Die jeweils älteren Ausgaben der Normen wurden bereits zurückgezogen – die Übergangfrist endet am 14.12.2018. Elektrische Anlagen, die nach Ablauf der Übergangsfrist – nach Neubau, Erweiterung oder Änderung – in Betrieb gehen, müssen nach den neuen Normen geplant und errichtet werden. Auch wenn eine Übergangsfrist festgelegt ist, soll bei DIN-VDE-Normen stets die neueste Ausgabe angewendet werden.
DIN VDE 0100-443 fordert Überspannungsschutz
Überspannungsschutzeinrichtungen (surge protective devices, SPDs) müssen gemäß DIN VDE 0100-443 installiert werden, denn Überspannungen können Auswirkungen haben auf:
1) Menschenleben
2) Öffentliche Einrichtungen und Kulturbesitz
3) Gewerbe- oder Industrieaktivitäten
4) Ansammlungen von Personen
5) Einzelpersonen – zum Beispiel in Wohngebäuden und kleinen Büros, wenn in diesen Gebäuden Betriebsmittel der Überspannungskategorie I oder II errichtet wurden
Der fünfte Fall, „Einzelpersonen“, ist neu hinzugekommen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass in Wohngebäuden und kleinen Büros grundsätzlich Betriebsmittel der Überspannungskategorien I und/oder II an die feste Installation angeschlossen werden. Der Einsatz von SPDs ist deshalb nun auch für Wohngebäude und für kleine Büros verpflichtend. Feuergefährdete Betriebsstätten sowie Betriebsmittel, die an unterschiedliche Netze angeschlossen sind – wie Strom- und Datennetze – sollten ebenfalls mit SPDs gegen transiente Überspannungen geschützt werden.
Auswahl von Einrichtungen zum Überspannungsschutz
SPDs müssen so ausgewählt und errichtet werden, dass die Spitzen-Spannung bzw. der Verlauf der Spannung bei der Ableitung von Stoßspannungs- und Stoßstromimpulsen stets niedriger ist als die Bemessungs-Stoßspannung des zu schützenden Betriebsmittels. Der Schutzpegel Up von SPDs wird – für Betriebsmittel mit normaler Bemessungs-Stoßspannung – nach Überspannungskategorie II ausgewählt.
Am Speisepunkt einer elektrischen Anlage werden SPDs wie folgt ausgewählt: Ist ein äußeres Blitzschutzsystem vorhanden oder ist eine Freileitungseinspeisung vorhanden, dann ist ein Typ-1-SPD erforderlich. Bei unterirdischer Einspeisung ohne äußeres Blitzschutzsystem ist mindestens ein Typ-2-SPD erforderlich. In DIN VDE 0100-534 und DIN EN 62305-4 werden für Fünf-Leiter-Systeme – abhängig von der gewählten Blitzschutzklasse – unterschiedliche Mindest-Ableitvermögen gefordert. Für Typ-1-SPDs (zwischen L und N) ist ein Mindest-Ableitvermögen zwischen 12,5 und 25,0 kA (10/350 µs) erforderlich. Das mindestens erforderliche Gesamt-Ableitvermögen einer SPD-Kombination liegt zwischen 50 und 100 kA (10/350 µs).
Für Anlagen mit Freileitungseinspeisung, die über kein äußeres Blitzschutzsystem verfügen, werden Typ-1-SPDs eingesetzt. Das Mindest-Ableitvermögen zwischen L und N beträgt 5 kA (10/350 µs). Das Gesamt-Ableitvermögen einer SPD-Kombination für Drei-Phasen-Systeme beträgt mindestens 20 kA (10/350 µs). Bei Anlagen mit „erhöhtem Sicherheitsbedürfnis“ (DIN VDE 0100-443, Fall 1 bis 5) müssen nun am oder in der Nähe des Speisepunktes Typ-2-SPDs mit erhöhtem Nenn-Ableitstoßstrom In eingesetzt werden. Erforderlich sind Typ-2-SPDs mit einem Nenn-Ableitstoßstrom von mindestens 10 kA (8/20 µs) zwischen L und N. Der Gesamt-Nenn-Ableitstoßstrom einer SPD-Kombination muss mindestens 40 kA (8/20 µs) betragen. Für den Schutz von Verteilstromkreisen und empfindlichen elektronischen Betriebsmitteln werden Typ-2-SPDs und Typ-3-SPDs eingesetzt.
Anschlussschemata
Beim Anschluss von SPDs an dreiphasige Systeme wird zwischen „Anschlussschema 1“ (3+0- und 4+0-Schaltung) und „Anschlussschema 2“ (3+1-Schaltung) unterschieden. Bei TT-Systemen darf die 4+0-Schaltung nur nach einem Fehlerstromschutzschalter (RCD) eingesetzt werden. Die 3+1-Schaltung ist universell für alle Fünf-Leiter-Systeme einsetzbar und ermöglicht niedrige Restspannungen zwischen L und N. Deshalb eignet sich diese Schaltung besonders gut für den Schutz von empfindlichen elektronischen Verbrauchern.
