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Experten diskutieren mit SPE die Kommunikation der Zukunft

Experten diskutieren die industrielle Zweidraht-Kommunikation der Zukunft
Ist SPE nur ein Steckerthema?

Viele Unternehmen sehen in Single Pair Ethernet (SPE) ein zentrales Element für die Kommunikation der Zukunft und die nahtlose Umsetzung von Industrie 4.0. Mit dieser Technik der industriellen Zweidraht-Kommunikation können einerseits moderne Netzwerke aufgebaut, andererseits aber auch Industriemaschinen einfach bis zur Sensor- und Aktor-Ebene vernetzt werden. Damit SPE jedoch in der Praxis ankommt, ist ein auf offenen Standards basierendes Ökosystem erforderlich. Im Trendinterview von KEM Konstruktion diskutieren Fachleute das Thema.

 

Die Fragen stellte Andreas Gees, stv. Chefredakteur KEM Konstruktion

Inhaltsverzeichnis

1. Kompatibilität der verschiedenen Ansätze für SPE-Steckverbinder
2. SPE-Lösungen speziell für den Einsatz im Feld
3. Geräteimplementierung der SPE-Technologie
4. Weitere Schritte auf dem Weg zum Einsatz der SPE-Technologie

Kompatibilität der verschiedenen Ansätze für SPE-Steckverbinder

KEM Konstruktion: Sowohl die SPE System Alliance als auch das SPE Industrial Partner Network verfolgen das Ziel, den Knowhow-Aufbau für die SPE-Technologie zu beschleunigen. Bei den Steckverbindern für SPE verfolgen sie unterschiedliche Ansätze. Ist dabei die Kompatibilität sichergestellt?

Ruud van den Brink (TE Connectivity): Um den Know-how-Aufbau für die SPE-Technologie zu beschleunigen und eine schnelle sowie zuverlässige Implementierung in zukünftige Produkte zu ermöglichen, gibt es aktuell drei Anbietervereinigungen: das SPE Industrial Partner Network, in dem TE Connectivity Gründungsmitglied ist, das Single Pair Ethernet Consortium und die SPE System Alliance. Jede Vereinigung unterstützt eine der verschiedenen SPE-Normen, die nicht kompatibel sind. IEC 63171-6 ist die vom SPE Industrial Partner Network unterstützte Norm, die sich vor allem auf industrielle Anwendungen bezieht. Deshalb eignen sich die so definierten Steckverbinder insbesondere für die Fabrik- und die Prozessautomatisierung. Diese Norm wurde von zwei der sieben Gründungsmitglieder des SPE Industrial Partner Network, TE Connectivity und Harting, gemeinsam entwickelt und im Januar dieses Jahres veröffentlicht. Das Single Pair Ethernet Consortium setzt auf die Norm IEC 63171-1, deren Hauptanwendungsgebiet die Gebäudeautomatisierung ist. Und die dritte Anbietervereinigung, die SPE System Alliance, untertützt IEC 63171-5. Diese Norm wird noch für die Schlussabstimmung, das sogenannte FDIS, vorbereitet, wurde also noch nicht eingereicht. Das SPE Industrial Partner Network ist mit 33 Mitgliedern die größte Vereinigung und umfasst namhafte Industrieunternehmen. Als Ergebnis einer Abstimmung der nationalen Komitees von ISO/IEC JTC 1/SC 25/WG 3 verweist der letzte Entwurf eines Änderungsantrags zu ISO/IEC 11801-3 über eine allgemeine symmetrische Verkabelung industrieller Standorte auf Teil 6 und der letzte Entwurf eines Änderungsantrags zu ISO/IEC 11801-1 für eine solche Verkabelung auf die Teile 1 und 6 als bevorzugte Lösungen. Darüber hinaus werden in IEEE 802.3cg-1 und -6 Steckverbinder-Lösungen erwähnt, die für eine symmetrische Single-Pair-Ethernet-Verkabelung einzusetzen sind. Dies zeigt, dass heute den Lösungen IEC 63171-1 und -6 der Vorzug gegeben wird.

