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„Doppelte Kühleffizienz bei Schaltschrankentwärmung ist möglich“

Green Carbody Technologies: Rittal weist Energieeinsparpotenzial von 58 Prozent nach
„Doppelte Kühleffizienz bei Schaltschrankentwärmung ist möglich“

58 Prozent weniger Energie – so groß ist das Einsparpotenzial bei der Schaltschrankklimatisierung, das im Rahmen des Teilprojekts ‚Energie- und kosteneffiziente Klimatisierung im Karosseriebau‘ der Innovationsallianz ‚Green Carbody Technologies‘ ermittelt wurde. Realisieren lässt es sich mit einem optimal geplanten Schaltschrankaufbau, einer durchdachten Kühlluftführung und energieeffizienten Kühlgeräten. Bei der Rittal GmbH & Co. KG als Projektpartner sprach die elektro Automation darüber mit Steffen Wagner, Abteilungsleiter Produktmanagement Klimatisierung, und Thorsten Heimberg, zuständig für Förderprojekte.

Das Interview führte Michael Corban, Chefredakteur elektro Automation

elektro Automation: Herr Wagner, Herr Heimberg, die Innovationsallianz ‚Green Carbody Technologies‘ hatte das Ziel, den Energieeinsatz in der Karosseriefertigung zu halbieren. Macht es angesichts des hohen Energieeinsatzes der Umform- und Fügeprozesse Sinn, sich mit der Schaltschrankklimatisierung zu beschäftigen?
Wagner: Auf alle Fälle, denn in dem von uns zusammen mit der Friedrich Lütze GmbH geleiteten Teilprojekt 4.2.1 zur ‚Energie- und kosteneffizienten Klimatisierung im Karosseriebau‘ konnten wir ein Einsparpotenzial von 58 Prozent ermitteln. Und obwohl auf die Schaltschrankentwärmung natürlich nur ein kleiner Teil des Energiebedarfs der gesamten Karosseriefertigung entfällt, zeigte die Green-Carbody-Untersuchung, dass sich bei 1000 Kühlgeräten mit einer Leistung von zwei Kilowatt pro Jahr 1,57 Millionen Kilowattstunden einsparen lassen. In der Summe macht es also sehr wohl Sinn, sich mit der Schaltschrankklimatisierung zu beschäftigen.
Heimberg: Zudem waren wir im Rahmen der Innovationsallianz auch in das Teilprojekt 4.2.2 eingebunden, das sich mit einem ‚Konfigurierbaren Energiemanagementsystem einer Karosseriebaulinie‘ beschäftigte. Ziel war hier, die Fertigungsprozesse unter Beachtung von Betriebszuständen zu optimieren. Konkret bedeutet das, dass im Rahmen des Energiemanagements auch die Klimageräte entsprechend ansteuerbar sind. Hier lassen sich noch einmal 15 Prozent an Einsparungen erzielen.
elektro Automation: Wie lässt sich denn der Energieverbrauch bei der Schaltschrankklimatisierung um 58 Prozent senken?
Wagner: Im Wesentlichen müssen dazu drei Punkte beachtet werden: Erstens die effiziente Bereitstellung von Kaltluft, zweitens die intelligente Luftführung im Schaltschrank und drittens – als Voraussetzung für den Erfolg der beiden ersten Maßnahmen – ein auch unter energetischen Aspekten optimierter Schaltschrankaufbau. Beginnen sollte man also damit, die Komponenten in Abhängigkeit von ihrem thermischen Verhalten optimal zu platzieren – bislang spielten vor allem kurze Kabelwege eine Rolle. Dass der Schaltschrankaufbau ein erhebliches Verbesserungspotenzial bietet, zeigte sich übrigens auch im Rahmen einer von uns durchgeführten Feldstudie, bei der 400 Schaltschränke in unterschiedlichen Umgebungen untersucht wurden. Das Ergebnis: In zwei Dritteln der Schaltschränke lagen die aktiven, Abwärme erzeugenden Komponenten nicht im Kühlluftstrom und 19 Prozent aller untersuchten Schaltschränke mit Kompressorkühlgeräten wiesen einen Luftkurzschluss auf – dabei wird der Kaltluftstrom direkt wieder vom Kühlgerät eingesogen, so dass sich ein Teil der Kühlleistung gar nicht nutzen lässt.
elektro Automation: Wie lassen sich diese Erkenntnisse zukünftig in der Praxis nutzen?
Wagner: Zusammen mit unserem Schwesterunternehmen Eplan Software & Service werden wir die im Green-Carbody-Projekt erarbeiteten Regeln und Richtlinien in eine neue Planungssoftware integrieren – in Form von Funktionen zur Unterstützung einer energetisch optimierten Platzierung sowie Prüfläufen und Visualisierungen. Ziel ist es, bereits beim Schaltschrankaufbau zu berücksichtigen, wie sich die Luftführung optimieren und die anfallende Abwärme so effizient wie möglich abführen lässt. Ist eine Komponente eigenbelüftet beziehungsweise temperaturkritisch, muss das beachtet werden. Und: Es kann sich durchaus lohnen, von vornherein eine größere Schranktiefe zu wählen, um Platz für die Luftführung zu bekommen – auch wenn das natürlich im Widerspruch zum Aufbau bei geringstmöglichem Platzbedarf steht.
