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Die Renaissance der Gleichspannung

Energieerzeugung, -verteilung und -nutzung effizienter gestalten
Die Renaissance der Gleichspannung

Unternehmen wie Lapp und Bachmann, die TU Ilmenau sowie der Verband der Elektrotechnik beschäftigen sich derzeit intensiv mit dem Thema Gleichspannung in Industrie und Gebäudeinstallationen. Ein Umstieg von AC- auf DC-Netze könnte zu großen Effizienzsteigerungen führen. Allerdings mangelt es oft noch an Erfahrungswerten im industriellen Umgang, und der Umstand, dass Gleichspannungen nicht zweimal im 50-Hz-Takt einen Nulldurchgang aufweisen, bereitet beispielsweise beim Schalten Probleme.

Mit Hauptsitz in Stuttgart entwickelt, produziert und vertreibt Bachmann weltweit elektrotechnische Komponenten und Systeme. In Zusammenhang mit der effizienten Nutzung von regenerativen Energien und der damit gerade aufkommenden Trendwende hin zur Gleichspannung übernimmt das Unternehmen eine Vorreiterrolle. Bachmann betreibt nicht nur das hauseigene IT-Equipment, die Klimatechnik und die Beleuchtung mit 380 V Gleichspannung, sondern hat auch die eigene Produktserie Power Distribution Units (PDUs) für die Stromversorgung von Serverracks in Rechenzentren um Gleichspannungs-PDUs erweitert, die auf 380 VDC basieren. Zudem werden derzeit gemeinsam mit ausgewählten Endkunden Praxistests mit autarken, akku-betriebenen Schreibtischen und Präsentations-Displays auf Basis von 24/48 VDC durchgeführt. Doch warum sollten Unternehmen bei der Energieversorgung der eigenen Gebäude und in Folge bei den produzierten Produkten auf Gleichspannung setzen?

Lag Edison tatsächlich falsch?

Fragen wie diese wurden im Rahmen der diesjährigen Fachpressetage von Lapp eingehend beleuchtet. Georg Stawowy, Vorstand und CTO der Lapp Holding, brachte den Teilnehmern dabei unter anderem die Geschichte der Stromverteilung näher: Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigte sich Thomas Edison zunächst zusammen mit seinem Mitarbeiter Nikola Tesla mit Gleichspannungen. Nach einem Streit wechselte Tesla zu Edisons Konkurrenten George Westinghouse, der die Wechselstromtechnik voranbringen wollte. Es folgten einige Jahre der Weiterentwicklung sowie die Erkenntnis, dass Wechselspannung mittels Transformatoren in andere Spannungsebenen umwandelbar war. Durch diese Transformation kann die Energie über große Entfernungen übertragen werden. Schließlich wurde die Weltausstellung 1893 in Chicago mit Wechselstrom erleuchtet und damit endgültig der AC-Siegeszug des 20. Jahrhunderts eingeläutet. 86 Jahre nach Edisons Tod deutet sich nun an, dass er vielleicht doch nicht so falsch lag. Dipl.-Ing. Tilo Püschel, bei Bachmann für das Business Development zuständig, führte dazu in seinem Vortrag aus, dass die Leistungselektronik inzwischen umfangreiche Möglichkeiten bietet, auch Gleichspannungen für Übertragungen über weite Strecken nahezu verlustfrei umzuwandeln. Dies eröffnet gerade im Bereich der erneuerbaren Energien Möglichkeiten für effektivere Systeme, weshalb Georg Stawowy anmerkte: „Wir bei Lapp sehen großes Potenzial bei Gleichspannungsanwendungen.“

Probleme bei der Nutzung
von regenerativen Energien

Viele erneuerbare Energiequellen wie Photovoltaik, Brennstoffzellen oder Energierückgewinnungssysteme erzeugen Gleichspannungen, während klassische Methoden wie Kohle-, Atom- aber auch Wasserkraftwerke Wechselspannungen liefern. Zur Einspeisung der Gleichspannungen ins allgemeine Stromnetz muss eine DC/AC-Umwandlung erfolgen – der erste einer Vielzahl von Wandlungsprozessen zwischen AC und DC, die für die Funktionalität des Gesamtsystems notwendig sind. Am Beispiel einer Standard-Photovoltaikanlage wird die fehlende Effizienz dieser Vorgänge deutlich: Die produzierte Gleichspannung wird mittels eines Wechselrichters umgewandelt und entweder als überschüssige Energie dem öffentlichen Stromnetz zugeführt, in Akkusystemen zur besseren Speicherung wieder gleichgerichtet oder direkt in Endverbrauchern genutzt. Wenn es sich dabei etwa
um IT-Equipment, LED-Beleuchtungen oder Smartphones handelt, benötigen diese ihrerseits wieder Gleichspannung. Während Wechselrichter die aus Speichern abgerufenen Gleichspannungen an die allgemeine Netzfrequenz von 50 Hz anpassen, erfolgt die Umwandlung von AC zu DC für die Verbraucher in den entsprechen Netzteilen. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass die Wechselspannung inzwischen häufig nur noch für den Energietransport innerhalb des Gesamtsystems genutzt wird.

