Startseite » Safety »

„Sichere Funktionen per TIA Portal realisieren“

Interview: Siemens setzt auf Durchgängigkeit (Hannover Messe: 9-D35)
„Sichere Funktionen per TIA Portal realisieren“

Siemens stellt zur Hannover Messe eine F-Version der Simatic S7-1500 vor, mit der sich fehlersichere und Standard-Automation in einem Gerät vereinen lassen. Im Engineering-Framework TIA Portal V12 wurden dazu Safety-Funktionen ergänzt, wie Eckard Eberle, CEO Industrial Automation Systems bei Siemens, im Gespräch mit der elektro Automation erläutert.

Das Gespräch führte Michael Corban, Chefredakteur elektro Automation

elektro Automation: Herr Eberle, Siemens will das digitale Unternehmen realisieren, in dem Daten durchgängig von der Entwicklung bis hinein in die Fertigungsplanung und -ausführung genutzt werden. Welche Vorteile ergeben sich daraus für den Anwender?
Eberle: Durch die Verbindung von digitaler und realer Welt ist es möglich, Daten des Produkts noch früher in die Produktionsplanung einzuspeisen. Der Anwender profitiert davon in zweierlei Hinsicht: Er kann seine Produkte schneller herstellen und die Datenkonsistenz steigt; denn auf Basis gemeinsamer Datenmodelle werden sowohl Produkt- als auch Produktions-Lebenszyklus abgebildet. Mögliche Fehlerquellen lassen sich auf diese Weise reduzieren. Einer der ersten Anwender dieser Technologien ist übrigens unser eigenes Elektronikwerk in Amberg, in dem unter anderem die Simatic S7 gefertigt wird. Bei konstanter Mitarbeiterzahl konnten wir hier nicht nur den Ausstoß vervielfachen, sondern parallel auch die Fehlerrate deutlich senken – von einer Million Teile sind heute nur noch 15 fehlerbehaftet!
elektro Automation: An welchen Stellschrauben konnten die Amberger Kollegen drehen?
Eberle: Zwei Aspekte spielen hier eine wesentliche Rolle. Das ist zum einen die Datendurchgängigkeit. Damit wird sichergestellt, dass auch ein Mitarbeiter in der dritten Schicht nachts in der Lage ist, auf Basis zuverlässiger Daten die richtigen Entscheidungen zu treffen. Tritt ein Problem auf, muss er schnell wissen, wie sich das Problem lösen lässt, welche Charge betroffen ist und ob gegebenenfalls die Produktion gestoppt werden muss. Händisch lassen sich die dafür erforderlichen Informationen heute nicht mehr zusammentragen; die digitale Fabrik bietet an dieser Stelle ein hohes Maß an Geschwindigkeit und vor allem Prozesssicherheit. Zum anderen kommt in Amberg ein weiterer Aspekt zum Tragen. Jeder Mitarbeiter ist hochmotiviert. Zum Beispiel zeichnet sich das Werk in Amberg innerhalb der Siemens AG seit vielen Jahren bereits durch die meisten Verbesserungsvorschlägen je Mitarbeiter aus. Das Ergebnis äußert sich dann unter anderem in einer sinkenden Fehlerrate bei gleichzeitig steigendem Produktionsausstoß!
elektro Automation: Welche Rolle spielt bezüglich der zuverlässigen Datenbasis, die man für die richtige Entscheidung benötigt, das Thema MES?
Eberle: Manufacturing Execution Systems, die innerhalb der Automatisierungspyramide eine eigene Ebene zwischen dem Produktionsbereich und dem Enterprise Resource Planning belegen, werden immer stärker an Bedeutung gewinnen. Sowohl hinsichtlich transaktionsrelevanter Daten hinauf zum ERP als auch hinein in die Echtzeitwelt der Produktion. Heute tummeln sich in der Praxis viele Systeme, die der Anwender aber gerne zusammenfassen möchte. Hier wollen wir Standards setzen, gleichzeitig aber auch den Kunden in der Fertigungsautomatisierung ermöglichen, sich weiter über ihre individuelle Art zu fertigen zu definieren. Bezüglich der Qualitätssicherung in der Produktion haben wir übrigens mit der Akquisition der IBS AG einen großen Schritt getan, der unser Portfolio im Bereich des Operations Managements ein gutes Stück erweitert.
elektro Automation: Sie hatten die S7 erwähnt, deren Programmierung Siemens via TIA Portal ermöglicht. Welches Feedback haben Sie in den rund zwei Jahren gesammelt, in denen es dieses Tool gibt, und welche Ergänzungen stellen Sie zur Hannover Messe vor?
Eberle: Weltweit haben wir ein exzellentes Feedback zum TIA Portal bekommen. Dabei ist insbesondere die Usability immer wieder gelobt worden. Das freut uns sehr! Das TIA Portal deckt eine Fülle von Automatisierungsaufgaben ab und ermöglicht ein sehr effizientes Engineering – es ist einfach zu handhaben und spart Zeit! Mit der neuen Version 12 des TIA Portals können nun auch sicherheitsgerichtete Anwendungen mit ‚Safety Integrated‘ – ohne zusätzliches Werkzeug – realisiert werden. Dabei gibt es keinen Unterschied zwischen Safety- und Standard-Automation. Zur Hannover Messe haben wir dazu die Simatic-S7-1500-Controller und die Dezentrale Peripherie ET 200SP sowie das TIA Portal um Safety-Funktionen ergänzt. Neu sind zum Beispiel erweiterte Funktionsbausteine mit Safety-Funktionalität sowie die autarke Einstellung von Priorisierung und Timing.
