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Was leistet der Standard Ethernet-10BASE-T1L

Ethernet auch mit verdrilltem Klingeldraht bis 700 m Länge
Was leistet Ethernet 10BASE-T1L?

Nicht nur im industriellen Bereich, auch in der Prozessautomation nimmt die Daten-Kommunikation eine zunehmend wichtige Rolle ein. Bisherige 4-bis-20-mA- oder Feldbusanwendungen sind aufgrund der zunehmenden Datenmengen an ihre Grenzen gestoßen, sodass sich auch in der Prozesstechnik Ethernet als Standard herauskristallisiert hat. Aus der 4-Draht-Ethernet-Lösung hat sich mit 10BASE-T1Leine 2-Draht-Lösung entwickelt.

 

Thomas Brand und Thomas Tzscheetzsch, Analog Devices GmbH, München

Inhaltsverzeichnis
1. Was bedeutet 10BASE-T1L?
2. 10BASE-T1L im OSI-Schichtenmodell
3. 10BASE-T1L in der bestehenden Infrastruktur
4. 10BASE-T1L ermöglicht zwei Amplituden
5. Welche Vorteile bietet 10BASE-T1L?
6. 10BASE-T1L in Kombination mit Switch-Bausteinen
7. Strom- und Spannungsversorgung über 10BASE-T1L

10BASE-T1L besteht aus einem einzigen Paar verdrillter Leitungen und wird als Single-Pair-Ethernet (SPE) bezeichnet. 10BASE-T1L ist oberhalb der Bit-Übertragungsschicht bzw. des Physical Layers kompatibel zu bestehenden Industrial-Ethernet-Technologien mit 100 bzw. 1000 Mbit/s und bildet somit eine Ergänzung.10BASE-T1L hat sich als Ethernet APL in der Prozessautomation zu einem Standard etabliert und bietet das Potenzial, die Prozessautomation weitreichend zu verändern. Gerade hier sind Sensoren und Aktoren bislang üblicherweise über eine 4-bis-20-mA-Analogschnittstelle oder einen Feldbus angebunden. Anders als im Maschinenbau oder in der Fabrikautomation befinden sich diese Sensoren und Aktoren in der Prozessautomation meist in einiger Distanz zur Steuerung oder den Remote-IO-Systemen. Dabei sind Entfernungen von 200 bis 1000 m und mehr üblich.

Was bedeutet 10BASE-T1L?

Bereits der Name 10BASE-T1L erklärt, worum es sich handelt. Hier werden Abkürzungen der IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) verwendet: Die 10 im Medien-Typ referenziert auf eine Übertragungsrate von 10 Mbit/s. Das BASE bezieht sich auf Basisband-Signale und bedeutet, dass sich ausschließlich Ethernet-Signale über das Medium transportieren lassen. Das T steht für Twisted Pair. Die Ziffer 1 steht für 1 Paar verdrillter Drähte. In diesem Fall folgt noch ein L für Long Range, was bedeutet, dass hier Segmentlängen von 1 km möglich sind.

10BASE-T1L-Kommunikationstechnologien.jpg
Übersicht der verschiedenen Kommunikationstechnologien in der Prozessautomatisierung.
Tabelle: Analog Devices

Es existieren auch noch weitere Netzwerktechnologien wie 10BASE-2 (dünnes Koaxialkabel mit einer maximalen Segmentlänge von 185 m), 10BASE-5 (dickes Koaxialkabel mit einer maximalen Segmentlänge von 500 m), 10BASE-F (Fibre-Optic-Kabel) oder auch 10BASE-36 (Breitband-Koaxialkabel, mit mehreren Basisband-Kanälen, die maximale Segmentlänge beträgt hier 3600 m).