Heimberg: Wichtig ist, dass dieses Tool praxistauglich ist: Es soll den Konstrukteur während des Schaltschrankaufbaus unterstützen – eine komplette Strömungsanalyse wäre zwar hilfreich, aber der Aufwand nicht angemessen, zumal der Projektierungsprozess durch die Klimaprojektierung nicht überproportional in die Länge gezogen werden darf. Bezogen auf die Schaltschrankklimatisierung wollen wir aber entsprechend der 80-20-Regel mit geringem Aufwand der optimalen Lösung schon sehr nahe kommen. Voraussetzung ist natürlich, dass beispielsweise Kennlinien zur Verlustleistung in Abhängigkeit von der Auslastung oder die thermischen Mindestabstände bekannt und in den Komponentenmodellen abgelegt sind – hier muss in Zusammenarbeit mit den Komponentenherstellern noch einige Arbeit geleistet werden. Des Weiteren lässt sich prüfen, ob Aus- und Einlässe von Klimageräten verblockt sind und über die Visualisierung erkennen, ob gegenläufige Strömungsvektoren eine effiziente Kühlung verhindern.
elektro Automation: Nur auf diese Weise lässt sich dann auch der oben genannte zweite Aspekt umsetzen – die intelligente Luftführung?
Wagner: Genau. Im Rahmen des Green-Carbody-Projekts haben wir zusammen mit Lütze dazu ein Konzept entwickelt, bei dem hinter der Montageebene Kaltluft eingeblasen und über die Komponenten auf der Vorderseite wieder nach oben abgesaugt wird, so dass die Kühlluft optimal zirkuliert. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Steuerungen, Umrichter und alle anderen Komponenten entsprechend platziert sind. Im Einzelfall wird dies auch über Öffnungen in der Montagebene erreicht, so dass Kaltluft gezielt an kritische Komponenten geführt werden kann, um Hotspots zu vermeiden – was nicht zuletzt auch die Zuverlässigkeit der Anlagensteuerung sicherstellt!
Heimberg: Dass die Luftführung im Schrank – beziehungsweise die Auslegung des Schrankes als thermodynamisches System – bislang vernachlässigt wird, zeigt die bereits erwähnte Feldstudie an 400 Schaltschränken deutlich. Üblicherweise wird die abzuführende Verlustleistung durch Aufsummieren der maximalen Verlustleistungen der einzelnen Komponenten berechnet und mit einem Sicherheitszuschlag ein Kühlgerät gewählt. Gleichzeitigkeitsfaktoren werden kaum berücksichtigt. In der Regel sind die Geräte damit überdimensioniert. Laut Studie sind 50 Prozent der Kompressorkühlgeräte deutlich überdimensioniert, die durchschnittliche Auslastung liegt bei nur 20 Prozent. Die Einbeziehung der Gleichzeitigkeitsfaktoren ist somit ein wichtiger Punkt, den wir in das zukünftige Planungstool integrieren werden.
elektro Automation: Wie gehen Sie als Lieferant von Kühlgeräten mit dieser Thematik und damit dem ersten Aspekt – der effizienten Bereitstellung von Kaltluft – um?
Wagner: Wir unterstützen unsere Kunden sowohl mit einem Berechnungsprogramm – RiTherm – zur richtigen Dimensionierung der Kühltechnik als auch mit einer verlässlichen Angabe der Kühlleistung. Denn Kühlgerät ist nicht gleich Kühlgerät: Bei Kühlleistung und damit verbunden der Energieeffizienz zeigen sich in der Praxis oft deutliche Unterschiede. Prüfungen sowohl in unserem eigenen als auch in externen Prüflaboren haben in der Vergangenheit ergeben, dass es durchaus nicht unüblich ist, dass Geräte einzelner Hersteller die angegebene Kühlleistung im tatsächlichen Betrieb teilweise deutlich unterschreiten.
elektro Automation: Auf welche Weise geben Sie denn die Kühlleistung ‚verlässlich‘ an?
