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Audi setzt auf Profinet und OPC UA für Predictive Maintenance

Predictive Maintenance erfordert relevante Daten
Audi setzt auf Profinet und OPC UA

Ungeplante Stillstände verzögern jede Produktion. Predictive Maintenance könnte hier Abhilfe schaffen, doch in der Praxis scheitern viele Betriebe noch. Die Herausforderung liegt meist darin, zunächst an die relevanten Daten heranzukommen und diese so aufzubereiten, dass sie auch verwendet werden können. Die Kombination aus Profinet und OPC UA bietet genau diese Möglichkeiten, wie ein Beispiel aus der Praxis bei Audi zeigt.

 

Autor: Xaver Schmidt, Project Group Industrie 4.0, Profibus Nutzerorganisation e.V. (PNO), Karlsruhe

Inhaltsverzeichnis

1. Datenerhebung als Herausforderung
2. Daten leicht interpretierbar machen
3. Umsetzung in den praktischen Betrieb
4. Profinet und OPC UA unterstützen Durchgriff nach ganz unten
5. Praktische Umsetzung bei der Inline-Messung
6. Ausblick

Predictive Maintenance ist in aller Munde. Wenn es jedoch an die Umsetzung in die Praxis geht, scheitern viele Anwender häufig, weil nicht die richtigen Daten zur Verfügung stehen. Eine Situation, vor der auch Mathias Mayer stand, zuständig für die Planung der Automatisierungstechnik bei der Audi AG in Neckarsulm: „90 Prozent der Daten im Karosseriebau werden nicht genutzt oder man kommt nicht dran“, so seine Erfahrung. Die Konsequenz daraus ist, dass meist ein zusätzlicher Sensor gefordert wird. Kein Weg, den Mayer einschlagen wollte – im Gegenteil: „Lasst uns erst einmal die ungenutzten Daten aufbereiten. Wenn dann wirklich noch ein zusätzlicher Sensor nötig ist, kann man gern über den Sensor diskutieren.“ Die bessere Nutzung der vorhandenen Daten ist für ihn die wichtigste Voraussetzung, um weniger Stillstandzeiten zu haben und effektiver zu arbeiten. Dies wird umso entscheidender, da in naher Zukunft die Komplexität der Produktionsprozesse und der Automatisierungsgrad weiter steigen.

Datenerhebung als Herausforderung

Dass in der Praxis die Datenerhebung schwierig ist, zeigt ein Blick in den Karosseriebau von Audi am Standort Neckarsulm. Dort werden die Modelle A4, A6, A7, A8, R8 und das A5-Cabrio gebaut – rund 2500 Industrieroboter sind hier im Einsatz. Jede einzelne Anlage wird über eine SPS gesteuert. „Wir sehen die SPS immer als Puppenspieler, der bis zu zehn Roboter tanzen lässt“, beschreibt Mayer die Situation in seinem Bereich. „Die eigentliche Wertschöpfung findet am Roboter statt, deshalb ist der Zugriff auf die Daten des Roboters so immens wichtig.“

Neben der großen Anzahl der Anlagen erschweren auch die verschiedenen Fertigungsverfahren den Datenzugriff und die Auswertung. Ein Beispiel: Eine Gewichtsreduzierung bei höchster Robustheit lässt sich nur über die Kombination von unterschiedlichen Materialen erreichen. Das erfordert den Einsatz von verschiedenen Verbindungstechniken. Allein am neuen A8 wird eine Vielzahl an Fügetechniken verwendet. Das reicht von verschiedenen Schweißverfahren über Klebungen bis hin zum Nieten – im Ganzen sind es 15 Verfahren, die organisiert werden müssen. Kommt es hier zu einem Stocken in der Produktion, sind Experten für jedes einzelne dieser Verfahren gefragt. Und dies ist angesichts eines Dreischicht-Betriebs extrem aufwändig, da man viele Mitarbeiter schulen und qualifizieren müsste.

Daten leicht interpretierbar machen

Von bewährten Prozessen abzuweichen, kommt für Mayer jedoch nicht in Frage: „Unser Qualifizierungsprozess ist sicher sehr aufwändig, aber unsere Kunden erwarten auch höchste Qualität.“ Eine reine Betrachtung durch unterschiedliche Mitarbeiter kann aber verschiedene Ergebnisse haben – im Gegensatz zu den gelieferten Daten, die immer gleich sind. „Genau diese Daten müssen wir nutzen, um die Produktion und den Prozess zu optimieren“, ist Mayer überzeugt. Dafür müssen die Prozesse datentechnisch so aufgearbeitet werden, dass auch ein „Nichtexperte“ beispielswese einen Reibschweißprozess wieder ans Laufen bringt.

Ungeplante Anlagenausfälle von Produktionsanlagen sollen so reduziert und die Verfügbarkeit sowie die Prozesseffizienz und -qualität gesteigert werden, etwa durch die Live-Überwachung der Anlagen und die automatisierte Anpassung von Prozessparametern. Dabei soll die bisherige Prozessüberwachung und -optimierung auf Basis von Expertenwissen beibehalten werden. Schlussendlich werden so Instandhaltungskosten reduziert und Prüfaufwände minimiert.

