kaum konkrete Informationen darüber, wie man beim Umsetzen einer bestehenden Schnittstelle auf OPC UA vorgeht. Daher wurde in Zusammenarbeit mit Siemens eine Studie gestartet, in der anhand einer konkreten bereits bestehenden Schnittstelle in Bezug auf Machbarkeit und Aufwand geprüft wurde, ob es möglich ist, die Schnittstelle auf OPC UA umzusetzen. Für diese erste Machbarkeitsstudie wurde eine Schnittstelle auf dem VASS-Standard ausgewählt und in der Theorie auf OPC UA modelliert. Der VASS-Standard ist der Automatisierungsbaukasten im Volkswagen-Konzern, der Vorgaben bezüglich Hardware, Software, Roboter und funktionaler Sicherheit in den Gewerken Karosseriebau, Montage und Fördertechnik liefert.

Standardisierung erleichtert die Arbeit

Über OPC-UA-Schnittstellen erhält der Anwender nicht nur die Werte der Variablen, sondern auch die Beschreibung ihrer Strukturen und Attribute. Dies spart bei der Einbindung neuer Komponenten viel Zeit. Durch eine Standardisierung ist es wesentlich einfacher, die Informationen herstellerübergreifend einzusammeln. Hier hilft die OPC UA Companion Specification für Profinet, die ein standardisiertes OPC-UA-Objektmodel für Geräte beschreibt. Somit können Profinet-Geräte von unterschiedlichen Herstellern einheitlich Gerätedaten z. B. an Asset-Management-Systeme übergeben.

Dabei spielt es bei der Implementierung keine Rolle, ob der OPC-UA-Server sich direkt auf dem Gerät befindet oder ob ein überlagertes Edge-Gateway oder eine Steuerung die Daten für mehrere Profinet-Geräte aggregiert. Der Anwender verfügt in jedem Fall über eine homogene Abbildung der Information. Dabei kommt Profinet die grundlegende Eigenschaft zu Gute, dass neben dem eigentlichen Echtzeitverkehr auch parallel weitere TCP/IP-Kanäle betrieben werden können. Durch die Offenheit von Profinet können damit auch Sensoren oder Geräte mit OPC-UA-Interface hinzugefügt werden, die ihre Werte direkt an entsprechende Cloud-Dienste oder Edge-Gateways schicken, ohne die Automatisierungslösung mühsam umbauen zu müssen.

Informationsmodelle erfordern Struktur

Durch das Erstellen von Informationsmodellen können über OPC UA nicht nur die Daten selbst übertragen werden, sondern auch die zugehörige Semantik. Jedes Informationsmodell setzt sich zusammen aus Knoten mit ihren Eigenschaften und Referenzen, die sie miteinander verbinden und wird in der Regel als Baumstruktur dargestellt.

Doch wie geht man bei der Modellierung einer bereits bestehenden Datenschnittstelle, die entweder herstellerübergreifend oder lokal nur für eine definierte Applikation vorhanden ist, auf OPC UA vor? Im ersten Schritt empfiehlt es sich, alle über die Schnittstelle übertragenen Informationen zu sammeln und anschließend sinnvoll zu gruppieren. Handelt es sich um eine bereits vorhandene Schnittstelle, sollte die Gruppierung zunächst unabhängig von vorherigen Strukturen erfolgen. Dabei geht es erst einmal um die optimale Modellierung der Daten, unabhängig von eventuellen Rahmenbedingungen. Die Gruppierung ist grundsätzlich beliebig, allerdings sollten zwei Grundregeln beachtet werden: Informationen, die immer gemeinsam übertragen werden, sollten zusammengefasst werden. Dazu gehören Werte mit ihrer Beschreibung und Einheit. Und es hat sich als praktisch erwiesen, Informationen mit ähnlichem Inhalt unter Oberbegriffen zusammenzufassen. Beispiele sind Stückzahlen, Ereignisse oder Geräteinformationen.