Wagner: Unsere komplette Kühlgeräteserie wurde erstmalig durch den TÜV Nord auf den Prüfstand gestellt. Sämtliche Messungen wurden dazu gemäß der aktuellen Norm DIN EN 14511-2 in der Prüfstelle für Kälte-, Klima- und Lüftungstechnik des TÜV Nord in Essen durchgeführt. In der Norm ist unter anderem festgelegt, dass die angegebene Kühlleistung nach unten um maximal acht Prozent von der gemessenen Kühlleistung abweichen darf. Das Ergebnis: Alle TopTherm-Kühlgeräte – zu denen auch die energieeffizienten ‚Blue-e‘-Kühlgeräte zählen – dürfen das Prüfzeichen des TÜV Nord tragen. Wer also ein Kühlgerät sucht, kann sich bei uns auf die Leistungsangabe verlassen. Das ist eine zentrale Voraussetzung, um eine Überdimensionierung der Kühlleistung zu vermeiden. Zudem lässt sich nur so ein verlässlicher Wert für die Energieeffizienz ermitteln, das Energy Efficiency Ratio – kurz EER. Mit einem EER von 2,0 lassen sich beispielsweise mit einem Kilowatt elektrischer Energie rund zwei Kilowatt Wärme abführen.
elektro Automation: Welchen Anteil haben denn die Kühlgeräte an der möglichen Energieeinsparung von 58 Prozent im Rahmen des Green-Carbody-Projekts?
Heimberg: Vorausgesetzt, die Anordnung der Komponenten im Schaltschrank ist energetisch optimiert, liefern effizientere Kühlgeräte 35 Prozent des angegebenen Einsparpotenzials von 58 Prozent, die restlichen 23 Prozent entfallen auf die intelligente Luftführung. Für die 35 Prozent ziehen wir den Vergleich von unseren alten Comfort-Geräten zur Blue-e-Kühlgeräteserie heran. Betont sei aber nochmals: Das gilt nur, wenn der Schaltschrank richtig aufgebaut ist. Das führt natürlich auch zu einem Zielkonflikt hinsichtlich anderer Aspekte wie etwa den kurzen Kabelwegen und es erfordert den Einsatz von mehr Ingenieurstunden pro Schrank. An dieser Stelle spielt der Anlagenbetreiber eine wesentliche Rolle, denn er profitiert letztlich von dem geringeren Energieverbrauch und der gesteigerten Betriebssicherheit – muss dies aber auch vom Anlagenbauer einfordern.
Wagner: Im Rahmen der Ergebnispräsentation der Innovationsallianz Green Carbody Technologies – Verbundprojekt Karosseriebau – hat beispielsweise der Projektpartner Volkswagen darauf hingewiesen, dass zukünftig neben den reinen Beschaffungskosten für Anlagen und Komponenten auch der Energiebedarf von Komponenten im Betrieb und im Ruhezustand eine entscheidende Rolle bei der Kaufentscheidung spielen werden. Das bedeutet, den Zuschlag bekommen zukünftig die Lieferanten, die einen Nachweis der Energieeffizienz liefern können – über die Gesamtkosten für den geplanten Nutzungszeitraum. Energieeffizienz muss der Anlagenbetreiber fordern. Entsprechende Nachweise spielen übrigens auch im Zusammenhang mit der IEC 61439 eine Rolle, die ja ab Ende 2014 die Grundnorm für alle Niederspannungs-Schaltanlagen sein wird.
elektro Automation: Mit welchen technischen Maßnahmen erreichen Sie denn bei Ihren Kühlgeräten eine hohe Energieeffizienz?
Wagner: Abhängig von dem jeweiligen Kühlgerät ist das eine Reihe von Maßnahmen, die hier zum Tragen kommt. So lässt sich beispielsweise der Kältekreislauf über größere Wärmetauscherflächen und damit kleinere Kompressoren optimieren. Finde ich den optimalen Betriebspunkt, spare ich Energie. In die gleiche Richtung zielen nanobeschichtete Kühllamellen, die präventiv eine Verschmutzung und damit eine geringere Wärmetauscherleistung vermeiden. Einen ganz wesentlichen Beitrag liefert zudem der Einsatz von EC-Lüftern anstelle von AC-Lüftern – im direkten Vergleich sind sie um bis zu 70 Prozent effizienter, allerdings auch teurer, was aber im Rahmen der Gesamtkosten- oder TCO-Betrachtung berücksichtigt wird. Eine nicht unerhebliche Rolle spielt auch die Regelung, die Innenlüfter sowie Außenlüfter und Kompressor – als größten Verbraucher – zu- und abschaltet. Bislang war es ja so, dass unsere Geräte 2-Punkt-geregelt arbeiten. Dabei gibt der Anwender einen Sollwert vor, bei dem Kompressor und Außenlüfter gemeinsam zugeschaltet werden, bis die Temperatur im Schaltschrank gesunken ist – wahlweise um einen Wert zwischen zwei und zehn Kelvin. Der Innenlüfter lief dagegen permanent, was sich aber mit der Einführung der Blue-e-Baureihe und der neuen Eco-Mode-Regelung geändert hat. Jetzt wird auch der Innenlüfter abgeschaltet, wenn die Schaltschrankinnentemperatur um mehr als 10 Kelvin unter dem Sollwert liegt.
elektro Automation: Herr Wagner, Herr Heimberg, wir danken für das Gespräch.
Hannover Messe: 11-E06
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