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All-in-one-Kamera versus Vision-System

Bildverarbeitung: Smarte Kameras sind auf dem Vormarsch
All-in-one-Kamera versus Vision-System

Lokale Intelligenz – oder besser smarte Eigenschaften – finden sich vermehrt auch in den ‚smarten Kameras‘, die im Rahmen der Bildverarbeitung zum Einsatz kommen. Der Vorteil für den Anwender: Die Systeme lassen sich schnell in Betrieb nehmen und passen aufgrund der kompakten Abmessungen auch noch in Anlagen, in denen Platz knapp ist. Allerdings: Das Ende der PC-basierten Vision-Systeme ist noch längst nicht in Sicht – sie seien einfach flexibler und schneller, so die Experten, die von der Nachbarredaktion der Quality Engineering befragt wurden.

Sabine Koll ist freie Journalistin und hat diesen Beitrag im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Quality Engineering erstellt, die wie die elektro AUTOMATION in der Konradin Mediengruppe erscheint.

Flascheninspektoren sorgen bei Küppersbusch in Velbert dafür, dass beim Abfüllen von Flüssigkeiten alles seine Ordnung hat: Ob Etiketten vorhanden sind, ob die Füllmengen stimmen und ob die Flaschen richtig verschlossen sind. Dafür verfügen die Flascheninspektoren über ein Kamera-Kontrollsystem auf Basis einer smarten Kamera von Leuze Electronic. Es prüft alle Merkmale gleichzeitig. „Für die schnelle und einfache Qualitätssicherung sowie Identifikation sind smarte Kameras prädestiniert“, sagt Matthias Göhner, Produktmarketing-Manager bei Leuze. „Denn sie bieten alle notwendigen Komponenten im Gehäuse selbst – Beleuchtung, Bildverarbeitung, Bild- und Programmspeicher, Display, Ergebnisanzeige und Schnittstellen. Damit sind sie leicht auch unter engen Platzverhältnissen in Maschinenkonzepte zu integrieren.“ Noch einen Schritt weiter gehen Vision-Sensoren, bei denen es sich um eine smarte Kamera in Kombination mit einer speziell für eine Aufgabenstellung zugeschnittenen Software für bestimmte Aufgaben wie etwa das Barcode-Lesen handelt.
Die smarten Bildverarbeitungssysteme setzen sich in der Qualitätssicherung immer mehr durch – und verdrängen damit vor allem PC-basierte Systeme. „Mit das größte Hindernis für das Wachstum des Bildverarbeitungsmarktes ist die zu hohe Komplexität der Technologien für ihre Anwender. Der Fokus liegt darauf, die Programmierung und Integration von Bildverarbeitungsprodukten so einfach wie möglich zu machen“, betont Dr. Ronald Müller, Head of Product Marketing bei Framos. Mittel der Wahl zur Reduzierung der Komplexität seien etwa grafische Programmieroberflächen, dedizierte Bildverarbeitungs-PCs – und eben smarte Kameras.
„Es wird vermehrt nach dezentralen Systemen für Aufgaben in der Automatisierung und Qualitätskontrolle verlangt. Das heißt, die Systeme entwickeln sich weg vom Rechner mit einer Kamera, die irgendwo in der Peripherie untergebracht ist, hin zum kompakten Stand-alone-Auswertesystem“, sagt Jan-Erik Schmitt, Geschäftsführer bei Vision Components. „Es wird heute versucht, durch frühzeitige Kontrollen möglichst früh die Fehler zu detektieren. Hierzu bieten sich smarte Kameras oder aber Vision-Sensoren an“, bestätigt Michael Beising, Geschäftsführer von EVT. „Denn in der Qualitätssicherung werden immer mehr Mess- und Prüfaufgaben mit kleinen Sensoren gelöst – und somit nimmt der Einsatz smarter Kameras stetig zu.“
Smarte Kamera-Lösungen haben mittlerweile viele Hersteller im Bereich industrielle Bildverarbeitung im Portfolio. Der Bildverarbeitungs-Distributor und -Integrator Framos ist im Herbst 2013 durch eine Kooperation mit Datalogic auf diesen Zug aufgesprungen.