Leitungslänge zwischen Überspannungsschutz und Betriebsmittel
SPDs sollten so nah wie möglich am zu schützenden Betriebsmittel installiert werden. Beträgt die Leitungslänge zwischen SPD und dem zu schützenden Betriebsmittel mehr als 10 m, sollten zusätzliche Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Wie beispielsweise die Installation eines zusätzlichen SPD in unmittelbarer Nähe zu dem zu schützenden Betriebsmittel.
Anschlussleitungen von SPDs
Anschlussleitungen von SPDs sollten immer so kurz und niederimpedant wie möglich sein. Beträgt die Gesamtlänge der Anschlussleitungen von SPDs (a + b + c) mehr als 0,5 m, müssen eine oder auch mehrere Maßnahmen umgesetzt werden. Eine Maßnahme ist die Auswahl eines SPD mit einem hinreichend niedrigen Schutzpegel Up bzw. einer hinreichend niedrigen Restspannung. Eine weitere Maßnahme ist die Errichtung eines zusätzlichen SPD in der Nähe des zu schützenden Betriebsmittels. Eine dritte Maßnahme ist der V-förmige Anschluss von SPDs, wie er in der Norm beschrieben wird.
Auch bei den Mindest-Querschnitten für Anschlussleitungen gibt es neue Festlegungen: Bei L1, L2, L3 und N zum SPD sind bei Typ-1-SPD 6,0 mm² gefordert, bei Typ-2-SPD sind es 2,5 mm². Die Mindest-Querschnitte für Anschlussleitungen vom PE/PEN zum SPD betragen bei Typ-1-SPD 16,0 mm² und bei Typ-2-SPD 6,0 mm². Detaillierte Angaben über auszuwählende Querschnitte für Anschlussleitungen finden sich in der technischen Dokumentation zum jeweiligen SPD.
Überstrom-Schutzeinrichtungen
Die Selektivität von Überstrom-Schutzeinrichtungen, die einem SPD vorgelagert ist, muss ebenfalls berücksichtigt werden. Selektivität zwischen Überstrom-Schutzeinrichtungen liegt vor, wenn das Ansprechverhalten von zwei oder mehreren Überstrom-Schutzeinrichtungen so aufeinander abgestimmt ist, dass beim Auftreten von Überströmen oder Kurzschlussströmen nur die der Fehlerstelle unmittelbar vorlagerte Überstrom-Schutzeinrichtung anspricht.
Auch die Stoßstromfestigkeit von Überstrom-Schutzeinrichtungen muss mit berücksichtigt werden. Deshalb fordert DIN VDE 0100-534, dass die Strom-Bemessungswerte von Überstrom-Schutzeinrichtungen so hoch wie möglich gewählt werden sollen. In der Praxis wird häufig eine Überstrom-Schutzeinrichtung vor einer SPD eingesetzt, deren Strom-Bemessungswert deutlich niedriger ist als der im Datenblatt des jeweiligen SPD angegebene maximal zulässige Bemessungswert. Die Wahl von niedrigeren Bemessungswerten ist zulässig und häufig auch normativ erforderlich – aufgrund der geforderten Selektivität von Überstrom-Schutzeinrichtungen und aufgrund von Bestimmungen zum Schutz bei Überstrom in DIN VDE 0100-430.
Anlagen mit erhöhtem Sicherheitsbedürfnis
Anlagen nach DIN VDE 0100-443 – gemäß der oben beschriebenen Fälle 1) bis 5) – sind Anlagen mit „erhöhtem Sicherheitsbedürfnis“. Hierfür werden Einrichtungen zum Überspannungsschutz mit erhöhtem Nenn-Ableitstoßstrom gefordert. Das Typ-2-SPD mit der Bezeichnung VAL-SEC-T2-3S-350/40-FM von Phoenix Contact erfüllt die erhöhten Anforderungen an den Nenn-Ableitstoßstrom – und spart dabei Platz im Schaltschrank. Die einzelnen Schutzstecker können komfortabel mit dem Checkmaster – einem automatischen Hochspannungs-Prüfgerät für SPDs – geprüft werden. ge
PLUS
Blitz- und Überspannungsschutz – die neuen Normen
DIN VDE 0100-443 (2016-10)
Errichten von Niederspannungsanlagen – Schutzmaßnahmen – Schutz bei Störspannungen und elektromagnetischen Störgrößen – Schutz bei transienten Überspannungen infolge
atmosphärischer Einflüsse oder von Schaltvorgängen
DIN VDE 0100-534 (2016-10)
Errichten von Niederspannungsanlagen – Auswahl und
Errichtung elektrischer Betriebsmittel – Trennen, Schalten und Steuern – Überspannungsschutzeinrichtungen (SPDs)