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Durchgängige Ressourcen-Nutzung

Experteninterview zum Schnittstellen-Management beim Engineering
Durchgängige Ressourcen-Nutzung

Durchgängige Ressourcen-Nutzung
Bild: Aucotec
Das Schnittstellen-Management bei Softwaretools, die von der Produktentstehung über die Konstruktion bis zur Fertigung zum Einsatz kommen, ist entscheidend für die Effizienz der industriellen Prozesse. Nur ein durchgängiger Informationsaustausch zwischen den beteiligten Instanzen ermöglicht eine wirtschaftliche Fertigung. Laut dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) wünschen sich Maschinenhersteller standardisierte Datenschnittstellen zwischen ERP/PDM, M-CAD und E-CAD sowie E-CAD und SPS-Programmierung. Sie sehen dort Einsparpotenziale bis 10 %.

develop3: In welchem Umfang werden heute – beispielsweise im Maschinen- und Anlagenbau – Schnittstellen zwischen ERP/PDM, der Mechanik- und Elektrokonstruktion sowie der Programmierung von Steuerungen und der Fertigung von Schaltschränken genutzt?

Chidester (Zuken): Aus unserer Sicht gewinnt die Integration der Prozesse in den frühen Phasen der Produktentstehung rapide an Bedeutung. Der Grund liegt in der allgemein bekannten Verschiebung der Wertschöpfung von der Mechanik in Richtung Elektronik und Software. Stand heute gibt es eine ganze Reihe von Schnittstellen und Integrationsmöglichkeiten, aber nicht alle von ihnen werden in den Entwicklungsprozessen der Industrie bereits in dem wünschenswerten Ausmaß genutzt. Dies ist in besonderem Maße im Falle der Software-Entwicklung für programmierbare Steuerungen der Fall. Die Ursache für diesen Befund findet sich häufig in der Tatsache begründet, dass von Seiten des Managements dieser Unternehmen die Kommunikation zwischen den verschiedenen Abteilungen vielfach noch nicht aktiv forciert wird – denn sie bedeutet zunächst einen Zusatzaufwand und zusätzliche Kosten, die sich aber durch einen geringeren Abstimmungsaufwand in späteren Phasen des Produktentstehungsprozesses reduzieren. Mit E3.EDM für Elektro- und Fluid-Engineering haben wir einen wichtigen Baustein vorgestellt.
Eisenbeiss (Siemens): Im Maschinenbau ist diesbezüglich die gesamte Bandbreite an Lösungen anzutreffen: Es gibt bereits in hohem Maße durchgängige Workflows, die Mehrfach-Eingaben nahezu vermeiden. Es gibt aber auch noch den Papierausdruck, der an die Nachbardisziplin weitergereicht wird.
Fürnschuß (B&R): Nach unserem Kenntnisstand verwenden 85 % der Maschinen- und Anlagenbauer keine integrierten Schnittstellen zwischen M-CAD, E-CAD und SPS-Programmierung oder sie behelfen sich mit Tabellenexporten. Eine weitere Herausforderung sind die Engineering-Daten selbst, also die Bauteilebeschreibungen der einzelnen Anbieter. Eine effiziente Unterstützung des Arbeitsflusses über die Disziplinen hinweg ist erst dann gegeben, wenn neben integrierten Schnittstellen auch die Bauteilebeschreibungen für alle Engineering-Systeme gleichermaßen zur Verfügung stehen. Automation Studio 4 bietet eine Round-Trip-Kopplung zu Eplan Electric P8.
