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Drehzahl und Moment stets im Griff

SEW-Drehstromantriebe: Regelverfahren im Überblick
Drehzahl und Moment stets im Griff

Für Drehstrommotoren wurden seit den späten 1970er Jahren viele Regelverfahren entwickelt. Um Klarheit in die Vielfalt der Bezeichnungen und Abkürzungen zu bringen, beschreibt dieser Beitrag die Regelverfahren am Beispiel der Frequenzumrichter von SEW-Eurodrive. Nur wer die Unterschiede kennt, kann bereits bei der Auslegung des Antriebs das richtige Regelverfahren wählen – und auf diese Weise die Kosten so gering wie möglich halten.

DIE AUTOREN Gunthart Mau ist Referent Fachpresse und Thomas Middelhoff Produkt-Markt-Manager Antriebselektronik bei der SEW-Eurodrive GmbH & Co KG in Bruchsal. www.sew-eurodrive.de

Bei der Projektierung eines elektrischen Antriebssystems ist es entscheidend, die Anforderungen an die Regelgenauigkeit der Anwendung zu identifizieren. Sind die Anforderungen transparent und spezifiziert, kann das Antriebssystem aus den notwendigen Komponenten (Getriebe, Motor, Geber, Umrichter, Steuerung) zusammengestellt und abgestimmt werden. Kernziel ist, die richtigen Komponenten mit den spezifischen Anforderungen bezüglich der Regelgüte kostenoptimiert zu wählen – nur so lässt sich unnötiger Mehraufwand vermeiden, falls beispielsweise die Anforderungen zu hoch oder zu niedrig eingeschätzt wurden. Da es für die Regelverfahren für Drehstrommotoren zahlreiche Begriffe gibt, beleuchtet dieser Beitrag (fast) ohne Mathematik die grundlegenden Eigenschaften der Regelverfahren. Herangezogen werden dazu die Frequenzumrichter von SEW-Eurodrive, die Verfahren heißen hier U/f-Steuerung sowie VFC-, CFC- oder Servo-Regelung (Abkürzungen siehe Kasten) – sie decken das gesamte Leistungs- und Anwendungsspektrum ab.
Spannung und Frequenz verstellen
Bis in die 1970er Jahre bildete der Gleichstrommotor praktisch die einzige Möglichkeit, in Industrieanwendungen Drehzahl und Drehmoment stufenlos zu regeln. Aus regelungstechnischer Sicht ist er eigentlich der ideale Antrieb, wenn der mechanische Kommutator nicht wäre – denn das macht den klassischen Gleichstrommotor verschleißanfällig, was mechanische Lasten und vor allem Servicekosten nach sich zieht. Wesentlich robuster – und praktisch wartungsfrei – zeigt sich dagegen der Asynchronmotor (ASM), der sich aber zunächst bei Weitem nicht so einfach regeln ließ. Vor allem zu einer Zeit, als (Drehstrom-)Regelungstechnik und Leistungselektronik noch in den Kinderschuhen steckten und es noch keine digitalen Signalprozessoren gab. Power-MOSFETs sowie IGBTs existierten damals bestenfalls als Gedanken auf dem Papier. Heute sind dagegen gesteuerte und geregelte Drehstromantriebe nicht mehr wegzudenken. Nach wie vor weisen sie die höchsten Zuwachsraten innerhalb der elektrischen Antriebstechnik auf.
Unkomplizierte Anwendungen wie Pumpen, Lüfter oder einfache Fördertechnik bilden die Domäne für Umrichter mit Spannungs/Frequenz-Steuerung. Sie ist das traditionelle Verfahren zum Antreiben von Drehstrommotoren mit mittlerer Dynamik. Ihr Kerngedanke ist die proportionale Verstellung von Spannung (U) und Frequenz (f). So bleibt der Fluss in der Maschine konstant und das maximale Moment erhalten (Bild 2). Weil der Nennfluss das höchste Drehmoment bezogen auf die Masse des Motors entwickelt, kommen die eingesetzten Rohstoffe – Stahl, Kupfer, Isoliermaterialien – am effektivsten zur Geltung. Aus Sicht des Motors erscheint der gesteuerte Umrichter als eine ‚verstellbare Steckdose bezüglich Netzspannung und Netzfrequenz‘. Deshalb kann man mit dieser Variante grundsätzlich auch mehrere kleinere Motoren gleichzeitig an einem Umrichter betreiben. Dank ihres einfachen Prinzips und ihrer leichten Handhabbarkeit sind Frequenzumrichter mit der U/f-Steuerung schon nach kurzer Zeit einsatzbereit, weswegen sie sich als Standardverfahren (ohne Drehzahlrückführung) durchgesetzt hat. Auch SEW-Eurodrive verwendet ein Verfahren auf Basis der U/f-Steuerung bei den Frequenzumrichtern Movitrac LTE B, Movitrac B und Movidrive B für die Schaltschrankinstallation sowie bei den dezentralen Antriebsreglern Movimot, Movifit FC und Movipro SDC.
Feldorientierung für optimalen Betrieb