Umsetzung in den praktischen Betrieb

Die zukünftige Prozesskette im Karosseriebau sieht so aus, dass die entsprechenden Daten von den Geräten direkt – also ohne zusätzliche Gateways; schließlich haben die Roboter genug Kapazitäten – erfasst, integriert und visualisiert werden. Am Ende steht ein Mitarbeiter, der den Prozess versteht und gegebenenfalls eingreifen kann. Diese Arbeitsteilung ist nach Auffassung von Mayer der Schlüssel zum Erfolg. Erst auf dieser Basis lassen sich Data-Mining und Machine Learning erfolgreich umsetzen.

In der Audi-Architektur wird OPC UA und MQTT als Transportmittel für die Daten genutzt. Diese werden zu einem Edge-Layer geleitet, über dem eine Big-Data-Plattform sitzt. Darauf können Applikationen wie Diagnostic Analytics für das Condition Monitoring oder Predictive Analytics für Condition Based Maintenance aufgesetzt werden.

Profinet und OPC UA unterstützen Durchgriff nach ganz unten

Der beschriebene Weg wird auch in der Profinet OPC UA Companion Spezifikation vorgegeben. Zu deren wesentlichen Inhalten gehören die Erfassung und Darstellung von Assetmanagement- und Diagnosedaten. Hierfür werden über bestehende Profinet-Dienste Asset- und Diagnosedaten von heute eingesetzten Geräten in einer Anlagensteuerung eingesammelt und über OPC UA an überlagerte Instanzen geliefert. Durch die Offenheit von Profinet können beispielsweise Sensoren mit OPC-UA-Interface hinzugefügt werden, die ihre Werte direkt an entsprechende Cloud-Dienste oder Edge-Gateways schicken, ohne die Automatisierungslösung mühsam umbauen zu müssen. Damit lassen sich innovative Diagnosemethoden auch in bestehenden Anlagen umsetzen.

Diese Situation kennt man auch im Karosseriebau. „Für uns ist ein Roboter einfach ein unterlagertes Device der SPS und wir möchten den Durchgriff auf die Daten ganz nach unten, aber wir wollen kein separates Netzwerk legen“, so Mayer, der die pragmatische Erklärung gleich hinterher liefert. „Wenn man an über 2000 Robotern ein Extra-Kabel legen muss, funktioniert das einfach nicht. Außerdem haben wir nicht nur einen Hersteller beim Roboter, sondern greifen – je nach Anwendung – auf unterschiedliche Hersteller zurück.“

Noch ist allerdings die Umsetzung von OPC UA nicht bei allen Herstellern angekommen. Gerade bei den wichtigsten Technologien im Karosseriebau wie dem Punktschweißen, Bolzenschweißen, Kleben oder Nieten gibt es noch Lücken. Dagegen sind die Roboter-Hersteller schon einen guten Schritt weiter, ebenso die RFID-Anbieter. Den Grund für die noch zögerliche Einführung sieht Mayer auch darin, dass Audi dies bislang nicht eingefordert hat. In den nächsten Ausschreibungen wird dies jedoch nachgeholt.

Praktische Umsetzung bei der Inline-Messung

In den Anwendungen, in denen die Kombination aus Profinet und OPC UA bereits eingeführt wurde, kamen die Vorteile schnell zum Tragen. Ein gutes Beispiel am Audi-Standort Neckarsulm ist das Inline-Messsystem bei der Zuführung von Nieten über einen hochflexiblen Schlauch von der Einfüllung bis zum Nietwerkzeug am Roboterarm. Die Herausforderung liegt hier in der Geschwindigkeit des Nietenschießens, die mit 20 m/s relativ hoch ist. Irgendwann zwischen der 500.000sten und millionsten Niete muss der Schlauch getauscht werden. Nun soll der Schlauch aber nicht mehr während der Produktion, sondern zu einem günstigeren Zeitpunkt ersetzt werden, da bei jedem Wechsel der Prozess für 20 – 30 min angehalten werden muss. Daraufhin erstellte das Team eine Zeitreihenanalyse zur Detektion des Verschleißes im Nietzuführschlauch. Die Umsetzung war relativ einfach – es strömt mehr Luft durch den Schlauch, sobald kleinste poröse Stellen entstehen. Diese Ergebnisse werden erfasst, über OPC UA parallel zu Profinet weitergeleitet und visualisiert. Auch ohne ein zusätzliches Kabel hat nun jeder Mitarbeiter die Möglichkeit, sich über Ereignisse, die auf der untersten Ebene stattfinden, zu informieren und schneller zu handeln.

Ausblick

Für die Zukunft wünscht sich Mathias Mayer, dass Spezifikationen schneller von den Geräteherstellern umgesetzt werden. Dabei mahnt er gleichzeitig an, dass man auch als Anwender nicht zu lange warten sollte: „Man muss sich frühzeitig mit diesen Themen beschäftigen, wenn man einen Benefit in der Produktion erreichen möchte. Industrie 4.0 ist aus meiner Sicht schon längst in der Praxis angekommen – wir müssen es nur noch umsetzen.“ co

Die Möglichkeiten der Kombination Profinet plus OPC UA im Video

Profibus Nutzerorganisation e.V. (PNO)
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76131 Karlsruhe
Tel.: +49 721 9658-590
Fax: +49 721 9658-589
www.profibus.com

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