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„Die Felder in den Magneten müssen präzise kontrolliert werden“

MedAustron setzt auf Technologie von NI (SPS IPC Drives: 7-381)
„Die Felder in den Magneten müssen präzise kontrolliert werden“

Mit MedAustron entsteht in Wiener Neustadt gerade eines der modernsten Zentren für Ionentherapie und Forschung in Österreich, die Bestrahlung soll hier ab 2015 mit Kohlenstoffionen und Protonen erfolgen. Bei der Auslegung des Echtzeitkontrollsystems des Teilchenbeschleunigers greift man auf Erfahrungen mit dem LHC des CERN zurück, erläutert Dr. Johannes Gutleber, verantwortlich für Systems Engineering – Controls beim CERN.

elektro Automation: Herr Dr. Gutleber, Ziel des MedAustron ist es, Krebspatienten mittels Ionentherapie eine schonendere Behandlung zu ermöglichen. Bei der Erzeugung des Strahls aus ionisiertem Kohlenstoff greifen Sie auf Erfahrungen mit dem LHC im CERN zurück. Was bedeutet das hinsichtlich der Steuerungstechnik?

Gutleber: Die Felder in den Magneten des Teilchenbeschleunigers müssen präzise kontrolliert werden, um die für die medizinische Behandlung notwendigen Strahlen mit jeweils unterschiedlichen Eigenschaften bezüglich etwa Energie, Pulsdauer, Dimension und Intensität erzeugen zu können. Die eigens für das CERN entwickelten Echtzeitkontrollsysteme wurden dazu an das MedAustron-Projekt angepasst (Bem. der Red.: siehe dazu Kasten auf der folgenden Seite). Zum Einsatz kommt die PXI-Express-Technologie, die Echtzeitsteuerung der Stromumsetzer für die Magneten läuft auf NI-FlexRIO-FPGA-Modulen. Anlässlich der zurückliegenden NIWeek konnten wir mit dem System übrigens unter anderem den ‚National Instruments Graphical System Design Achievement Award‘ gewinnen.
elektro Automation: Herzlichen Glückwunsch dazu. Wenn Sie den LHC des CERN mit dem Teilchenbeschleuniger MedAustron vergleichen: Worin liegt die Herausforderung bei der Strahlentherapie?
Gutleber: Bei einem Synchrotron für die Ionentherapie muss das Kontrollsystem hunderttausende von möglichen Einstellungen für die strahlerzeugenden Elemente des Beschleunigers verwalten können – und zur richtigen Zeit die richtigen Elemente für die erforderlichen Strahleinstellungen konfigurieren. Eine therapeutische Sitzung erfordert etwa fünfhundert unterschiedliche Strahleinstellungen. Hinzu kommt der Zeitfaktor: Obwohl ein Strahlzyklus einige Sekunden dauert, wird dem Beschleunigerkontrollsystem erst zirka 250 Millisekunden vor dem neuen Zyklus mitgeteilt, welche Einstellungen für den nächsten Zyklus bereitgestellt werden müssen. Daher muss das Kontrollsystem sehr leistungsfähig sein, um ohne Totzeit zwischen den Strahlzyklen die Rekonfiguration zeitgerecht vornehmen zu können. Die Strahlapplikation selbst – zum therapeutischen Zweck – ist natürlich nicht die Aufgabe des Beschleunigerkontrollsystems, dennoch ist ein qualitätsgesicherter Herstellungsprozess des Teilchenbeschleunigers von Vorteil.
elektro Automation: Könnten Sie das kurz erläutern?
Gutleber: Auf diese Weise lassen sich die Herstellungskosten und Zeiten des Medizinsystems unter Kontrolle halten. Die am CERN etablierten Prozesse und Systems-Engineering-Methoden sowie die Sicherheitsstandards, welche bei anderen Teilchenbeschleunigern angewendet wurden, kamen so auch dem MedAustron-Projekt zugute.
elektro Automation: Stand von vornherein fest, dass man ebenfalls auf NI-Technologie setzt?
Gutleber: Eine anfängliche Evaluierung mehrerer Plattformen und Betriebssysteme zeigte, dass zum Zeitpunkt des System-Designs nur eine PXI-Express-Lösung die erforderlichen Durchsatz- und Echtzeitanforderungen erfüllen konnte. NI-Technologie findet sich deshalb in zahlreichen Teilsystemen des Projekts wieder – Beispiele sind die Steuerung der Magnetfelder, die Strahldiagnostik, die Kontrolle der Ionenquellen und das medizinische Strahlapplikationssystem. Letzteres wurde vom CNAO im italienischen Pavia entwickelt und vom NI-Partner Skytechnology aus Mailand als zertifiziertes Medizinprodukt geliefert.
elektro Automation: Welche Erfahrungen haben Sie insbesondere mit dem Ansatz des ‚Graphical System Designs‘ von National Instruments gemacht?
Gutleber: LabVIEW kam im Rahmen der anfänglichen Evaluierung zunächst als willkommener Seiteneffekt bei der NI-FlexRIO-FPGA-Programmierung hinzu, da eine reine VHDL-Lösung aufgrund der Komplexität der Anwendung und der Unmöglichkeit der Erzeugung von Prototypen ohne FPGA-Karten nicht erstrebenswert war. LabVIEW hat sich dabei als Tool zur raschen Herstellung von lauffähigen Prototypen, welche mit kontrolliertem Aufwand in das endgültige Produkt umgewandelt werden können, bewährt. Dieser Ansatz war besonders bei den FPGA-basierten FlexRIO-Applikationen von Vorteil.
elektro Automation: Herr Dr. Gutleber, vielen Dank für die Informationen. co
http://ni.com
„Nur eine PXI-Express-Lösung konnte die erforderlichen Durchsatz- und Echtzeitanforderungen erfüllen“