Genügt eine einfache Drehzahlverstellung angesichts der Antriebsaufgabe nicht mehr, weil hohe Dynamik oder ein großes Drehmoment gefordert sind, kommt eine feldorientierte Regelung in Betracht. Diesem bereits Ende der 1960er Jahre erfundenen Verfahren liegt die Erkenntnis zugrunde, dass das Magnetfeld im Luftspalt und die Rotorgeometrie das Betriebsverhalten der Asynchronmaschine bestimmen. Ihr Drehmoment verhält sich proportional zum Strom und somit zum magnetischen Fluss. Weil jede Änderung der in einem Magnetfeld gespeicherten Energie Zeit benötigt, erhält man das schnellste Momenten-Anregelverhalten, wenn man den Fluss über den Magnetisierungsstrom (im Grunddrehzahlbereich) drehzahlunabhängig konstant hält und nur den momentbildenden Strom verändert. Die Flusskonstanz verlangt einen unveränderlichen Erregerstrom und zur Erzielung des Maximalmoments muss der Winkel zwischen Drehmoment und Fluss 90 Grad betragen. Das gilt ebenso für Gleichstrom- als auch Drehstrommotoren. Weil das Rechnen mit komplexen Ausdrücken der Form ej2/3 nicht jedermanns Sache ist, lässt sich ein Drehstromsystem mit drei um 120 Grad versetzten Wicklungen (a, b und c) vereinfacht durch ein zweiphasiges, orthogonales Ersatzschaltbild mit a- und b-Koordinaten darstellen (Bild 3). Derart kann man den im Motor rotierenden Ständerstrom(vektor) IS in seine Komponenten Ia und Ib zerlegen. Wenn man ihn – bezogen auf das Drehfeld – in Feldkoordinaten umrechnet, lässt er sich in die Komponenten Id und Iq aufspalten, auch D(irekt)- beziehungsweise Q(uer)-Achse genannt (Bild 4). Sie stehen in Bezug zum rotierenden System – ähnlich wie die Mitfahrer auf einem Karussell – still. Es lässt sich zeigen, dass Id (in Flussrichtung) dem Erregerstrom der Gleichstrommaschine entspricht und Iq (orthogonal dazu) dem momentbildenden Ankerstrom. Gelingt es, Id konstant zu halten und Iq nach Vorgabe des gewünschten Drehmoments zu variieren, kann man einen Asynchronmotor ähnlich gut regeln wie einen fremderregten Gleichstrommotor. Dazu benötigt man nur noch eine Information über die Lage des Feldes im Motor, also den Drehwinkel d. Damit kann man Id und Iq aus den Ständerkoordinaten Ia und Ib berechnen. Somit lässt sich das Feld indirekt über die Klemmengrößen, das heißt den Ständerstrom beeinflussen.
Allerdings: Zu den Feldkoordinaten im Inneren des Motors besteht kein direkter Zugriff. Technische Lösungen in dieser Richtung, beispielsweise der Einbau zusätzlicher Messwicklungen, wären aufwändig und unwirtschaftlich. Zudem würden sie den großen Vorteil der ASM – ihre einfache und robuste Konstruktion – untergraben. Daher ist ein Drehgeber für feldorientierte Regelverfahren (zunächst) zwingend erforderlich.
Verzicht auf Drehzahlmessung
Weil aber Anschaffungs- und Installationskosten für den Drehgeber und seine EMV-gerechte Verdrahtung dem Anwender Bauchschmerzen bereiteten, war die Forderung nach einfach zu handhabenden Lösungen die logische Konsequenz. Folglich gab es zahlreiche Ideen, die Winkelmessung durch eine modellgestützte Berechnung zu ersetzen. Trotz vieler Ansätze zur sensorlosen Ermittlung der Drehzahl, wiesen die meisten anfangs bei niedrigen Drehzahlen und im Stillstand prinzipbedingt schlechte Leistungen auf. Später jedoch wurde der sensorlose Betrieb durch verbesserte Verfahren bei den meisten Industrieanwendungen möglich. SEW-Eurodrive entwickelte das spannungsgeführte Flussregelverfahren VFC (Voltage Flux Control) für dynamisch und präzise gesteuerte Drehstromantriebe mit großer Drehzahlkonstanz. Es wird beispielsweise im Frequenzumrichter Movitrac B (Bild 5) eingesetzt, um bei Fördertechnik-Anwendungen kurzzeitige, hohe Lastspitzen abzufangen und schnell auszuregeln.
Grundsätzlich bleibt aber festzuhalten: Am genauesten ist – bei allen Regelverfahren – der Betrieb mit einem Drehgeber. Vor allem bei typischen Servoanwendungen mit höchsten Anforderungen an Drehzahlkonstanz, Dynamik und Spitzenmoment – etwa bei Verpackungs-Füllmaschinen, Wicklern (Bild 1) und Handlinganwendungen wie Portalen oder Robotern – ist der Einsatz eines Drehgebers zwingend erforderlich.
Stromgeführte Flussregelung
Die stromgeführten Flussregelverfahren CFC (für Asynchronmaschinen) oder Servo (für Synchronmaschinen) stellen in den SEW-Produktreihen Movidrive B, Moviaxis und Movipro SDC eine hohe Regelgüte sicher.
Die unterschiedlichen Regelverfahren sind in den verschiedenen Antriebselektronik-Produkten von SEW-Eurodrive integriert. U/f und VFC benötigen keine Information über die Rotorlage durch ein Gebersystem, wohingegen die Regelverfahren VFC-n, CFC und Servo ohne ein Gebersystem nicht betrieben werden können – wofür sie allerdings eine höhere Regelgüte liefern und die Möglichkeit der Positionierung. All diese Verfahren kommen im Applikationsumrichter Movidrive B zum Einsatz (Bild 6). co