elektro Automation: Welche Möglichkeiten bietet die S7-1500F?
Eberle: Die neuen fehlersicheren Simatic-S7-1500F-Controller basieren auf den Standard-Controllern, die um Sicherheitsfunktionen erweitert wurden. Sie sind nach EN 61508 zertifiziert und für den Einsatz in sicherheitsgerichteten Applikationen bis SIL 3 nach IEC 62061 und PLe nach ISO 13849 zugelassen. Standard- und fehlersichere Anwendungen können auf diese Weise mit demselben Controller realisiert werden. Projektierung und Programmierung der Sicherheitsaufgaben folgen wie bei der Standardautomatisierung der einheitlichen Bedienphilosophie des TIA Portals, was den Einstieg in das Safety-Engineering erheblich vereinfacht. Zudem wurde für den Zugriff auf die Controller das Schutzstufenkonzept um eine zusätzliche Stufe erweitert. Für diejenigen, die keine Safety-Funktionalität benötigen, steht aber weiterhin auch die Standardausführung zur Verfügung.
elektro Automation: Integriert wurde in das TIA Portal nun auch die Antriebstechnik – in einem ersten Schritt bezüglich der Einachsanwendungen. Wird dieses Konzept ausgebaut?
Eberle: Sinamics Startdrive haben wir in das TIA Portal integriert. Damit können bereits jetzt Antriebsaufgaben mit dem Frequenzumrichter Sinamics G120 gelöst werden. Dies werden wir auch bezüglich Mehrachsanwendungen schrittweise weiter ausbauen – entsprechend dem Konzept des ‚Integrated Drive Systems‘. Ziel ist, dass sich sowohl unsere Antriebsplattform Sinamics als auch Motion-Control-Anwendungen mit Simotion so einfach und effizient über das TIA Portal konfigurieren und projektieren lassen wie die Automatisierungskomponenten. Das betrifft vor allem die Zusammenführung von Hardware- und Netzwerkkonfiguration in einem konsistenten Editor, was neben der vollgrafischen Konfiguration auch eine leistungsfähige Diagnose ermöglicht.
elektro Automation: Welche Bedeutung hat für Siemens das Thema Industrie 4.0?
Eberle: Mit den Konzepten der Industrie 4.0 lässt sich die Leistung der Produktion in den nächsten zehn bis 20 Jahren auf eine neue Performance-Ebene heben – in unserem Elektronikwerk sind wir beispielsweise schon die ersten Schritte gegangen. Entscheidend wird sein, immer den richtigen Kontext zu betrachten. Mir ist dabei die Diskussion bislang zu stark auf die Kommunikation begrenzt. Diese ist zwar auf Basis von Profinet eine wichtige Voraussetzung, doch noch wichtiger ist die Frage, wie viele Informationen ich beispielsweise einem Werkstück mitgebe und welche davon die nächste Fertigungsinstanz verarbeiten und nutzen soll. Das geht weit über eine simple Start-Stopp-Logik hinaus.
elektro Automation: Können Sie dazu ein Beispiel nennen?
Eberle: Verstehen lässt sich das am Beispiel der Karosseriefertigung: Wird hier festgestellt, dass das Spaltmaß nicht stimmt, ist der interessante Punkt, ob das System mit der hinterlegten Intelligenz – dem Kontext – in der Lage ist, das Problem über die vorgelagerten Fertigungsinstanzen womöglich automatisch zu lösen. Allerdings: Die Kreativität des Menschen wird an dieser Stelle nicht so schnell zu ersetzen sein. Für uns wird deswegen wichtig sein, Schritt für Schritt voranzugehen. Die gewünschte Autonomie lässt sich nur nach und nach erreichen, aber sie wird steigen. Übrigens: Um den jeweiligen Kontext zu liefern, spielt bei dem gesamten Thema Industrie 4.0 wiederum die Durchgängigkeit von der Produktentwicklung bis zur Produktion eine wichtige Rolle. Siemens verfolgt hier den bereits eingangs erwähnten Ansatz der ‚Digital Enterprise Platform‘ und arbeitet an der vollständigen informationstechnischen Durchgängigkeit und Datenharmonisierung zwischen ‚shop floor‘ und ‚top floor‘. Dies sehen wir als Voraussetzung für die Vision Industrie 4.0. Dabei ist vorteilhaft, dass Siemens bereits frühzeitig auf sein Industriesoftware-Portfolio und Totally Integrated Automation gesetzt hat.
elektro Automation: Herr Eberle, wir danken für das Gespräch.

PRAXIS PLUS
Als Engineering-Framework ermöglicht es das TIA Portal, sich auf die Engineering-Aufgabe zu konzentrieren – nicht auf das Erlernen einer neuen Software. Über intuitive Layouts, insbesondere das einheitliche ‚Look and Feel‘ für alle Programmeditoren, und die einfache Navigation soll der Anwender schnell die wichtigen Programmier- und Bearbeitungs-Funktionen nutzen können. Auf diese Weise lässt sich grafisch die Netz- und Gerätekonfiguration durchführen.
Newsletter

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Videos

Hier finden Sie alle aktuellen Videos


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de