Von der Theorie in die Praxis

Diese neu strukturierten Daten müssen im Adressraum des Servers in Objekte und Variablen verpackt und durch geeignete Referenzen verbunden werden. Außerdem müssen den Objekten und Variablen entsprechende Typen zugeordnet werden. Objekt- und Typmodell werden zunächst grafisch nach den Modellierungs- und Darstellungsrichtlinien der OPC-UA-Spezifikation der OPC Foundation erstellt. Zusätzlich müssen alle Variablen inklusive der anliegenden Referenz, der NodeClass, dem BrowseName, dem DataType, der TypeDefinition und der Modelling-Rule dokumentiert werden. OPC UA bietet hier ein umfangreiches und bewährtes Toolset zur Modellierung der Daten. Darüber hinaus gelten folgende Regeln bei der Informationsmodellierung:

  • Jedes Objekt hat einen ObjectType
  • Jede Variable hat einen VariableType und einen DataType
  • Es gibt vordefinierte ObjectTypes und Variable-
    Types, es können aber auch eigene erstellt werden
  • Es gibt einen Satz vordefinierter BaseDataTypes, der nicht verändert oder ergänzt werden darf
  • Zusätzlich zu den BaseDataTypes gibt es Enumerationen und Structures, die erstellt und genutzt werden können

Diese Denkarbeit macht den größten Anteil der Arbeit aus. Nach der Erstellung des Informationsmodell muss dieses in ein geeignetes Modellierungs-Tool übertragen werden. Dazu eignet sich z.B. SiOME (Siemens). Wurde das gesamte Informationsmodell ins Modellierungs-Tool übertragen, müssen die Variablen aus dem zugehörigen Anwenderprogramm (beispielsweise aus dem TIA-Portal) auf die des Modells gemappt werden. Hierbei sind für ein validiertes Mapping ggf. Anpassungen von Datentypen oder einzelnen Strukturen im Anwenderprogramm notwendig.

Was wird in der Praxis genutzt?

Eine Herausforderung bleibt – das optimale Modell auf dem Papier muss mit der Realität abgeglichen werden. Je nach Schnittstelle muss daher entschieden werden, ob die für die geplante Modellierung notwendigen Anpassungen umsetzbar sind oder ob Kompromisse eingegangen werden müssen. Werden einige Strukturen ohne Änderungen auf OPC UA gemappt, wird dadurch die zuvor geplante Modellierung verworfen. In diesem Fall gehen vermutlich Vorteile von OPC UA verloren. In diesem Schritt entscheidet sich, welche Features tatsächlich genutzt werden können. In der Praxis muss daher immer zwischen Aufwand und Nutzen abgewogen werden, wobei unterschieden werden sollte, ob es sich um eine Greenfield- oder Brownfield-Anlage handelt.

Ist die Informationsmodellierung abgeschlossen, fällt die Entscheidung, mit welchem Mechanismus der Kommunikation die einzelnen Informationen übertragen werden sollen. OPC UA bietet grundlegend zwei Arten der Kommunikation an: Client-Server und Publisher-Subscriber (PubSub). Dabei muss sich im Rahmen einer einzelnen Schnittstelle nicht auf einen dieser Mechanismen festgelegt werden. Es ist möglich, je nach Information die passende Kommunikation zu wählen und somit für eine Schnittstelle sowohl Client-Server als auch PubSub zu nutzen. Bei den Informationen, die über die PubSub-Kommunikation übertragen werden, müssen nachträglich Ergänzungen in der Informationsmodellierung vorgenommen werden.

Sind sowohl die Informationsmodellierung als auch das Mapping vollständig abgeschlossen, wird das fertige Modell in den Server integriert, der dann die Informationen zur Verfügung stellt.

Standardisierte Schnittstellen bilden die Basis

Interoperabilität spielt in modernen Anlagen eine immer größere Rolle und ist Kernvoraussetzung für Industrie-4.0-Anwendungen. Ohne standardisierte Schnittstellen sind solche Anwendungen jedoch nicht denkbar, obwohl der Weg dahin zunächst mit Denkarbeit und Mehraufwand für die Aufbereitung von vorhandenen Schnittstellen auf OPC UA verbunden ist. Spätestens bei der Vervielfältigung spielen standardisierte Schnittstellen jedoch ihre Vorteile aus. Bedenkt man, dass in den Fertigungsanlagen der Automobilproduktion eine Vielzahl von SPSen zum Einsatz kommt, rechnet sich dieser Aufwand bereits ab der ersten Anlage.

www.profibus.com

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