Bei Matrix Vision machen smarte Kamera-Lösungen nach Aussagen von Horst A. Mattfeldt, Director Standard Products, bereits mehr als 50 % des Umsatzes aus. Dazu gehören neben der Standardvariante auch adaptierte Kundenlösungen. Andere Anbieter wie Vision Components setzen komplett auf die kleinen Kameras. Und andere haben sie im Programm, nennen sie aber nicht so. Cognex beispielsweise spricht lieber von ‚kompakten autarken Vision-Systemen‘. „Diese bieten Anwendern und Systemintegratoren viele Vorteile“, sagt Torsten Zöller, European Marketing Manager von Cognex. „Durch die kleinen Abmessungen einschließlich der Beleuchtung und in Schutzklasse IP67 können sie platzsparend direkt in bestehende Fertigungslinien schnell und einfach integriert werden. Sie bieten ein hohes Maß an Flexibilität in der Anwendung. Ist eine Anwendung abgeschlossen, kann dasselbe System sofort an einem anderen Ort zum Einsatz kommen. Das gewährleistet Investitionssicherheit und eine schnelle Amortisation.“
„Sie sind klein, kompakt und platzsparend und bieten sich für Aufgaben in der Automatisierung an, wenn PC-Systeme überdimensioniert sind und zum Beispiel nur einfache Codelesungen, Positionskontrollen oder -ausgaben benötigt werden“, erklärt Markus Maurer, Vertriebsleiter Industrie im Geschäftsbereich Industrieautomation bei Vitronic. Cognex-Experte Zöller nennt einen weiteren Vorteil: „Durch einfaches Parametrieren kann ungeschultes Personal außerdem Anwendungen anpassen oder auch neue Anwendungen erstellen.“
Auch energieeffizienter arbeiten die Lösungen, macht Mattfeldt von Matrix Vision deutlich: „Als optimiertes System haben sie bei hoher Leistung einen geringen Strombedarf. Dadurch spielt beispielsweise die Kühlung im Gegensatz zu klassischen Kamera-Frame-Grabber-PC-Lösungen eine untergeordnete Rolle.“
Smart oder PC-gestützt?
Smarte Kamera Lösungen sind also auf dem Vormarsch – und nicht mehr aufzuhalten? „Für deren Einsatz gibt es keine Grenzen“, sagt Schmitt von Vision Components. Die anderen Hersteller sehen dies differenzierter: „Sie sind heute in 80 % der Anwendungsfälle einsetzbar“, so EVT-Chef Beising. „Ihre Grenzen liegen hauptsächlich in der begrenzten Rechenleistung, wobei diese heute auf dem Niveau von PCs von vor zwei bis drei Jahren liegt.“ Auch Framos’ Produktmarketing-Leiter Müller empfiehlt smarte Kameras nicht für jeden Einsatzzweck: „PC-gestützte Bildverarbeitungssysteme verfügen über eine höhere Rechenleistung. Gerade wenn mehrere Kameras in einem System eingesetzt werden sollen, ist der Einsatz eines zentralen PCs zur Bildauswertung meist günstiger.“
Hersteller wie Vitronic oder Cognex bieten sowohl smarte Kameras als auch PC-gestützte Vision-Systeme an – und sind sich sicher: Die kleinen und intelligenten Kameras werden auf absehbare Zeit nicht das Ende für die PC-gestützten Systeme bedeuten. „Bei besonders komplexen Anwendungen mit sehr hohem zu bewältigenden und zu analysierenden Datendurchsatz in sehr kurzen Taktraten sind weiterhin PC-gestützte Systeme notwendig“, stellt auch Cognex-Manager Zöller klar. „Häufig sind das Anwendungen, die gleichzeitig sowohl anspruchsvolle Qualitätskontrolle mit Prozessoptimierung, absolut sichere Code-Leseaufgaben und unternehmensweite Kommunikation garantieren müssen. Die enormen Leistungssteigerungen moderner Algorithmen in der heutigen Vision-Software erschließen Anwendungsfelder, die sich in der Vergangenheit zu umfangreich, schwierig und letztlich als unwirtschaftlich darstellten.“ Die Spitze der Anwendungspyramide mit PC-gestützten Systemen werde somit nicht kleiner, es kommen vielmehr ständig Anwendungsfelder hinzu.
