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Viele Schnittstellen zur offenen Plattform

Ein grafisches Programmiersystem als ganzheitlicher Ansatz
Viele Schnittstellen zur offenen Plattform

Im Zusammenhang mit den derzeit vieldiskutierten Themen Digitalisierung, Industrie 4.0 und IoT stellt sich auch in Bereichen wie der Mess-, Regel- und Automatisierungstechnik und damit für Labview die Frage, wie damit umgegangen wird. Im Gespräch mit der elektro AUTOMATION gibt Lorenz Casper, Regional Product Engineer Labview bei National Instruments dazu und zu weiteren Themen Antworten.

Interview: Irene Knap und Michael Corban, Redaktion elektro AUTOMATION

elektro AUTOMATION: Welche Rolle spielt Labview im Zusammenhang mit immer intelligenterer Sensorik und Messtechnik?
Casper: Labview bietet hier einen ganzheitlichen Ansatz. Das bedeutet, dass Anwender, ob sie nun Smart Machines, Smarte Systeme oder Testsysteme entwickeln, immer verschiedene Komponenten zu einem System vereinen. Beispielsweise das eigentliche Messgerät, die Verarbeitungseinheit, und eventuell werden die Daten noch an eine höhere Instanz weitergegeben. Die Frage, die sich ihnen dann stellt, ist, welche Entwicklungswerkzeuge sie softwareseitig zur Programmierung nutzen sollen. Und genau hier bietet Labview einen Ansatz für alle Komponenten, vom Messgerät über die intelligente Steuerung bis hin zu möglichen Serverapplikationen.
elektro AUTOMATION: Die Software stellt also eine zentrale Entwicklungsinstanz dar?
Casper: Definitiv. Der Anwender muss somit nicht verschiedene Programmiersprachen einsetzen oder unterschiedliche Entwicklungsumgebungen nutzen – ihm steht stattdessen ein zentrales, ganzheitliches Entwicklungswerkzeug zur Verfügung. Dies entspricht auch unserem Plattform-Gedanken.
elektro AUTOMATION: Eine grafische Programmierung ist dabei zumeist schneller erfassbar als eine textbasierte – stellt das grafische Systemdesign dementsprechend ein entscheidendes Element von Labview dar?
Casper: Labview ist unsere eigentliche Entwicklungsumgebung, mit der Anwender Applikationen grafisch erstellen können. Bei der Entwicklung ging es zunächst darum, dass mehrere Messgeräte automatisiert werden können – damals noch über den GPIB-Bus – und dass die Programmierung nicht mehr nur Computerwissenschaftlern vorbehalten sein sollte. Auch Ingenieure, also die üblichen Anwender, sollten die Algorithmen und Diagramme schreiben können. Die Idee, die Jeff Kodosky (A.d.R.: Erfinder von Labview) dafür hatte, war es, die Programmierung grafisch darzustellen. Dafür hat er sich von Signalflussplänen, Zustandsdiagrammen und ähnlichen Darstellungen inspirieren lassen.
elektro AUTOMATION: Können Sie kurz beschreiben wie Labview funktioniert?
Casper: Letztendlich werden primitive Knoten, im einfachsten Fall eine Summation, mit anderen Komponenten – mit Eingängen und Ausgängen – verbunden und dann ausgeführt. Das Ganze wird dann natürlich immer komplexer, wenn solche Blöcke wieder zu Gruppen, zu sogenannten subVI’s (Unterprogrammen), zusammengeführt werden. Ein anschauliches Beispiel bildet die Parallelität. Labview ist in diesem Bereich besonders anwenderfreundlich, denn in der klassischen textuellen Programmierung besteht immer zuerst die Problematik, wie parallele Prozesse sinnvoll in einer textuellen Struktur abgebildet werden können. In unserer Software bekommen Anwender dagegen parallele Einheiten, also einfach parallele Schleifen, auf dem Monitor angezeigt, die ausgeführt werden können. Im Hintergrund kümmert sich dann der Compiler darum, wie diese grafisch programmierten Algorithmen so umgesetzt werden, dass der Prozessor sie verarbeiten kann. Dementsprechend müssen sich Anwender nicht mehr um die komplexen computerinternen Abläufe kümmern, sondern können sich auf ihre eigentliche Aufgabe, die Anwendungsentwicklung, konzentrieren.
elektro AUTOMATION: Da Sie gerade den Prozessor ansprechen – mittlerweile bieten immer mehr Steuerungstechnik-Anbieter einen Mehrkernsupport an; also dass einem bestimmten Kern eine bestimmte Aufgabe zugewiesen werden kann. Bietet auch Labview diese Möglichkeiten?
Casper: Ja natürlich, da das System eben von Natur aus parallel strukturiert ist. Das heißt, wenn zwei unabhängige Schleifen vorhanden sind, werden diese bereits automatisch auf unterschiedlichen Kernen ausgeführt. Das kann auch jeder Anwender sehr anschaulich selbst ausprobieren: Wenn er beispielsweise weiß, dass er über einen Vierkernprozessor verfügt, kann er vier parallele Schleifen erstellen, kein Timing einbauen, diese ausführen und sofort ist die Rechnerauslastung bei 100 %. Und auch eine dezidierte Zuordnung der einzelnen Schleifen auf bestimmte Kerne ist möglich.
