Inhaltsverzeichnis
1. Zukunft der industriellen Kommunikation
2. Erst die Normierung schafft Sicherheit
3. Use Case Factory Automation
Die Vorteile des Single Pair Ethernet (SPE) liegen auf der Hand: weniger Rohstoffeinsatz bei den Kupferadern, geringeres Gewicht in der Handhabung, kompaktere Kabeltrassen in der Gebäude- und Anlagenverkabelung. All das sind unbestreitbar echte Vorteile – gegenüber dem achtadrigen Ethernet oder der Feldbusverkabelung. Aber in welchen Szenarien kommen diese Vorteile zum Tragen? Was ist wirklich erforderlich, damit SPE zur DNA des Industrial Internet of Things (IIoT) werden kann?
Zukunft der industriellen Kommunikation
Das IIoT ist die Vision einer vollständig vernetzten industriellen Produktion, in der die Anzahl der Teilnehmer kaum begrenzt ist und die Datenmengen in kaum vorstellbare Dimensionen wachsen. Die Kommunikation ist undenkbar ohne eine gemeinsame Sprache und ohne gemeinsames Regelwerk. Das Industrial Internet of Things kennt jedoch eine derartige Ordnung: das Ethernet-Protokoll. Als Kommunikationsprotokoll für den Datenaustausch definiert es exakt die oben genannten Rahmenbedingungen. Bereits seit den 1970er Jahren ist das Ethernet zur firmeninternen und lokal begrenzten Übertragung von Datenpaketen in kabelgebundenen Computernetzwerken etabliert. Bisher drang es jedoch kaum in die unterste Feldebene vor. Die bestehende Feldverkabelung, die Geräteschnittstellen sowie die Geräte selbst wurden bisher hardwareseitig für die Feldbus-Kommunikation ausgelegt.
Es zeigt sich deutlich, dass es sich beim Single Pair Ethernet noch um eine Zukunftsvision handelt – aber auch beim Konzept des IIoT steht das Visionäre ja noch im Vordergrund. Die kommenden drei bis fünf Jahre werden allerdings richtungsweisend für beide Visionen sein. Und in der Tat bedingen sich beide gegenseitig. Denn das Single Pair Ethernet umfasst nicht nur das Kommunikationsprotokoll, sondern auch dessen physikalische Übertragungswege – den so genannten Physical Layer. Ähnliche Definitionen werden nicht nur für das Single Pair Ethernet erarbeitet, sondern auch für andere Anwendungen wie beispielsweise die Funkübertragung (5G), die Datenübertragung in der Prozessindustrie und im Großanlagenbau (APL – advanced physical layer) oder Echtzeitkommunikation (TSN – time sensitive networking). Damit wird schon heute der Grundstein für eine ganz neue Netzwerkarchitektur gelegt.
Erst die Normierung schafft Sicherheit
Ausgangspunkt für die aktuell entwickelten SPE-Normen ist der offene BroadR-Reach-Standard von 2011. Ursprünglich von der Broadcom Corporation entwickelt und an Teilnehmer der Open Alliance SIG lizensiert, beschreibt der Standard physikalische Schnittstellen und Übertragungsmedien in Automobilanwendungen. Im Kern geht es dabei um die Datenübertragung über ein einziges, verdrilltes Aderpaar. Hier liegt also die eigentliche Geburtsstunde des Single Pair Ethernet – wenn auch noch nicht unter diesem Namen.