Hans-Josef Lentzen, Produktmanager Cable, Friedrich Lütze
„Genormte Steckverbinder sind eine der Voraussetzungen für die Markteinführung jeder Netzwerktechnologie“, sagt Hans-Josef Lentzen, Produktmanager Cable bei Lütze.
Bild: Lütze

Hans-Josef Lentzen (Lütze): Genau die angesprochene Kompatibilität ist das zentrale Thema. Genormte Steckverbinder sind eine der wichtigsten Voraussetzungen für die erfolgreiche Markteinführung jeder neuen Netzwerktechnologie. Dies ist auch bei Single Pair Ethernet nicht anders. Die Nennung des von der Firma Harting entwickelten T1 Industrial Steckverbinders im IEC 63171-6-Standard als das einzige für die industrielle Kommunikation normierte Steckgesicht war schließlich auch der Auslöser für Lütze, dem SPE Industrial Partner Network beizutreten und diese Technologie in Verbindung mit einem normierten Steckgesicht zu unterstützen. Die Aktivitäten der SPE System Allianz sehe ich persönlich eher kritisch, da diese den Anwender irritieren und verunsichern können. Dies kann dann wiederum zu Vorbehalten gegenüber dieser zukunftsweisenden Technologie führen.

Ralf Moebus (Lapp): Grundsätzlich sind die zugrundeliegende Ethernet-Technologie sowie die Kabel die gleichen. Unterschiede bestehen im Moment bei den verschiedenen Steckgesichtern, die von den Herstellern in die Normung eingebracht wurden. Lapp hat sich für das Steckgesicht nach IEC 61156 entschieden, welches durch das SPE Industrial Partner Network vertreten wird. Wir halten eine einheitliche standardisierte Technologie für eine schnelle Marktdurchdringung für wichtig.

Andreas Muckes, Leiter Produktmanagement, Igus
„Für uns als Leitungshersteller sind beide Steckertypen gute Lösungen, da beide mit unserer speziell für die SPE-Technologie entwickelten Chainflex-Leitung kompatibel sind“, sagt Andreas Muckes, Leiter Produktmanagement bei Igus.
Bild: Igus

Andreas Muckes (Igus): Die zwei verschiedenen Stecker sind nicht miteinander kompatibel, denn die Vorantreiber dieser Technologie – die Firmen Harting und Phoenix Contact – verfolgen hier unterschiedliche Ansätze, die verschiedene Vorteile mit sich bringen. Bei dem Stecker aus der Gruppe um Phoenix Contact ist die Packungsdichte höher, damit ist der Stecker zum Beispiel für einen Netzwerk-Switch gut geeignet, während das SPE Industrial Partner Network mit der Firma Harting auf einen flachen Stecker setzt, der für mehr Stabilität auf der Leiterplatte sorgt. Welcher Steckertyp sich letztendlich durchsetzt, wird der Markt entscheiden. Für uns als Leitungshersteller stellen beide Steckertypen gute Lösungen dar, da beide mit unserer speziell für die SPE-Technologie entwickelten Chainflex-Leitung kompatibel sind.

Verena Neuhaus (Phoenix Contact): Die SPE System Alliance ist ein offener Zusammenschluss führender Technologieunternehmen aus unterschiedlichen Branchen und Anwendungsfeldern. Alle Partner verfolgen das gemeinsame Ziel, die Single-Pair-Ethernet-Technologie zu fördern. Dazu zählt die Entwicklung aller benötigten Elemente in moderner Kommunikationstechnik. Wir betrachten demnach die gesamte Infrastruktur. Phoenix Contact, Weidmüller, Telegärtner und Reichle & DeMassari arbeiten gemeinsam an der Weiterentwicklung der Steckverbinder für Single Pair Ethernet, und unsere Zusammenarbeit in der Normierung schafft die erforderliche Sicherheit. Dass andere Unternehmen andere Steckverbinder entwickeln, ist in einer so frühen Phase einer neuen Technologie üblich und gehört zur Wettbewerbssituation dazu. Schlussendlich wird der Markt entscheiden, welcher Steckverbinder sich langfristig für SPE-Anwendungen durchsetzen wird.