10BASE-T1L im OSI-Schichtenmodell

10BASE-T1L bietet die Möglichkeit, unter Verwendung der bestehende Zweidraht-Infrastruktur Leitungslängen bis zu 1000 m bei einer Übertragungsgeschwindigkeit von 10 Mbit/s zu realisieren. Die physische Ethernet-Technologie wird ausschließlich in Schicht bzw. Layer 1 (Bitübertragungsschicht bzw. Physical Layer) des OSI-Modells (Open System Interconnect) definiert. Oberhalb der Bitübertragungsschicht unterstützt 10BASE-T1L neben den gängigen Ethernet-Protokollen wie Profinet, Modbus, usw., auch andere, vor allem in der Gebäudetechnik verbreitete Bussysteme wie Bacnet oder KNX. Die Implementierung von 10BASE-T1L erfolgt mithilfe eines speziellen Ethernet-PHY in Layer 1. Die Ethernet-Frames werden über das Media-Independent Interface (MII), Reduced MII (RMII) oder Reduced Gigabit MII (RGMII) zwischen MAC und PHY übertragen.

Die MAC ist durch den Ethernet-Standard IEEE-802.3 definiert und in der Datenverbindungsschicht (Layer 2) implementiert. Der PHY bildet die physische Schnittstelle und übernimmt die Kodierung und Dekodierung der Daten zwischen dem Übertragungsmedium und dem digitalen System.

10BASE-T1L in der bestehenden Infrastruktur

Obwohl sich 10BASE-T1L in der Prozessautomation durchsetzen wird, bedeutet dies nicht, dass ältere per 4-20-mA-Stromschleife angeschlossenen Feldinstrumente durch 10BASE-T1L-fähigen Feldinstrumente ersetzt werden müssen. Diese herkömmlichen Geräte lassen sich über softwarekonfigurierbare E/A-Bausteine (SWIO) anschließen, während Remote-I/Os als Sammelpunkt für die Verbindung mit einem 10-Mbit-Ethernet-Uplink zur SPS dienen.

10BASE-T1L-Feldinstrumente.jpg
Exemplarischer Aufbau mit herkömmlichen und 10BASE-T1L-fähigen Feldinstrumenten.
Bild: Analog Devices

SWIO-Bausteine verfügen über konfigurierbare Kanäle, die ein schnelles, einfaches und ferngesteuertes Arbeiten ermöglichen, ohne dass eine umfangreiche Neuverdrahtung erforderlich ist. Die Kanäle können entweder als Eingang, Ausgang sowohl für Ströme und Spannungen oder digital und analog konfiguriert werden. Teilweise besteht die Anforderung, dass sowohl Versorgung der Geräte als auch deren Daten über 10BASE-T1L bereitgestellt wird. Dies ist als Teil des Standards definiert.

10BASE-T1L ermöglicht zwei Amplituden

10BASE-T1L ermöglicht zwei Amplitudenbetriebsarten: 2,4 V bis 1000 m Kabellänge und 1 V bei geringeren Entfernungen bis zu 200 m. Durch die 1,0-V-Spitzenamplitudenbetriebsart kann diese Technologie auch in explosionsgeschützten (Ex) Umgebungen eingesetzt werden und erfüllt dabei die strengen Anforderungen an den maximalen Energieverbrauch. Ethernet APL (Advanced Physical Layer) wurde auf der Grundlage von 10BASE-T1L spezifiziert, die den eigensicheren Betrieb in der Prozessautomatisierung definiert.

Ethernet APL ermöglicht ebenso den Übergang zu nahtlosen Prozessautomations-Installationen mit Feld-zu-Cloud-Verbindungen, einschließlich explosionsgefährdeter Bereiche für Installationen der Lebensmittel- und Getränke-, Pharma- sowie Öl- und Gasbranchen. Darüber hinaus definiert APL auch die Leistungsversorgungsklassen über die einzelnen Zweidrahtleitungen.

Bei 10BASE-T1L ist kein konkretes Übertragungsmedium definiert. Es werden lediglich die Anforderungen an Rückfluss- und Einfügedämpfung der Kabel vorgeschrieben. Beispielsweise eignen sich gut Feldbus-Typ-A-Kabel, weshalb sich einige der bereits installieren 4-20-mA-Kabel nutzen lassen. 10BASE-T1L funktioniert mit einem symmetrischen Leitungspaar bei bis zu 1000 m Kabellänge ohne Probleme. Aber auch mit einem verdrillten Klingeldraht bei über 700 m, und das mit verschiedenen Steckverbinder, Schraubterminals oder Lötverbindungen. Teilweise haben 10BASE-T1L-Switch-Chips integrierte Diagnosefunktionen, welche die Signalqualität über die Kabel prüfen. 10BASE-T1L ist somit eine sehr robuste Kommunikationstechnologie, bei der selbst ein Vertauschen der Drähte keine Probleme darstellt.