Laut Vitronic-Vertriebsmann Maurer spricht vor allem die Skalierbarkeit – dies betrifft sowohl Rechenleistung als auch Massenspeicher, Hauptspeicher, Schnittstellen sowie Übertragungsgeschwindigkeiten – für die High-End-Systeme. Holger Wirth, Vice President R&D Industrial Automation bei Isra Vision, sieht noch weitere Grenzen für smarte Kameras: „Systeme, die mehrere Kameras benötigen, lassen sich damit nicht realisieren. Außerdem ist die Fehleranalyse gegebenenfalls schwierig, wenn Bilder aufgrund geringen Speichers nicht in der Kamera gespeichert werden können. Zudem ist die Systemoptimierung ohne ‚Fehlerbilder’ nicht einfach.“ Und für den Einsatz von PC-Systemen sprechen seiner Ansicht nach auch die „besseren Bedienschnittstellen“.
Smarte Kameras erreichen 5 MPx, PC-Systeme 29 MPx
Auch die Auflösung spricht bei manchen Anwendungen für den Einsatz von PC-Systemen: So liegt die maximale Auflösung von smarten Kameras nach Aussagen von Christian Berg, Vertrieb Bildverarbeitungslösungen bei Stemmer Imaging, im Bereich von 5 MPx. Industriekameras, die in PC-Systemen eingesetzt werden, erzielen hingegen heute bereits Auflösungen von 29 MPx oder mehr und sind zudem schneller als smarte Kameras. „Wenn also smarte Kameras in punkto Auflösung oder Geschwindigkeit an ihre technischen Grenzen kommen, bieten PC-gestützte Systeme erweiterte Möglichkeiten“, so Berg. Ein weiteres Feld, das aus seiner Erfahrung für smarte Kameras weniger geeignet ist, ist der Bereich der Zeilenkamerasysteme. Berg: „Es gibt diese zwar auch als smarte Modelle, doch die Leistungsfähigkeit der PC-gebundenen Zeilenkameras liegt hier deutlich höher. Diese Technologie wird daher bei geeigneten Anwendungen erheblich öfter eingesetzt.“ Dieses Beispiel führt auch Maurer, Vitronic, an: „In der Auswertung großer Datenmengen, etwa in der Oberflächenprüfung mittels Zeilenkameras, spielen PC-basierte Bildverarbeitungssysteme ihre Stärken aus.“
PC-basierte Systeme werden nach Ansicht der meisten Experten daher auch in den nächsten Jahren ihren Platz haben. Denn nicht nur die smarten Kameras, sondern auch PC-gestützte Bildverarbeitungslösungen entwickeln sich weiter: So rechnet Maurer damit, dass sie in Zukunft komplett über Touchdisplays bedienbar sein werden und eine einfachere Prüfung auf Basis der CAD-Daten (2D und 3D) ermöglichen. Wirth, Isra Vision, erwartet in Zukunft ebenfalls Touch GUIs – oder gleich die Bedienung ganz ohne Panel – „über Tablet mit Wireless-Schnittstelle“.
Mehr Leistung durch Multi-Core
Die Leistungsfähigkeit der Systeme ist ein weiteres Thema: So betont Cognex’ Marketingexperte Zöller, dass PCs mit ihrer Multi-Prozessoren-Technologie immer leistungsfähiger werden – und damit neue Entwicklungen von wirkungsvollen Algorithmen, Vision-Tools und Entwicklungsumgebungen mit vereinfachter Programmierung ermöglichen.
EVT-Geschäftsführer Beising geht davon aus, dass es „für High-End-Anforderungen zunehmend Karten mit leistungsfähiger Hardwarevorverarbeitung geben wird, wie es sie für Cameralink und Coaxpress derzeit schon gibt“. Im mittleren Leistungsbereich – das was heute High End sei – werde sich die Verteilung der Aufgaben auf die Multi-Core-Prozessoren verlagern, sodass sich damit dann auch solche Aufgabenstellungen mit Standardhardware lösen lassen. Beising weiter: „Durch die Standardisierung der Grafikprozessor-Programmierung wird auch ein Teil der High-End-Aufgaben im Grafikprozessor abgearbeitet werden können. Der Nachteil des raschen Wechsels bei der Grafikkartenentwicklung wird aber diese langfristig im industriellen Umfeld nicht erfolgreich werden lassen, da es schwer ist, diese über einen längeren Zeitraum verfügbar zu haben. Die zunehmende CPU-Rechenleistung wird allerdings die Notwendigkeit des Grafikprozessor-Einsatzes zurückdrängen.“ co
Hannover Messe: Halle 17

VIDEO-TIPP

Anlässlich der SPS IPC Drives sprach die elektro AUTOMATION mit einer Reihe von Experten zum Thema Bildverarbeitung. Dies finden Sie unter dem Stichwort Bildverarbeitung auf:
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