Simon Seereiner (Weidmüller): Beide Steckgesichter sind nicht zueinander steckkompatibel. Die Entwickler von Weidmüller haben vor der Entwicklung die wesentlichen Eigenschaften für SPE-Steckverbinder im maschinennahen Einsatz ausgearbeitet, um industriellen Anwendungen in jeglicher Form gerecht zu werden, nach dem Motto: von der Industrie für die Industrie. So haben wir bei der Normung IEC 63171-2 und IEC 63171-5 darauf geachtet, eine möglichst kompakte, für verschiedenste Automatisierungsanforderungen geeignete Schnittstellen zu entwickeln, die nicht nur die generische Verkabelung wie beispielsweise eine Industrie-Halle bedient. Ein wesentlicher Schwerpunkt ist die Miniaturisierung: Der sehr kompakt entwickelte Steckverbinder ist nur halb so groß wie ein RJ45-Verbinder. Somit können in der Baugröße eines Standard RJ45-Leiterplattenverbinders zwei Single-Pair-Ethernet-Ports verbaut werden, was die Portdichte reell verdoppelt.

SPE-Lösungen speziell für den Einsatz im Feld

KEM Konstruktion: Die bisher vorgestellten Lösungen eignen sich vor allem für den Einsatz in Schaltschränken. Ähnlich RJ45 und M12 wäre es aber durchaus denkbar, den M8-Steckverbinder für SPE zu ertüchtigen. Gibt es Alternativen zu den vorgestellten Steckverbinder-Lösungen speziell für den Feldeinsatz bzw. sind solche Alternativen in der Diskussion?

Ruud van den Brink, Produktmanager für industrielle Kommunikation, TE Connectivity, Darmstadt
„Der M8-Steckverbinder ist Teil der IEC63171-6, als kompakte IP67-Lösung für den Einsatz in der Feldebene“, sagt Ruud van den Brink, Produktmanager für industrielle Kommunikation bei TE Connectivity.
Bild: TE Connectivity

Van den Brink: Der M8-Steckverbinder ist Teil der Norm IEC63171-6, und zwar als kompakte IP67-Lösung für den Einsatz in der Feldebene von Automatisierungsnetzwerken. Hauptgründe für die Aufnahme dieses Formfaktors in die Norm sind die Akzeptanz dieser robusten Lösung in der Industrie sowie die Hybridbauweise des Steckverbinders, die sowohl PoDL-Implementierungen als auch eine höhere Spannungsversorgung über ein separates Adernpaar ermöglicht und somit extrem kleine und kostengünstige Implementierungen von Sensoren und anderen Geräten erlaubt. Denn es ist weder eine PoDL-Hardware erforderlich noch ein zusätzlicher Steckverbinder für eine separate Spannungsversorgung des Sensors, was Platz und Kosten spart. Mit dem M8-Steckverbinder können rund 200 W bei einer Ausgangsspannung von 24 V über eine Entfernung von bis zu 40 m an Remote-Geräte übertragen werden. Dadurch ist auch dort eine Fernspeisung möglich, wo PoDL aufgrund begrenzter Energieversorgungsmöglichkeiten von maximal 12 W bei 24 V keine Option ist. Durch die effektiveren Möglichkeiten zur Spannungsvergung sind alternative Topologien wie etwa Daisy Chain möglich.

Lentzen: Das normierte T1-Industrial-Steckgesicht ist bereits heute in unterschiedlichen Varianten erhältlich. Dabei werden die Schutzarten IP20 bis IP65/67 abgedeckt. Damit ist die angesprochene Feldebene bereits heute berücksichtigt. Neben den M12-Varianten sind auch bereits M8-Varianten verfügbar. Und das ist erst der Anfang. Ich bin überzeugt, dass im Laufe der Zeit mit wachsender Verbreitung der SPE-Technologie dieses normative genannte ‚Industrial-Style‘-SPE-Steckgesicht in immer mehr Steckergehäusevarianten integriert wird und somit vielfältige Anwendungsfälle und Kundenwünsche erfüllen wird.

Moebus: In der Vergangenheit haben sich die metrischen Steckverbinder wie M12 oder M8 für den robusten Feldeinsatz bewährt und durchgesetzt. Es ist also sinnvoll, diese bewährte Technologie für SPE im IP67-Bereich zu nutzen. Ob M12 oder M8 in der jeweiligen Anwendung Sinn gibt, hängt im Wesentlichen von der notwendigen Robustheit und dem Platzangebot ab. Die jetzt in die Normung eingebrachten Steckverbinder-Varianten sind für Anwendungen innerhalb oder außerhalb des Schaltschranks vorgesehen. Des Weiteren sind Hybridvarianten mit Leistungs- und Datenübertragung in einem Kabel, jedoch über separate Kupferadern, geplant.