Ott (Aucotec): So vielfältig wie die Systeme in den verschiedenen Bereichen sind, so vielfältig sind auch die angebotenen Schnittstellen. Das potenziert sich noch einmal durch die z. T. sehr unterschiedlichen Arbeitsweisen und die daraus resultierenden Kunden-Anforderungen. Generell verzeichnen wir über die letzten Jahre eine deutliche Zunahme an Projekten, in denen eine Integration mit ERP, PDM und M-CAD nicht nur angefragt, sondern auch umgesetzt wird. Dabei sehen wir die Entwicklung sehr positiv, dass zunehmend auch kleine und mittelständische Unternehmen auf Integration der Disziplinen setzen. Bei SPS- und Fertigungsunterstützung sind die Anforderungen dagegen wesentlich homogener und die Systeme weniger kundenspezifisch, so kann eine Integration häufig recht einfach mit Bordmitteln umgesetzt werden.
Dr. Papenfort (Beckhoff): Bisher fehlen standardisierte Schnittstellen. Effektives Engineering funktioniert nur, wenn man sich Daten in einem gemeinsamen Datenpool teilen kann. Dazu muss das Format natürlich festgelegt werden. Und es muss unabhängig von den eingesetzten Tools sein. ERP-Systeme müssen Aufträge einstellen können. Mechanik- und Elektrokonstruktion sowie die Softwarekonstruktion müssen aus diesen Daten die Maschine oder Anlage konstruieren können. Die Daten müssen zwischen allen beteiligten Programmen hin und her fließen können. Nur so ist paralleles Engineering möglich.
develop3: Wo sehen Sie weiteres Potenzial für Effizienzsteigerungen und welche weiteren Voraussetzungen müssen auf Seiten der Softwareanbieter sowie der Anwender in den Unternehmen erfüllt werden?
Chidester (Zuken): Um die Prozessintegration vorantreiben zu können, erweist sich das auf den ersten Blick naheliegende Vorhaben, mit einem PLM-System die Steuerung aller Daten und Abläufe zusätzlich zur Mechanik über alle Disziplinen hinweg auch für Elektrotechnik, Fluid und Elektronik abzudecken, in der Praxis als aufwändig. Grund sind die spezialisierten Daten- und Ablaufmodellen der verschiedenen Entwicklungs-Disziplinen: Das Datenmodell, das für die Konstruktion eines mechanischen Bauteils benötigt wird, unterscheidet sich grundlegend von den Datenmodellen der Elektrotechnik, der Elektronik und der Software-Entwicklung. Es sind also Lösungen erforderlich, mit denen sich die Datenmodelle der Elektrokonstruktion in vollem Umfang verwalten lassen, die andererseits aber von vornherein für eine Integration mit der etablierten PLM-Welt offen und vorbereitet ist.
Eisenbeiss (Siemens): Optimierungspotenziale liegen in den Austauschformaten. Um hier besser zu werden, liegt noch Arbeit in den Standardisierungsgremien, in denen auch wir uns engagieren. Zudem investieren wir in offene Schnittstellen, die eine einfache Nutzbarkeit zwischen Werkzeugen erlauben.
Fürnschuß (B&R): Eine wesentliche Effizienzsteigerung liegt klar auf der Hand: Durch Schnittstellen, die einen durchgängigen Datenaustausch ermöglichen, entfallen viele Doppeleingaben ebenso wie manuelle Tätigkeiten. Durch bidirektionale Schnittstellen kann die Arbeit der unterschiedlichen Disziplinen parallel vorangetrieben werden. Heute wird in aller Regel noch zuerst die Mechanik, dann die Elektrokonstruktion und am Ende – oft unter enormem Zeitdruck – die Software entwickelt. Die Möglichkeit, umgekehrt vorzugehen und eine von der Software vorgegebene Konfiguration zur Weiterbearbeitung an die Elektrokonstruktion zu übergeben, ist durch eine bidirektionale Schnittstelle, wie sie zwischen Automation Studio 4 und Eplan Electric P8 besteht, ebenfalls gegeben und wird nicht selten auch die effizientere Alternative sein. Das Fehlerpotenzial sinkt und Entwicklungszeiten verkürzen sich. Auch in der oftmals unter hohem Zeitdruck stehenden Inbetriebnahme ergeben sich Vorteile. So können mit guten Interfaces Daten, die möglicherweise vor Ort oder offline verändert wurden, beim nächsten Ankoppeln an die heimische Infrastruktur in alle Engineering-Systeme rückgeführt werden.