elektro AUTOMATION: Ist Labview quasi fertig entwickelt oder gibt es seitens National Instruments noch Ansätze für Verbesserungen?
Casper: Ich glaube, eine Entwicklungsumgebung ist nie fertig. In diesem Zusammenhang ist uns das Feedback von unseren Anwendern sehr wichtig. Deshalb wurde vor Jahren auch das Idea-Exchange-Forum ins Leben gerufen. Hier können Anwender Vorschläge zur Verbesserung von Labview machen und die Ideen über sogenannte Kudos – ähnlich dem Daumen-hoch-Symbol bei Facebook – gegenseitig bewerten. Je mehr Kudos ein Vorschlag dann hat, desto eher wird er auch umgesetzt. Auf diese Art und Weise sind schon viele Innovationen in Labview eingeflossen.
elektro AUTOMATION: Können Sie ein Beispiel für umgesetzte Ideen nennen?
Casper: Da wäre etwa die Schnelleinfügeliste (Quick Drop) zu erwähnen. Hier können Anwender, wenn sie den Namen einer gewünschten Funktion kennen, durch eine Tastenkombination ein kleines Suchfenster aufrufen, den Namen eingeben und ihnen wird direkt die passende Labview-Funktion angezeigt. Zudem haben sie über ein weiteres Tastenkürzel die Möglichkeit, automatisch mehrere Elemente verbinden zu lassen und ersetzende Elemente können direkt eingefügt werden. An dieser Stelle haben wir die Software bewusst offen gestaltet, damit Anwender auch selbst solche Automatisierungs-Funktionen für Labview schreiben können. Allerdings hat sich auch das Problem ergeben, dass es in der Zwischenzeit über 50 Tastenkürzel gibt. Damit stellt dieses Feature keinen Mehrwert für Anwender dar, die nur selten Labview einsetzen. Im Idea-Exanche-Froum ist dann die Idee entstanden, diese Funktionen in das Kontextmenü, welches über die rechte Maustaste aufgerufen wird, zu integrieren. Diese Idee haben wir aufgegriffen und gleichzeitig unseren Anwendern die Möglichkeit gegeben, selbst weitere Funktionen für das Kontextmenü entwickeln zu können.
elektro AUTOMATION: Um bei der Automatisierung des Arbeitsflusses zu bleiben, National Instruments hat ja auch hardwareseitig schon sehr früh die Möglichkeit geboten, etwa ein FPGA mit einzubeziehen. Gibt es Unterschiede bei der Handhabung hinsichtlich der Programmierung?
Casper: Ob der Anwender auf einem Windows-Rechner, einem Real-Time-Betriebssystem oder einem FPGA arbeitet – der Aufbau, die Elemente und auch die Programmierung funktioniert genau gleich. Die eigentliche Herausforderung ist dann das Systemdesign, da die jeweilige Hardware-Komponente spezifische Eigenheiten mit sich bringt. Beispielsweise muss der Anwender auf einem Real-Time-System in seinem Code dafür sorgen, dass er die Echtzeitfähigkeit nicht selbst behindert.
elektro AUTOMATION: Kann das System so etwas verhindern?
Casper: Hier ist tatsächlich der Programmierer gefragt, indem er die entsprechenden Systemarchitekturen nutzt. Es gibt schon viele vorgefertigte Standardarchitekturen, die an dieser Stelle eingesetzt werden können. Zudem sollte erwähnt werden, dass Labview-Nutzer zwar aufgrund der grafischen Darstellung zumeist eine steile Lernkurve haben, allerdings sollte man die Software, vor allem wenn es um komplexere Anwendungen geht, tatsächlich kennen lernen.
elektro AUTOMATION: National Instruments betont ja auch in Zusammenhang mit dem Thema Big Analog Data, dass die Gefahr besteht, dass viele Personen glauben, es genügt, eine große Menge an Daten anzusammeln und der Rest passiert automatisch. Sehen Sie diese Gefahr?
Casper: Absolut. Deswegen empfehlen wir beispielsweise immer den Einsatz des TDMS-Datenformats. Dieses erlaubt es Anwendern, den reinen Rohdaten zusätzliche Informationen, sogenannte Eigenschaften, mitzugeben. Zum Beispiel: Wer war derjenige, der die Messung durchgeführt hat? Welcher Messsensor wurde an der Stelle eingesetzt? Und nur mit solchen Meta-Daten sind die Big Analog Data komplett und ermöglichen im Nachhinein Rückschlüsse. Damit ist es auch hier wieder so, dass im Voraus eine Strategie ausgearbeitet werden sollte. Zur Unterstützung können neben Labview auch Diadem und der Datafinder zum Einsatz kommen, um die großen Datenmassen verwalten und auf bestimmte Eigenschaften filtern zu können. Am Ende ist es aber wieder der Anwender der auf Basis der aufbereiteten Daten Entscheidungen treffen muss.