Muckes: Es gibt bereits erste Ansätze und Entwicklungen. So hat zum Beispiel die Firma TE Connectivity die Bauform des SPE-Industrial-Partner-Network-Steckers in ein M12-Gehäuse integriert und erste Prototypen auf der letzten SPS vorgestellt. Für M8 gibt es derzeit noch keine serienreifen Lösungen am Markt, da für Hochfrequenzen bestimmte Schirmkonzepte erforderlich sind, die eine gewisse Baugröße benötigen und erprobt werden müssen.

Verena Neuhaus, Produktmarketing Datensteckverbinder, Phoenix Contact
„Das Steckgesicht nach IEC 63171-5 für M8-Steckverbindersysteme ist vorzugsweise für den Sensorik-Bereich gedacht“, sagt Verena Neuhaus, Produktmarketing Datensteckverbinder bei Phoenix Contact.
Bild: Phoenix Contact

Neuhaus: Für die Schaltschrank-Verkabelung in IP20 wurde ein Steckgesicht gemäß IEC 63171-2 entwickelt. Es ermöglicht aufgrund seiner kompakten Maße die doppelte Portdichte im Vergleich zu RJ45-Schnittstellen. Für Industrie-Verkabelungen in IP67, die sich für den rauen Feldeinsatz eignen, wurde das Steckgesicht nach IEC 63171-5 entwickelt. Es ist vorzugsweise für M8-Steckverbindersysteme im Sensorik-Bereich gedacht. Das Steckgesicht gemäß IEC 63171-5 ermöglicht durch seine kompakte Bauform eine vollumfängliche Integration in Standard-M8-Komponenten. In der Feldebene stehen damit alle Möglichkeiten offen: fliegende Kabel-Kabel-Verbindungen ebenso wie Geräteanschlüsse mit Stift- und Buchsenkontakten. Selbst die Integration der SPE-Schnittstelle in etablierte Induktiv-Sensoren ist möglich.

Seereiner: Eine spezielle Alternative für den Feldeinsatz braucht es nicht, denn unser primärer Fokus bei der Entwicklung der Steckverbinderfamilie ist der Industrieansatz für intelligente Sensorik. Da ist der M8-Steckverbinder die Standard-Schnittstelle. Mit unserem deutlich kompakteren Steckgesicht erreichen wir eine saubere und sichere Integration in den Standard der Sensorik-Schnittstellen – den M8. Und zwar sowohl mit Steckern mit innen- und außenliegenden Gewinden, als auch Buchsen mit innen- und außenliegenden Gewinden. Das ermöglicht freie Verbindung und Kupplungen, die damit das, was wir aus der Industrie schon kennen, sauber auf eine neue Ethernet-basierte Technologie setzt. Damit können sogar die Gehäusestrukturen beibehalten werden. Durch die langjährigen Erfahrungen im Bereich der Industrie Ethernet-Steckverbinder hat Weidmüller weitergedacht – bis ins Feld. Wir stellen noch in diesem Jahr eine frei konfektionierbare Version unseres IP20-Steckverbinders vor, der das Adernpaar mit Hilfe von Schneidklemmen einfach und sicher kontaktiert.

Weniger-passive-Bauelemente.jpg
Durch die Nutzung von nur einem Leitungspaar reduziert sich die Anzahl der passiven Bauelemente auf der Leiterplatte.
Bild: Würth

Geräteimplementierung der SPE-Technologie

KEM Konstruktion: Für Komponenten-, Sensor- oder Hersteller von Automatisierungskomponenten sind mit der Einführung von SPE vielfältige Entwicklungs-Aufgaben verbunden. Wieweit ist die Technologie bereits in Geräte implementiert?