Direkt genutzte
Energie ist effizienter

Für einen exakten Vergleich der Effizienz zwischen einer Gleich- und einer Wechselspannungsinstallation müssten beide Systeme unter gleichen Bedingungen parallel betrieben und messtechnisch erfasst werden. Der dafür notwendige Aufwand ist recht hoch. Deshalb hat sich Bachmann für einen Vergleich von Beispielsystemen darauf beschränkt, die Angaben zum Wirkungsgrad verschiedener Hersteller von Netzteilen, Photovoltaikanlagen, Wechselrichtern, etc. zu verwenden: Im AC-System wird Energie von einer Photovoltaikanlage über einen Wechselrichter in einen Speicher geleitet, der seinerseits Energie für ein Netzteil und daran anschließend für den 5 bis 24 VDC-Beispiel-Verbraucher liefert. Während dieses Vorgangs erfolgen drei Wandlungsprozesse von DC zu AC beziehungsweise von AC zu DC und der Gesamtwirkungsgrad beträgt 78 %. Im DC-System sorgt ein Gleichspannungswandler für das Maximum Power Point Tracking (MPPT), also die Anpassung der elektrischen Belastung der Photovoltaikanlage, sodass die größtmögliche Leistung entnommen werden kann. Der nachgeschaltete Speicher speist das Netzgerät und schließlich den Verbraucher. Dabei werden zwar DC/DC-Anpassungen vorgenommen, es ist aber keine AC/DC- oder DC/AC-Wandlung notwendig und der Gesamtwirkungsgrad ist mit 88 % um 10 % höher als beim AC-System.

Auch Georg Stawowy zeigt am Beispiel Deutschlands, dass Gleichspannungsnetze Vorteile bieten können. Zu der Zeit, als Kohle- und Kernkraftwerke Wechselstrom ins Netz speisten und Staubsauger und Glühbirnen diesen auch direkt verwerteten, lag demnach der Gesamtwirkungsgrad der Versorgung des Landes mit elektrischer Energie bei etwa 65 %. Inzwischen gehen nicht nur 35 % beispielsweise durch Wärmeverluste verloren, sondern durch Umwandlungsverluste sogar noch mehr. Dadurch, schätzt Stawowy, liegt der Wirkungsgrad des Energienetzes derzeit bei etwa 56 % – und er wird weiter sinken, wenn nicht umgedacht wird.

Erhebliche Einsparpotenziale

„Mit dem Begriff Energiewende verbinden viele Deutsche die Umstellung auf regenerative Energien“, erklärt Guido Ege, Leiter Produktmanagement und Produktentwicklung bei Lapp. „Dabei liegen erhebliche, aber oft übersehene Potenziale für die Umstellung auf eine nachhaltige Energieversorgung nicht in der Erzeugung von Strom, sondern in dessen Einsparung.“ Demnach wird 48 % des Nettostroms in Deutschland – rund 250 TWh pro Jahr – in der Industrie verbraucht. Und davon wiederum fast 70 % von elektrischen Antrieben. Sie stellen damit den größten Stellhebel zur Energieeinsparung dar. Neben Energiesparmotoren bieten dabei besonders die Frequenzumrichter für die Drehzahlregelungen Einsparpotenzial. Sie arbeiten im Zwischenkreis mit Gleichspannung, die durch das Gleichrichten von Wechselspannung erzeugt werden muss – was neben den bereits näher erläuterten Wandlungsverlusten auch zu Rückwirkungen auf das Netz durch Oberschwingungen führt, die das Netz instabil machen. Alternativ könnte man die Energie direkt als Gleichspannung einfließen lassen. Ideal wäre dafür ein Gleichspannungsnetz mit 380 V, da die Zwischenkreisspannungen üblicherweise zwischen 350 und 400 V betragen.