CERN fängt fehlgeleitete oder instabile Teilchenstrahlen mit PXI-Motorsteuerungssystem ab

In einem Teilchenstrahl des Large Hadron Colliders kann die Energie eines 400 t schweren Zuges bei einer Geschwindigkeit von 150 km/h stecken. Das Steuersystem des Teilchenbeschleunigers muss deshalb absolut zuverlässig arbeiten – insbesondere muss die Position der Hauptkomponenten zur Absorption energiegeladener Teilchen aus dem nominalen Kern des Strahls in Echtzeit erfasst und daraufhin gesteuert werden. Gelöst wurde die Aufgabe über die Entwicklung eines FPGA-basierten Motorsteuerungssystems. Zum Einsatz kamen dabei LabVIEW, das LabVIEW Real-Time Module, das LabVIEW FPGA Module und die Software NI SoftMotion mit rekonfigurierbarer I/O-Hardware der R-Serie von NI für PXI.
Wie sich die Materie zusammensetzt und welche Kräfte sie zusammenhalten, untersuchen die Wissenschaftler des CERN mit Hilfe des Large Hadron Colliders (LHC) – einem Teilchenbeschleuniger mit einem Umfang von 27 km, der 150 m unter der Erde liegt. In ihm können die Forscher Teilchenstrahlen frontal kollidieren lassen, die sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Dazu schießt der LHC zwei Strahlen von Protonen oder anderen, positiv geladenen schweren Ionen in entgegengesetzter Richtung durch den kreisrunden Tunnel – in der Bahn gehalten durch supraleitende Magnete, die in einem suprafluiden Heliumbad bei nur 1,9 K (rund -271 °C) arbeiten. Bei voller Leistung liegt die Energie in jedem Strahl bei 350 MJ. Dies entspricht in etwa der Energie eines 400 t schweren Zuges bei einer Geschwindigkeit von 150 km/h oder der Energie, die man benötigt, um 500 kg Kupfer zu schmelzen.
Zuverlässiges Steuersystem unabdingbar für die Sicherheit
Aufgrund der extrem hohen Energie in den Strahlen ist die Zuverlässigkeit des Steuersystems von höchster Wichtigkeit. Ein Strahl, der von seinem Kurs abkommt, kann katastrophale Schäden am Beschleuniger verursachen. Um Teilchen daran zu hindern, vom vorgegebenen Kurs abzuweichen, sind über 100 sogenannte Kollimatoren installiert – ein Kollimator absorbiert energiegeladene Teilchen, die den nominalen Kernstrahl verlassen, in Blöcken aus Graphit oder einem anderen schweren Material.
Gesteuert wird die Position der Kollimatoren mit rekonfigurierbaren I/O-Modulen, die wegen der Redundanz in separaten PXI-Chassis von NI montiert sind. In der Standardkonfiguration steuert ein Chassis bis zu 15 Schrittmotoren auf drei verschiedenen Kollimatoren in einem 20-minütigen Bewegungsprofil, um die Graphitblöcke präzise und synchron auszurichten. Um die maximale Zuverlässigkeit sicherzustellen, überprüft ein zweites Chassis die Echtzeit-Positionierung derselben Kollimatoren. Die PXI-Chassis laufen unter LabVIEW Real-Time, auf den rekonfigurierbaren I/Os in den Peripheriesteckplätzen LabVIEW FPGA zur Steuerung der Kollimatoren. Mit dem NI SoftMotion Development Module und den rekonfigurierbaren NI-Modulen konnte auf diese Weise zügig eine anwenderdefinierte Motorsteuerung für die rund 600 Schrittmotoren entwickelt werden. Aufgrund der Verwendung von FPGAs (Field-Programmable Gate Arrays) lassen sich die Motoren auch auf den 27 km Umfang des LHC auf die Millisekunde genau synchronisieren – unter Einhaltung der strengen Timing-, Präzisions- und Zuverlässigkeitsvorgaben. Ein weiterer Vorteil der Plattform mit LabVIEW und PXI ist, dass sie kleiner, robuster und kostengünstiger ist als Lösungen mit VME und SPSen. Zudem mussten keine eigenen Softwaretreiber erstellt werden, was den Arbeitsaufwand zur Fertigstellung des Systems reduzierte.
Roberto Losito und Alessandro Masi arbeiten am CERN.

INFO-TIPP

Ein kurzes Video von National Instruments mit den beiden Autoren dieses Beitrags – Roberto Losito und Alessandro Masi – erläutert anschaulich die Bedeutung der Kollimatoren, die im Large Hadron Collider zum Einsatz kommen. Sie absorbieren energiegeladene Teilchen, die den nominalen Kernstrahl verlassen, unter anderem in Blöcken aus Graphit.
http://youtu.be/MjHals9hDz0

PRAXIS PLUS
Das CERN führt seit Mitte der 90er-Jahre Studien zur medizinischen Anwendung von Teilchenbeschleuniger-Technologien durch und koordiniert medizinische und biologische Anwendungen auf europäischer Ebene. Das Projekt MedAustron ist ein besonders gutes Beispiel für den Transfer von Ergebnissen der Grundlagenforschung in eine Anwendung, welche vielen Menschen zugutekommt.
http://enlight.web.cern.ch
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