Van den Brink: Der erste und wichtigste Schritt, um die Kompatibilität zu gewährleisten, ist die Veröffentlichung einer Norm. Dies ist im Fall von IEC 63171-1 und -6 bereits geschehen. Für die Entwicklung SPE-fähiger Geräte werden neben den Steckverbindern auch Kabel, Silizium (PHY) und magnetische Bauteile benötigt. Mit dem SPE Industrial Partner Network haben wir die Partner, die an der Verfügbarkeit eines umfangreichen Portfolios von Steckverbindern, Kabeln und magnetischen Bauteilen als Teil der SPE-Gesamtlösung arbeiten. Die PHY- und Switch-Siliziumtechnologie hat sich dagegen nicht im gleichen Tempo entwickelt. Deshalb ermutigt das SPE Industrial Partner Network die PHY-Anbieter, für SPE spezielle Transceiver zu entwickeln, die alle Eigenschaften von Standard-Ethernet und Switches wie etwa Auto-Negotiation unterstützen, entweder als integrierte Lösungen oder auf der Grundlage von GMII I/F. Das Fehlen einer solchen Komponente beeinträchtigt die Verfügbarkeit von Geräten für eine Basisinfrastruktur.

Lentzen: Aus meiner Sicht als Produktmanager für den Bereich Cable bei der Friedrich Lütze GmbH sehe ich hier vor allem die Entwicklung der geeigneten Kabel bzw. Leitungen. Neben der Erfüllung der für die Übertragungseigenschaften erforderlichen elektrischen Eigenschaften legen wir als Hersteller flexibler Leitungen unser besonderes Augenmerk auf die mechanischen Eigenschaften bei bewegten Anwendungen. So bietet Lütze bereits seit Frühjahr 2019 eine schleppkettentaugliche Single-Pair-Ethernet-Leitung im Produkt- und Lagerprogramm.

Moebus: Wir hatten bei den Kabeln schon sehr früh Produkte in der Entwicklung, die nun verfügbar sind. Hier war die Normenseite früh klar. Für die Entwicklung weiterer Produkte wie Kabelkonfektionen oder Ethernet-Switches benötigen wir Klarheit bei den Steckverbindern – welcher Standard setzt sich durch? Um diesen Prozess zu beschleunigen, sind wir Mitglied im SPE Industrial Partner Network geworden. Aber auch auf Seiten der Feldbus Nutzerorganisationen ist noch Arbeit zu tun: Anwendungsfälle oder Installationsrichtlinien für die Industrie müssen erarbeitet werden, wie SPE in die Netzwerke integriert wird. Erste Schritte wurden durch Gründung von Arbeitsgruppen bei PI und ODVA getan.

Muckes: Seit mehr als 25 Jahren stellt Igus bereits Leitungen speziell für den Einsatz in der Bewegung her. Die Kunden bekommen bei uns Leitungslösungen, so auch die SPE-Leitung, die garantiert hält und in unserem 3.800 Quadratmeter großen Testlabor in unterschiedlichsten Bewegungsarten getestet ist. Bei der SPE-Technologie stellt sich nun jedoch die Frage, was muss die Leitung genau mechanisch können? In welchen Anwendungen kommt sie zum Einsatz? Denn wir möchten mit unterschiedlichen Leitungsqualitäten dem Anwender die technisch beste, aber auch gleichzeitig kostengünstige Lösung bieten. Die aktuelle SPE-Leitung hat einen PUR-Mantel, damit können wir bereits viele mögliche Anwendungsfelder abdecken. Unsere Aufgabe es ist derzeit zu beobachten, welche Bewegungsanwendungen in welchen Branchen mit SPE umgesetzt werden und wie wir unsere Leitung entsprechend mechanisch weiter optimieren können.

SPE-Steckverbinder
Steckgesicht für Single Pair Ethernet (SPE)
Bild: Phoenix Contact

Neuhaus: Die Entwicklung des Single Pair Ethernets beginnt in der Automobilbranche, wo immer kleinere und leistungsfähigere Geräte benötigt werden. Single Pair Ethernet eignet sich aber auch ideal für Infrastruktur-Anwendungen im Maschinen- und Anlagenbau, in der Prozesstechnik und in der Gebäudeinfrastruktur. Der große Vorteil: Single Pair Ethernet ist umgebungsneutral, sodass Feldgeräte, Sensoren und Aktoren einfach in eine bestehende Ethernet-Umgebung eingebunden werden können. Der Start ist gemacht – jetzt sind die ersten Steckverbinder und Chipsätze für SPE-Applikationen im industriellen Umfeld auf dem Markt, und die Gerätehersteller können mit der Implementierung der Komponenten beginnen. Eine der größten Herausforderungen wird sicherlich sein, dass die Infrastruktur auch parallel wächst, damit Geräte, die für die gleiche Applikation gedacht sind, auch miteinander kommunizieren können.