Welche Vorteile bietet 10BASE-T1L?

Herkömmliche 4-20-mA-HART bzw. Feldbus-Geräte haben eine limitierte Datenbandbreite von wenigen kBit/s. Mit 10BASE-T1L lassen sich Geschwindigkeiten von 10 Mbit/s erreichen. Dadurch ist es möglich, nicht nur einen Prozesswert zu übertragen, sondern auch weitere Geräteparameter wie Konfigurations- und Parametrierungsinformationen. Mögliche Software-Updates der immer komplexer werdenden Sensoren, aber auch Fehler- und Netzwerkdiagnosen wie Kurzschlüsse auf der Leitung zum Sensor können schnell über die Datenleitung vorgenommen werden. Ein weiterer Vorteil bietet der geringere Konfigurationsaufwand, da mit 10BASE-T1L keine Gateways mehr benötigt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, höhere Leistungen über die Datenleitung zu übertragen. So lassen sich im eigensicheren Bereich (Ex-Zone) 500 mW und im nicht eigensicheren Bereich sogar bis zu 60 W übertragen.

Durch die Möglichkeit der Nutzung von Ethernet-Standards wie Profinet, Ethernet/IP, HART/IP oder Modbus/TCP und IoT-Protokollen wie MQTT oder OPC UA lassen sich Feldgeräte ebenso einfach wie leistungsfähig mit einer Cloud verbinden.

10BASE-T1L in Kombination mit Switch-Bausteinen

Wie bei Standard-Ethernet gibt es auch bei 10BASE-T1L Switch bzw. Bridge-Bausteine, mit Hilfe derer verschiedene Netzwerksegmente aber auch Geräte gekoppelt werden. Es lassen sich unterschiedliche Netzwerktopologien realisieren, über die auch die Stromversorgung der angeschlossenen Geräte vorgenommen werden kann. In der Prozessautomatisierung werden Switches oftmals mit HMIs, Mikrocontroller oder der Cloud verbunden. Switches ermöglichen Medienredundanz in Form von Ringtopologien zur Erhöhung der Verfügbarkeit.

10BASE-T1L-Switch-Schaltung.jpg
Exemplarische Darstellung einer Switch-Verschaltung.
Bild: Analog Devices

Die Verbindungen zu den angeschlossenen Geräten, Sensoren und Aktoren werden in der Prozessautomatisierung als Spurs bezeichnet, wohingegen Verbindungen zwischen den Switches oder bis zur Steuerung unter der Begrifflichkeit Trunk laufen. Durch die ständig höhere Integrationsdichte von Geräten eröffnen sich weitere Möglichkeiten. Beispielsweise lässt sich ein 10BASE-T1L-Switch auch in einen Sensor integrieren, an den weitere Sensoren direkt als Trunk angebunden werden können. Über den Hostprozessor findet die Kommunikation mit einem 10BASE-T1L-fähigen Gerät statt. Dieser benötigt i.d.R. eine integrierte MAC-Funktion, ein passiver Media Converter oder ein Switch mit 10BASE-T1L-Ports.

Strom- und Spannungsversorgung über 10BASE-T1L

Der Standard 10BASE-T1L bietet neben der Kommunikation von Sensor- und Aktordaten auch die Möglichkeit, diese über die Signalleitungen mit Strom zu versorgen. Konkret kann 10BASE-T1L bis zu 60 W Leistung im nicht eigensicheren Bereich liefern. Im EX-geschützten (eigensicheren) Bereich ist die Leistung allerdings auf 500 mW begrenzt, wobei hier auch die Signalamplitude im Vergleich zu Standard-Anwendungen von 2,4 V auf 1 V reduziert wird, um den dort geltenden strikten Vorschriften für die maximale Energie gerecht zu werden. Dies hat jedoch zur Folge, dass im eigensicheren Bereich nur reduzierte Übertragungsdistanzen möglich sind. (ge)

www.analog.com

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