Die IEEE 802.3 hat bezüglich der Normierung der Steckverbinder für das Single Pair Ethernet der ISO/IEC JTC 1/SC 25 WG 3 einen Arbeitsauftrag erteilt, um entsprechende Steckverbinder vorzuschlagen und zu standardisieren. Dabei kommt es darauf an, die entsprechenden MICE-Klassen für die unterschiedlichen Applikationen in Büro- und Industrieumgebung zu berücksichtigen. MICE beschreibt die mechanischen Eigenschaften, die Dichtigkeitseigenschaften, die klimatischen Eigenschaften und die elektromagnetischen Eigenschaften der Steckverbinder und Kabel (MICE-Klassen: Mechanical, Ingress, Climatic, Electromagnetic). Seit 2017 wurden dann in der Normenreihe IEC 63171 neue Normen zusammengefasst, die physikalische Schnittstellen für unterschiedliche IP-Schutzarten und damit unterschiedliche Einsatzbereiche in der industriellen und semi-industriellen Automatisierung beschreiben.
Die IEC 63171 umfasst eine Basisnorm, die alle Steckverbinder erfüllen müssen. Darunter gliedert sich die Norm in aktuell sechs Standardisierungsvarianten mit unterschiedlichen Steckverbindern, die allesamt für das Single Pair Ethernet geeignet und zugelassen sind. Keiner dieser Standards wurde bereits veröffentlicht. Daher kann in Bezug auf deren Definitionsrahmen – die physikalischen Übertragungswege – derzeit auch noch nicht von einem Standard gesprochen werden. Eine Empfehlung der IEEE für zwei dieser Standards in Kombination mit dem entsprechenden Einsatzgebiet – Gebäude- und industrielle Verkabelung – wurde jüngst wieder revidiert. Erst mit Prüfung und Veröffentlichung der endgültigen Norm sowie der breiten Akzeptanz am Markt kann sich hier ein Standard etablieren.
Use Case Factory Automation
Aktuelle Gerätegenerationen, Schnittstellen und Verkabelungskonzepte sind von den Standardisierungsbemühungen also nicht unmittelbar betroffen. Hersteller von Sensoren und Aktoren sowie von Steuerungen und Feldgeräten beschäftigen sich jedoch schon heute im Design-in-Prozess mit der Geräte-Generation, die erst in zwei bis drei Jahren Marktreife erlangt. Die durchgängige Ethernet-basierte Kommunikationsstruktur ist gerade für Hersteller von Feldgeräten schon heute ein wichtiges Argument. Auch die hohen Übertragungsdistanzen von bis zu 1.000 m sowie die Möglichkeit, Daten und Leistung von bis zu 60 W über nur ein Aderpaar (PoDL – Power over Dataline) zu übertragen, sind Schlüsselargumente für SPE in zukünftigen Gerätegenerationen.
Phoenix Contact bietet mit seinem Steckverbinderkonzept ein durchgängiges steckkompatibles System an, das es dem Gerätehersteller erlaubt, möglichst kleine Geräte zu bauen. Es basiert auf IEC 63171-2 für IP20-Applikationen in der Gebäude- und Schaltschrankverkabelung und auf IEC 63171-5 für IP67-Applikationen in der Feldebene der industriellen Anwendungen. Außerdem treibt Phoenix Contact die Normierung der entsprechenden Schnittstellen voran. Gemeinsam mit anderen Marktbegleitern – Belden, Fluke Networks, Reichle & De-Massari, Weidmüller – entwickelt der Anschlusstechnik-Spezialist geschützte und ungeschützte Steckgesichter für einpaarige und vierpaarige Leitungen.
Auch der Wunsch nach Kostenersparnis treibt die Reduzierung auf nur ein Aderpaar maßgeblich voran. Ein im oben erwähnten Konsortium entwickelter Use Case für den Bereich Factory Automation zeigt, dass SPE mögliche Kosteneinsparungen von mehr als 25 % mit sich bringt. Die Kosteneinsparungen liegen nur begrenzt bei den Komponenten, sondern vielmehr in der konsequenten Nutzung der SPE-Technologie. Alle Komponenten der Maschine können dann digital miteinander kommunizieren. Darin liegt der eigentliche Vorteil bei der Kosten-Nutzen-Analyse, denn der Status jeder einzelnen Komponente der Maschine kann jederzeit und von jedem Ort abgerufen werden. ge
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