Seereiner: Gerade im Bereich der Nutzerorganisation wie der PNO oder auch der ODVA kommen Automatisierungsspezialisten zusammen, um über die Implementierung von Single Pair Ethernet in ihre Geräte zu beraten. Natürlich sind noch viele Fragen ungeklärt, es geht ja nicht einfach: Ethernet raus, SPE rein. Hier müssen technische Anforderungen wie beispielsweise ein erhöhter Energiebedarf ausgearbeitet werden. Auch gibt es noch Diskussionen hinsichtlich Point-to-Point- und Multi-Drop-Anwendungen. Aber mit einem Partnernetzwerk, bestehend aus allen Beteiligten des Ökosystems, wie PHY-Hersteller, Sensorhersteller, Gerätehersteller, Kabelhersteller und auch Steckverbinderhersteller, in Verbindung mit Messgerätehersteller, bis hin zu Bildungseinrichtungen können Anwender sicher sein, dass die Technologie in Gänze getrieben wird (und nicht nur ein Steckgesicht).

Weitere Schritte auf dem Weg zum Einsatz der SPE-Technologie

KEM Konstruktion: Um SPE auf breiter Front nutzen zu können, ist ein komplettes Ökosystem erforderlich. Was ist Ihrer Meinung nach noch an Entwicklungs- bzw. Standardisierungsarbeit zu leisten, damit die Technologie schnell Akzeptanz in der Praxis findet? Wann ist mit ersten Applikationen zu rechnen?

Van den Brink: Um eine komplette Lösung zu realisieren, sind noch wichtige Schritte von den Anbietern für Siliziumtechnologie erforderlich. Die Entwicklung von Systemen mit dieser Technologie ist mit den ersten Prototypen, die voraussichtlich Anfang 2021 fertig sein werden, auf einem guten Weg. Allerdings werden für diese meist vorläufige Siliziumlösungen verwendet, die ursprünglich für den Einsatz im Automobilbereich vorgesehen waren. Der Anschluss an bestehende Ethernet-Technologien wie RJ45 und M12 erfolgt mit Medienkonvertern. Die Markteinführung, die etwa von der breiten Akzeptanz sowie von kundenspezifischen Anwendungen und Anwendergruppen wie der PNO und der ODVA vorangetrieben wird, wird voraussichtlich 2022/2023 erfolgen.

Lentzen: Wie eigentlich immer im Netzwerkbereich ist hier eine breite und gesicherte Verfügbarkeit der aktiven Komponenten erforderlich. Das betrifft einerseits Switches und Medienkonverter, andererseits natürlich auch die Sensoren und Aktoren. Aus unserer Sicht ist gerade in dem Segment der Aktor-/Sensoranbindung ein weites Einsatzfeld für die SPE-Technologie zu finden. Die normative Basis für SPE ist bereits sehr weit fortgeschritten. Die notwendigen Protokollstandards von 10 Mbit/s bis hoch zu 10 Gbit/s sind von IEEE802.3 final publiziert. Die dort als Geräteschnittstelle präferierten Interfaces, wie der sogenannte LC Style nach IEC 63171-1 für den Gebäude und Rechenzentrumsmarkt sowie der oben erwähnte Industrial Style nach IEC 63171-6 sind final veröffentlicht und werden von einer Reihe namhafter Hersteller umgesetzt. Diese Steckverbinder wurden von den internationalen Verkabelungsgremien in öffentlichen, transparenten und technisch ausgerichteten Auswahlprozessen bestätigt und werden jetzt in die Normenreihen IEC 11801-x, IEC 61918 und den nordamerikanischen TIA-Normen übernommen. Ebenso sind SPE-Kabelnormen in der Normenreihe IEC 61156-x verfügbar. Damit ist die Basis gelegt, um SPE sukzessive auch in den industriellen Anwendungen zu implementieren.