Ott (Aucotec): In den einzelnen Abteilungen wurde in den vergangenen Jahren viel investiert, um dort die Effizienz zu steigern. Die Potenziale sind hier so gut wie ausgeschöpft. Wichtiger als der Erfolg der Einzel-Disziplinen ist aber der des Unternehmens insgesamt. Für eine unternehmensweite Effizienz-Steigerung müssen die Prozesse zunehmend interdisziplinär angegangen werden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen kann die Software zwar unterstützen, ausschlaggebend ist aber der Mensch. Ohne beispielsweise einen einheitlichen Sprachgebrauch sind Missverständnisse vorprogrammiert. Die Mauern müssen fallen.
Dr. Papenfort (Beckhoff): Softwareanbieter müssen sicherlich noch zu definierende Standards für den Datenaustausch unterstützen. Die Anwender müssen sich auf mehr Arbeit im Team und Einhalten von vorher definierten Schnittstellen einstellen. Flexibilität und Offenheit sind gefragt.
develop3: Der Datenaustausch zwischen CAE und SPS-Programmierung gilt noch immer als eine zentrale Anforderung im Engineering-Prozess?
Chidester (Zuken): Der erforderliche Datenaustausch ist an sich eine recht einfache Aufgabe und bei Zuken haben wir zusammen mit unseren Kunden eine ganze Reihe von Schnittstellen für diesen Zweck entwickelt und kontinuierlich weiterentwickelt. Insgesamt hilft uns das Feedback unserer Kunden dabei, zu verstehen, welche Daten ausgetauscht werden müssen, mit welcher Frequenz und mit welcher Informationstiefe.
Eisenbeiss (Siemens): Kernanforderung an die Schnittstelle zwischen CAE und SPS-Programmierung, zum Beispiel zwischen Eplan und Siemens-Steuerungen, ist der Austausch von Signallisten sowie der Hardwarekonfiguration. Deshalb wurden Schnittstellen geschaffen, die im Anlagen- und Maschinenbau längst etabliert ein hohes Maß an Effizienz bringen.
Fürnschuß (B&R): Die Offenheit unseres Systems ermöglicht es, MCAD und ECAD in unsere Entwicklungswelt zu integrieren. Eine bidirektionale Schnittstelle zwischen der Entwicklungsumgebung Automation Studio und Electric P8 bietet Hard- und Softwareentwicklern eine gemeinsame Datenbasis. Sie kommen dadurch schneller und sicherer zu optimalen Ergebnissen. Außerdem erschließen wir den MCAD-Bereich bequem über eine Simulationsschnittstelle. Dabei gehen wir selektiv vor und verwenden ausschließlich die Informationen, die für beide Disziplinen gleichermaßen relevant sind. Erfahrungsgemäß ist das sinnvoller als komplette Files zu laden. Für die Simulation nutzen wir verschiedene Tools.
Ott (Aucotec): Auch wenn die Software-Anbieter spezifische Schnittstellen anbieten, sind die generischen Schnittstellen über XLS- und CSV-Formate noch immer im Vormarsch. Dies liegt einerseits daran, dass der zusätzliche Nutzen einer systemspezifischen Schnittstelle die notwendige Investition aus Sicht der Kunden nur selten rechtfertigt und andererseits die spezifische Schnittstelle weniger flexibel ist. Mancher Kunde bräuchte für jedes eingesetzte SPS-Programmiersystem eine passende Schnittstelle. Unabhängig von der Art der Schnittstelle kommt es auf ihre Einfachheit und den Komfort in der Handhabung an und darauf, ob die Daten bidirektional übertragen werden können und sich Änderungen sinnvoll verwalten lassen. Das Format ist eher zweitrangig.
