Temperaturmessungen sind in der chemischen Verfahrenstechnik unentbehrlich. Reaktionsverläufe lassen sich damit räumlich und zeitlich überwachen und steuern. Verteilt messende, glasfaserbasierte Lösungen erschließen hier völlig Möglichkeiten. Mittlerweile belegen zahlreiche Anwendungen, dass die Technik auch hält, was sie verspricht. Typische Einsatzbereiche gibt es zum Beispiel bei Temperaturmessungen zur Optimierung von Kondensationsprozessen.
Die Autoren: Dr. Dirk Samiec, Vertrieb Optische Technologien bei der Polytec GmbH, Dipl.-Ing. (FH) Jochen Grimm, Strategisches Produktmarketing bei der Polytec und Ellen-Christine Reiff, M.A., Redaktionsbüro Stutensee
Faseroptische Sensorsysteme werden seit vielen Jahren in verschiedensten Disziplinen für die Messung von Temperaturen und mechanischen Größen wie Dehnung eingesetzt. Da lediglich Licht als Übertragungsmedium in der Glasfaser dient, erschließen sich viele Anwendungen, die der klassischen elektrischen Sensorik verschlossen bleiben. Ihre ganze Stärke spielen die Systeme insbesondere dort aus, wo man eine sehr große Anzahl von Messstellen benötigt, bei gleichzeitig kompakter Bauform und geringer thermischer Masse.
Im Prinzip bestehen die Systeme aus zwei Komponenten: einer Ausleseeinheit und der daran angeschlossenen, passiven Sensorfaser. Die Ausleseeinheit sendet Licht in die Faser und analysiert die reflektierten oder zurück gestreuten Anteile. Dabei wird zwischen punktförmig und verteilt messenden Systemen unterschieden. Punktförmige Sensorlösungen haben die eben genannten Besonderheiten, messen aber wie ihre elektrischen Pendants jeweils an einer definierten Messstelle.
Komplette Temperaturprofile erfassen
Für die chemische Verfahrenstechnik und artverwandte Disziplinen bedeuten dagegen die verteilt messenden Systeme eine echte Innovation, da sich hiermit komplette Temperaturprofile mit dichter Messpunktfolge erfassen lassen. Dazu müssen keine speziellen Sensoren in die Faser eingebracht werden. Vielmehr wird das vom Fasermaterial selbst zurück gestreute Licht ausgewertet, um die gewünschte Information über die Temperatur zu erhalten. Die gesamte Faser wird damit zum Sensor. Dabei lassen sich zwei Arten unterscheiden, die je nach Anwendungsfall zu bevorzugen sind: Systeme, die auf dem Raman- bzw. Brillouin-Effekt basieren, eignen sich für Messstrecken bis zu einigen zehn Kilometern bei Messpunktabständen auf der Faser von bis zu 12,5 Zentimetern. Die zweite Gruppe bilden Systeme, die auf der Auswertung der Rayleigh-Streuung basieren und mit Auflösungen im Millimeterbereich bis zu 50 Meter lange Messstrecken erlauben. Damit ist praktisch jeder Punkt der Glasfaser ein Sensor. Im Bereich der chemischen Verfahrenstechnik finden faseroptische Systeme, die auf der Rayleigh-Streuung basieren, deshalb regen Anklang. Oft sind sie die einzige Möglichkeit, wie die folgenden Anwendungsbeispiele belegen.
Optimierung von Kondensationsprozessen
Die TU Braunschweig hat in Zusammenarbeit mit der britischen Firma CalGavin in Alcester, Untersuchungen zum Wärmeübergang und Druckverlust an einem zwei Meter hohen Kondensationsreaktor (Glattrohrapparat) am Beispiel der Kondensation von Hexanol durchgeführt. Der Kondensationsverlauf in den Rohren des Reaktors wird maßgeblich durch die Auslegung der Kühlung beeinflusst. Um Temperaturmesswerte als Basis für die Optimierung zu erhalten, wurde in mehreren Rohren über die gesamte Kondensatorlänge jeweils eine kapillargeführte Glasfaser verlegt. Die gemessenen Temperaturprofile und deren zeitlicher Verlauf beschreiben das Kondensationsverhalten sehr gut, sowohl wenn die Reaktorgeometrie variiert wird als auch bei Veränderung der Betriebsparameter Druck oder Durchfluss am Einlass des Kondensators. Die Temperaturprofile wurden mit einem verteilt messenden faseroptischen System (ODiSI-A von Polytec) mit einer Ortsauflösung von einem Millimeter bestimmt. Die Kühlwassertemperatur (TKW) hat großen Einfluss auf den Kondensationspunkt im Reaktor. Bei 40 °C Kühlwassereintrittstemperatur ist ab einer Länge von ca. 0,8 m die Kondensation fast abgeschlossen. Anschließend wird nur noch die Gasströmung in der Mitte des Rohrs abgekühlt, was im Temperaturabfall zu erkennen ist. Bei einer Kühlwassereintrittstemperatur von 60 °C ist dieses Abknicken merklich später und bei 80 °C gar nicht mehr zu sehen. Das bedeutet, dass bei 80 °C der Kondensator den eintretenden Hexanol-Dampf nicht mehr vollständig kondensieren kann. Diese Erkenntnis hilft bei der Optimierung der Anlagen- und Betriebsparameter.
Kühlsystem-Untersuchungen bei Atomreaktoren
Die Panda-Einrichtung am schweizerischen Paul-Scherrer-Institut untersucht Kühlsysteme für passive radioaktive Zerfallswärme und das Verhalten von Sicherheitsbehältern einfacher Siedewasserreaktoren bei Störfällen. Panda ist modular aufgebaut. Dadurch lässt sich für wechselnde Applikationen das Verhalten von Druckkesseln, Wasserbecken oder Kondensatoren nachstellen und systematisch untersuchen. Das Gesamtvolumen der Kessel beträgt ca. 460 m3, ihre Höhe erreicht 25 m. Die maximalen Arbeitsbedingungen liegen bei 10 bar und 200 °C. In die Kessel können Luft, Helium und Wasser eingespritzt werden sowie Dampf, der mit max. 1,5 Megawatt beheizt wird. Damit wird die Testumgebung auf die spezifizierten Umgebungsbedingungen gebracht. Zur ortsaufgelösten Temperaturmessung wurde wieder eine Sensorfaser von Polytec in einer Edelstahl-Kapillare waagrecht durch den unteren Teil eines Druckkessels über einem Kernsprühring verlegt. In verschiedenen Untersuchungen blies man dann Heißluft und Dampf zwischen 15 und 50 g/s ein. Nach der Entfernung des Kernsprührings sah die Temperaturverteilung im Kesselquerschnitt durch die veränderten Strömungen deutlich anders aus. Mittels der faseroptischen Messungen konnten bei geringerem Installationsaufwand sehr viel aussagekräftigere Ergebnisse in kürzerer Zeit geliefert werden. Faseroptische Sensorsysteme eröffnen damit für die Verfahrenstechnik – speziell im Bereich der Temperaturmessung – Möglichkeiten, die weit über die herkömmlicher Verfahren hinausgehen. jg
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Waldbronn
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