Ralf Moebus, Leiter Product Management Automation, Lapp, Stuttgart
„Wir rechnen mit ersten Applikationen im Jahr 2021“, sagt Ralf Moebus, Leiter Product Management Automation bei Lapp.
Bild: Lapp

Moebus: Um SPE in z.B. einer Produktionsanlage einsetzen zu können, benötigt es neben Kabeln und Steckern auch Geräte, die daran angeschlossen werden. Das sind z.B. SPSen, dezentrale EA-Systeme oder Sensoren und Switches. Die wichtigsten Komponenten für die Entwicklung dieser Geräte wie Halbleiter-Chips, Kabel und Steckverbinder sind nun verfügbar. Des Weiteren ist insbesondere die bereits beschriebene Etablierung eines Steckerstandards wichtig, um die größte Anwenderakzeptanz zu erreichen. Außerdem sind die bereits genannten Anwendungsguidelines für industrielle Kommunikationssysteme wie Profinet oder Ethernet/IP zu schreiben. Wir rechnen mit ersten Applikationen im Jahr 2021.

Muckes: Mit den ersten Applikationen können wir im Hinblick auf die SPS rechnen. In zwei Märkten werden aus meiner Sicht die ersten SPE-Anwendungen kommen: Einerseits der Markt der intelligenten Initiatorlösungen und andererseits der Markt der Kamerasysteme, da Hersteller hier sehr auf Miniaturisierung ihrer Bauteile aus sind. Die Technologie des Bussystems ist soweit ausgereift. Die Herausforderung besteht nun vor allem darin die entsprechende Soft- und Hardware, wie passende Schnittstellen, den Endanwendern zu Testzwecken zur Verfügung zu stellen. Erst dann ist ein Fundament für die SPE-Technologie gegeben und die Entwicklungsarbeit und der großflächige Einsatz von SPE kann erfolgen. Der jetzige Stand lässt sich so vergleichen: Das Auto ist bereits entwickelt und gebaut, jedoch noch keine Straße da. Der Bau muss nun erfolgen, bevor die Fahrt losgehen kann. Denn der Endanwender wird kein Auto kaufen, mit dem er nicht fahren kann.

Neuhaus: SPE ist der nächste Meilenstein der Netzwerktechnik – SPE wird den Markt revolutionieren. Um das immense Potenzial der neuen Technologie optimal für die Zukunft zu nutzen, hat sich die SPE System Alliance gegründet. Der Zusammenschluss führender Technologieunternehmen verfolgt das Ziel, die Anwendung der SPE-Technologie in der Industrie zu fördern und einheitliche Standards zu etablieren. Dabei geht es auch um Know-how-Austausch und gemeinsames Technologie-Marketing. Standardisierungsarbeit lässt sich beschleunigen, indem man sich bereits im Vorfeld mit vielen Beteiligten über mögliche Use Cases austauscht und dadurch ein gemeinsames Verständnis für die Applikation und das gesamte Ökosystem entsteht. So wird eine neue Technologie wie SPE auch schneller im Markt aufgenommen. Bis Ende des Jahres werden wir immer mehr Geräte – und sei es als erste Prototypen – mit integrierter SPE-Technik sehen.

Simon Seereiner, Gruppenleiter Produktmanagement Sensor-Aktor-Interface and Industrial Ethernet, Weidmüller
„Wir rechnen damit, dass sich in den nächsten zwei bis fünf Jahren die ersten durchgängigen Lösungen etabliert haben und signifikante Stückzahlen erreichen“, sagt Simon Seereiner, Gruppenleiter Produktmanagement Sensor-Aktor-Interface and Industrial Ethernet bei Weidmüller in Detmold.
Bild: Weidmüller

Seereiner: Mit der SPE Systems Alliance arbeiten wir daran, die Technologie, die Normung und auch die Akzeptanz in den Automatisierungsgremien voranzutreiben. Gerade die Normung der IEC 63171 bietet den Geräteherstellern eine Sicherheit. Nun ist Normungsarbeit aber ein langer demokratischer Prozess, der bis jetzt noch nicht abgeschlossen ist. Nichtsdestotrotz sind die Vorteile der SPE-Technologie unbestritten. Wir rechnen damit, dass sich in den nächsten zwei bis fünf Jahren die ersten durchgängigen Lösungen etabliert haben und signifikante Stückzahlen erreicht werden. Bis die Technologie den gesamten Automatisierungsmarkt durchdringt, kann es noch sieben bis zehn Jahre dauern. Wenn sich zeigt, dass sich mit SPE im industriellen Umfeld ähnliche Einsparungen erreichen lassen wie beim Einsatz im Automobilbereich, wird die Marktakzeptanz sicherlich schneller von statten gehen.

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