Dr. Papenfort (Beckhoff): Schon heute werden Daten aus der mechanischen und elektrotechnischen Konstruktion an die SPS-Programmierung weitergegeben. Allerdings erfolgt das häufig auf Zuruf und nicht in elektronischer Form. Hier ist eine bessere Abstimmung und eine Nachverfolgbarkeit unbedingt nötig.
develop3: Haben sich bereits Standards herauskristallisiert, welche Schnittstellen werden zukünftig generell entlang der gesamten Prozesskette beginnend bei der Produktentwicklung an Bedeutung gewinnen?
Chidester (Zuken): Am effizientesten ist kurzfristig sicher ein direkter Austausch der Daten zwischen den verschiedenen Werkzeugen. Das ist schnell, genau und wenig fehleranfällig. Leider sehen wir derzeit noch keinen akzeptierten Standard. Der VDMA hat damit begonnen, einen solchen Standard definieren. Zuken wird einen solchen Standard zweifellos unterstützen. Grundsätzlich sind sich alle Beteiligten einig, dass das Ziel ein etablierter Standard sein sollte, aber eine allgemeingültige Definition ist eine schwierige Aufgabe. Ein „leichter“ Standard ist auf alle Fälle schneller zu etablieren, auf lange Sicht bleibt dann aber das Problem der gesamtheitlichen Darstellung der verschiedenen Anforderungen der Industrie. In der Praxis haben wir es meist mit partiellen Implementierungen zu tun, die durch Individualschnittstellen ergänzt werden. Doch damit ist bereits der erste Schritt zu ihrer Verwässerung getan.
Eisenbeiss (Siemens): Es gibt diverse, meist XML-basierte Formate. Ein wirklicher Standard hat sich aber bis heute nicht etabliert. Das Bestreben, diese Lücke zu schließen, ist jedoch aktuell breit vorhanden. Wir stellen die Durchgängigkeit unserer Softwarelandschaft sicher, arbeiten im VDMA am Datenaustausch zwischen MCAD/ECAD/ACAD und setzen uns für Standardisierung und Normung von Formaten ein.
Fürnschuß (B&R): Teilweise haben sich durch simple Marktgegebenheiten Quasistandards entwickelt, auf die sich einzelne Hersteller einschwingen. Eine Initiative wie die zum VDMA-Einheitsblatt 66415 „Engineering Datenaustausch Mechanik-Elektrik-Software“ ist in jedem Fall zu unterstützen. Es gehört zur Kernkompetenz von B&R, unsere Hardware fürs Engineering verfügbar zu machen und die Software entsprechend der Hardware zu programmieren. Im Bereich der Hardware-Konfiguration unterstützen wir unsere Kunden mit Lösungen, die die Entwicklungsqualität und -zeit deutlich optimieren.
Ott (Aucotec): Standards sind leider noch nicht weit verbreitet. Entlang der Prozesskette finden wir z. B. eCl@ss, Automa- tionML, VDMA 66415 und IEC 6242. Alle bieten gute Voraussetzungen, sich in naher Zukunft zu etablieren. Da sie jedoch von zu wenigen Systemen unterstützt werden, ist die Nachfrage bisher gering – das typische Henne-Ei-Problem. Wichtig für eine Standard-Schnittstelle ist letztendlich ihre Verbreitung. Bisher ist keine groß genug. Im Kundenfokus steht zuerst, dass die Schnittstelle den eigenen Prozess unterstützt und das Kosten-Nutzen Verhältnis stimmt. Ob dies mit einer Standard- oder proprietären Schnittstelle erreicht wird, ist weniger wichtig. Als Systemanbieter käme uns ein Standard entgegen. Das hieße für uns effizientere Ressourcen-Nutzung in Entwicklung, Qualitätssicherung und Dokumentation.

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