elektro AUTOMATION: Womit wir wieder bei Drittsystemen mit einer direkten Schnittstelle zu Labview sind, diesmal softwareseitig. Mittlerweile können Sensordaten auch schon früh vorverdichtet und analysiert werden. Können Labview und Diadem auch an dieser Stelle helfen?
Casper: Ja, so etwas lässt sich sehr schön mit unseren Systemen, beispielsweise mittels einem FPGA realisieren. Dabei wird von Edge-Analytics gesprochen, bei der die Intelligenz nah an den Sensor wandert. So können Daten vorgefiltert, eventuell erst ab einem bestimmten Trigger aufgezeichnet oder komplett vorverarbeitet werden. So reduziert man letztlich die Datenflut.
elektro AUTOMATION: Wie sieht es softwareseitig mit Systemen wie Matlab oder Maple aus?
Casper: In diesem Zusammenhang bietet Labview nicht nur eine nahtlose Hardwareintegration, sondern auch eine nahtlose Softwareintegration. Es können unterschiedliche Programmiersprachen integriert und verschiedene Möglichkeiten zum Aufrufen eines bestehenden Programmcodes genutzt werden.
elektro AUTOMATION: Stichwort digitale Durchgängigkeit – spielt speziell Simulink bei Ihnen eine große Rolle?
Casper: Gerade wenn es um die Thematik der Modellbildung und Modellintegration in Hardware geht, kann auch Simulink direkt, beispielsweise in VeriStand, eingebunden werden. Wir haben für den Bereich auch spezielle Labview-Bibliotheken, die unsere Anwender nutzen können.
elektro AUTOMATION: Anwendern stehen auch viele Foren zu und über Labview zur Verfügung. Mit dem Idea-Exchange-Forum haben wir schon eines angesprochen – was hat es mit dem Labview Tools Network auf sich?
Casper: Das Labview Tools Network ist quasi der App-Store für den Ingenieur. Es ist aus der Idee entstanden, dem Anwender einen Ort zur Verfügung zu stellen, an dem er auf geprüften Code zugreifen kann. Geprüft bedeutet dabei, dass die Anwendung oder API dem Labview Style Guide konform programmiert und ausführlich dokumentiert ist. Zudem muss er unter anderem Beispiele mit sich bringen. Viele dieser Tools sind kostenfrei, aber es gibt verständlicherweise auch Anwender, die eine anspruchsvolle Anwendung entwickelt und dafür viel Entwicklungszeit investiert haben und somit ihre API kostenpflichtig ins Tools-Network stellen möchten.
elektro AUTOMATION: Können Sie auch hier Beispiele für interessante Umsetzungen nennen?
Casper: Die Vielfältigkeit im Tools Network ist tatsächlich groß. Das Spektrum reicht von kleinen Funktionen bis hin zu wirklich komplexen fertigen Applikationen. Beispielsweise gibt es eine sehr intuitive kleine API, mit der man sehr einfach direkt in Excel-Dateien schreiben kann. Daneben ermöglicht es eine andere Applikation, ein Installer, Funksignale zu erfassen und auch wieder zurück zu spielen, ohne dass der jeweilige Nutzer überhaupt Labview auf dem Rechner installiert haben muss. Hier finde ich besonders den Community-Gedanken schön. Neulich hatte ich ein Gespräch mit einem Kunden, der sagte, dass er im Tools Network so viele Ideen und Anregungen gefunden habe, dass er nun sein Tool kostenfrei einstellen möchte, um so wieder etwas zurückzugeben.
elektro AUTOMATION: Dürfen Sie auch schon etwas sagen, was sich in der Labview-Version 2016 ändern wird?
Casper: Für Neuigkeiten zu Labview liest man am besten den Blog „Point of View“ in dem unter anderem unsere Direktoren für den Softwarebereich, Shelley Gretlein und Jeff Phillips, ein bisschen über unsere Future Investment Areas sprechen. Thema ist dabei auch der Bereich Systemabstrahierung. Ein weiterer derzeit interessanter Ansatz basiert darauf, dass Labview von Ingenieuren für Ingenieure entwickelt worden ist. Doch ist es eine gute Idee, immer nur einen Ingenieur zu fragen? Deshalb haben wir mittlerweile auch ein Team aus Experten für das Benutzeroberflächendesign, das beispielsweise Vorschläge zur intuitiven Bedienung einbringt. Das ist vor allem für Neueinsteiger ein wichtiger Bereich.
elektro AUTOMATION: Herr Casper, vielen Dank für das interessante Gespräch.

Kontakt

info

National Instruments Germany GmbH
München
Tel. +49 89 7413130
http://germany.ni.com
Direkt zum Point-of-View-Blog:
http://t1p.de/5cel
Ein Interview mit Rahman Jamal von NI zur Industrie-4.0-Diskussion finden Sie in elektro AUTOMATION 4/2016 auf S. 44 ff.:
http://t1p.de/ybnf
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