Lapp setzt auf Forschungsprojekt

Mit solchen Szenarien beschäftigt sich das Forschungsprojekt DC-Industrie, das im
6. Energieforschungsprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gefördert wird. Daran beteiligt sind 15 Verbundpartner sowie elf assoziierte Partner – als assoziierter Partner auch die Lapp-Gruppe. Ziel des Projekts ist ein intelligentes, offenes DC-Netz in der Industrie für hocheffiziente Systemlösungen mit elektrischen Antrieben. Erprobt werden in diesem Rahmen das Netzmanagement und die Integration verschiedener Erzeuger und Verbraucher. So soll eine Einschätzung möglich sein, ob die anvisierten Energieeinsparungsziele im zweistelligen Prozentbereich erreicht werden können. Lapp stellt in diesem Zusammenhang für Gleichspannungen geeignete Kabel für Versuchszwecke zur Verfügung. „Durch unsere Mitwirkung am Projekt wollen wir die Anforderungen an Kabel und Leitungen für Gleichspannungen besser verstehen“, erläutert Ege.

Ganz neu ist das Thema Gleichspannungsanwendungen für Lapp nicht. Mit der Produktreihe Ölflex Solar, den von Lapp
Systems entwickelten Ladesystemen für Elektro- und Hybridfahrzeuge sowie einem neuen Produktionsverfahren, das organische Photovoltaikmodule mit dünnen Kabeln feuchtigkeitsdicht verbindet, wurden bereits erste Erfahrungen gesammelt. Und mit der Ölflex DC 130H hat das Unternehmen bereits ein Kabel im Programm, das eigens für Gleichspannungen bis 600 V ausgelegt ist. Die Farben der Aderisolationen und der gelbe Mantel entsprechen dem ersten Normenentwurf des VDE.

Normen und Lichtbögen

Der Verband der Elektrotechnik hat nicht nur diesen Normenentwurf sondern eine ganze Normungs-Roadmap für den Bereich der Nieder-Gleichspannung erarbeitet, die zahlreiche Handlungsempfehlungen enthält. Dazu gehören Produktstandards mit Schutzeinrichtung für Fehlerstrom und Fehlerlichtbogen, die Anwendung von harmonisierten EMV-Normen auf Gleichspannungs-Betriebsmittel, eine getrennte Verlegung von AC- und DC-Stromkreisen, eigene Farbcodes für Gleichspannungskabel, die Festlegung von Spannungsebenen sowie Installationsrichtlinien. Die Normungsexperten müssen sich hier mit ganz praktischen Anforderungen auseinandersetzen. Zum Beispiel sollte der Anwender einen Stecker auch unter Last aus der Steckdose ziehen können. Bei herkömmlichen Wechselspannungssteckern sorgt die Physik durch den zweimal im 50-Hz-Takt erfolgenden Nulldurchgang der Frequenz dafür, dass keine Spannung mehr anliegt und ein Lichtbogen von selbst verlöscht. Im Gegensatz dazu muss bei Gleichspannung sichergestellt werden, dass die Steckdose beim Ziehen des Steckers spannungsfrei ist und eine technische Vorrichtung den entstehenden Lichtbogen sicher löscht.

Auch in diesem Zusammenhang machen sich die Entwickler bei Lapp bereits Gedanken. Prinzipiell eignen sich Kabel sowohl für Wechsel- als auch für Gleichspannungen. Bekanntes Wissen und Modelle zur Alterung von Kabeln lassen sich aber vermutlich nicht vollständig übertragen. Laborversuche von Prof. Frank Berger an der TU Ilmenau in Zusammenarbeit mit der Lapp-Gruppe deuten darauf hin, dass die elektrischen Felder durch Gleichspannung andere physikalisch-chemische Wirkungen auf den Kunststoff des Kabelmantels haben als bei Wechselspannung. Außerdem hat sich gezeigt, dass sich die Wirksamkeit der Isolationsmaterialien bei verschiedenen Temperaturen unter Gleichspannung unterschiedlich verhält. Georg Stawowy dazu: „Die möglichen Auswirkungen auf Kabel im Niederspannungsbereich wurden bisher nicht ausreichend betrachtet. Da bringen wir unser umfangreiches Know-how ein.“ Hier sind auch die Normungsgremien gefordert, denn bisher erfolgen Langzeittests von Kabeln ohne dass Spannung angelegt wird. Bei Gleichspannung würde dieses Vorgehen möglicherweise zu einer falschen Beurteilung des Alterungsprozesses führen. Weitere Versuche sollen nun Auskunft geben, ob noch weitere Faktoren wie umgebende Medien oder mechanische Einflüsse wie Biegeradien eine Rolle spielen. ik

www.lappkabel.de

www.bachmann.com

www.tu-ilmenau.de


info

Nähere Informationen zum Fachgebiet Elektrische Geräte und Anlagen an der TU Ilmenau:

http://hier.pro/6zhXC

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