Abkürzungen
AP Arbeitspunkt
ASM Asynchronmaschine
CFC Current Flux Control; stromgeführtes
Flussregelverfahren für ASM mit Geber
Ia, Ib Komponenten des Ständerstromvektors
Id, Iq Komponenten in Feldkoordinaten
IS rotierender Ständerstromvektor
M Drehmoment
Mkipp Kippmoment
Mnenn Nenndrehmoment
n Drehzahl
VFC Voltage Flux Control; spannungsgeführte,
vektorgeregelte Betriebsart ohne Geber
VFC-n spannungsgeführte, vektorgeregelte
Betriebsart mit Geber
Servo stromgeführtes Flussregelverfahren
für Synchronmaschinen mit Geber
U/f Spannungs/Frequenz-Steuerung
a, b Ständerkoordinaten des orthogonalen
Ersatzschaltbilds
d, q Feldkoordinaten der Direkt- und Querachse
d mechanischer Drehwinkel

INFO-TIPP
Drehzahlgeregelte elektrische Antriebe spielen vor allem in Hinblick auf die Energieeffizienz eine entscheidende Rolle. So lässt sich beispielsweise über drehzahlgeregelte Pumpen und Kompressoren je nach Anwendung der Energieverbrauch deutlich reduzieren. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Diskussion um das Thema der Wirkungsgradklassen. Die elektro Automation hat dazu in der Ausgabe 3/2013 ein Trendinterview veröffentlicht, in dem acht Experten von Antriebsherstellern die Entwicklungen rund um IE3- und IE4-Antriebe und ihren Einsatz erläutern. Das Fazit: Neben der Betrachtung der Lebenszyklus-Kosten ist vor allem die Auslegung des gesamten Antriebsstranges unter den gegebenen Randbedingungen entscheidend – und damit auch die Wahl des richtigen Regelverfahrens.
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