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Die Kommunikation Punkt- zu-Punkt wird zunehmen

Die Anforderungen an die Schnittstellen für die Bildverarbeitung sind vielfältig
Die Kommunikation Punkt- zu-Punkt wird zunehmen

Die industrielle Bildverarbeitung hat sich in der Produktionstechnik und in der Qualitätskontrolle in vielen Anwendungen bewährt. Mit der Verfügbarkeit leistungsfähiger Rechner und Kommunikationstechniken erschließt sich die Technik immer neue Einsatzgebiete und auch in der Smart Factory dürfte die Bildverarbeitung zukünftig eine wachsende Bedeutung erlangen. Neben GigE Vision sind verschiedene Schnittstellen wie Camera Link oder CoaX Press etabliert. Darüber hinaus hat sich auch USB 3 einen festen Platz unter den Alternativen gesichert. Was sind die aktuellen Trends bei den Schnittstellen? Dazu vier Experten.

elektro AUTOMATION: Welche Anforderungen werden zurzeit an die Daten-Kommunikation in der Bildverarbeitung gestellt? Wie werden sich diese Anforderungen beispielsweise mit Blick auf die Smart-Factory weiterentwickeln?

Benz (Baumer): Die Anforderungen an die Übertragungsschnittstellen sind vielfältig. Dazu zählen z. B. Bandbreite, Latenz, Zuverlässigkeit, Kabellänge, breite Verfügbarkeit und hohe Akzeptanz. Natürlich sind auch immer die resultierenden Systemkosten wichtig. Ausschlaggebend dafür ist, ob ein Standard auch außerhalb der Bildverarbeitung genutzt und in hohen Stückzahlen eingesetzt wird. Gleichzeitig sind auch die konkreten Applikationsanforderungen zu berücksichtigen. Es gibt keinen Standard, der alle Anforderungen gleichermaßen gut abdeckt. Zudem findet eine permanente Weiterentwicklung statt. GigE mit einer Bandbreite von ca. 115 MB/s deckt heute die meisten Applikationen ab. Höhere Anforderungen an Auflösung und Durchsatz benötigen andere Schnittstellen wie USB 3.0 oder Camera Link, die eine höhere Bandbreite bereitstellen. Für Smart-Factory ist z.B. eine eindeutige Identifikation der zu bearbeiteten Produkte nötig. Dazu können Methoden der Bildverarbeitung wie lesbare Codes oder auch RFID eingesetzt werden. Da die Anlagen zukünftig immer autonomer arbeiten werden, ist ein verbessertes Monitoring der Übertragungsschnittstelle nötig, um rechtzeitig mögliche Fehlersituationen zu erkennen. Dazu kann z.B. eine Überwachung von Übertragungsfehlern beitragen, die Kabelausfälle wie bei Robotik-Anwendungen rechtzeitig erkennt.
Lansche (Matrix Vision): Immer schnellere Sensoren mit höheren Auflösungen führen zu immer größeren Datenmengen. Diese Daten ohne Informationsverluste vom Bildgeber zum Bildverarbeiter zu bekommen, ist eine Hauptanforderung an die Daten-Kommunikation; vor allem bei Mehrkameraanwendungen. Auch hinsichtlich Smart-Factory muss gewährleistet sein, dass die Daten-Kommunikation robust und zuverlässig funktioniert.
Lewerendt (Basler): Wir stoßen immer wieder auf die drei Kernanforderungen ‚schnell, sicher und günstig‘; denn Zeit ist Geld. Geschwindigkeit steht zwar nicht überall im Vordergrund, aber es möchte ja auch niemand länger auf Ergebnisse warten müssen. Schnelligkeit steht für Performance, und mehr Performance ist bei Kunden gern gesehen. Die 100%-ige Verlässlichkeit auf ein Investitionsgut ist inzwischen zu einem undiskutablen Musskriterium geworden. Dem Benutzer eines BV-Systems schwindet zusehends das Verständnis für Fehlerraten. Der wohl wichtigste Parameter sind die Kosten. Am Ende des Tages geht es ums Geld – und immer wichtiger werdend – auch um verdeckte Kosten. Hierbei helfen Industriestandards, die sich idealerweise aus Standards der Consumer-Welt bedienen. Beispiele sind USB3-Vision und GigE-Vision (kostengünstige Hardware nachgereift für industrielle Anforderungen). In der Smart Factory werden die drei Parameter als wichtigste Antreiber vermutlich bestehen bleiben. Hier liegt jedoch der Fokus auf der Optimierung des Zusammenspiels der verschiedenen Produktionseinheiten – auch über Unternehmensgrenzen hinweg – und weniger in den einzelnen Komponenten.
Schick (IDS): Im Großen und Ganzen sind es vier Anforderungen, mit denen der Datenaustausch in BV-Anwendungen konfrontiert ist: Deterministisches Verhalten, Fehlertoleranz, hohe Performance und nicht zuletzt Datensicherheit. Mit Blick auf die Smart Factory bzw. Industrie 4.0 werden diese Anforderungen künftig noch wichtiger. In der Fabrik der Zukunft werden Machine-Vision-Applikationen dezentralisiert sein, also direkt am Ort der Bilderfassung ablaufen – die Kommunikation Punkt-zu-Punkt wird zunehmen. Außerdem rückt die Bildverarbeitung näher an die Automatisierung. Eine einfache Integration und Konfiguration der BV-Komponenten gewinnt daher weiter an Bedeutung.
elektro AUTOMATION: Die aus der IT bekannten Standardschnittstellen kommen immer häufiger auch in der Bildverarbeitung zum Einsatz. Welche Eigenschaften müssen beispielsweise GigE oder USB3 erfüllen, um für die Aufgaben in der Bildverarbeitung optimal geeignet zu sein? Gibt es leistungsfähige Alternativen?
Benz (Baumer): IT-Standards bieten aufgrund der höheren Verbreitung Kostenvorteile gegenüber speziell für die Bildverarbeitung realisierten Standards. So ist kein Framegrabber nötig und die passende Schnittstelle ist häufig bereits im PC vorhanden. Dadurch kann auch die Komplexität bei Integration und Betrieb gesenkt werden. Moderne Standards wie USB 3.0 bieten zudem eine einfache Bedienbarkeit durch Plug and Play, eine Einkabellösung für Daten und Stromversorgung sowie die Übertragung der Daten per DMA in den Speicher des PCs mit sehr geringer CPU-Last. Im PC-Bereich werden bereits noch leistungsfähigere Standards wie 10 GigE, USB 3.1 oder Thunderbolt verwendet. Es ist davon auszugehen, dass diese mittelfristig auch Verwendung in der Bildverarbeitung finden werden, um weiter steigenden Anforderungen Rechnung zu tragen.
Lansche (Matrix Vision): GigE und USB 3 stellen ausreichende Bandbreiten zur Verfügung, sodass die Grundvoraussetzung für die Nutzung in der Bildverarbeitung mit den neuen Sensoren gegeben ist. Durch die Einführung der BV-Standards GigE- Vision und USB3-Vision wurden beide Standardschnittstellen vollends BV-tauglich: bspw. machen Resend-Mechanismen die Schnittstellen zuverlässiger und verschraubbare Industrieanschlüsse sie robuster. Dementsprechend muss auch die Kamera hardwaremäßig (mit Pufferspeicher) als auch mechanisch (mit Schraubanschlüssen) vorbereitet sein.
Lewerendt (Basler): Es gibt noch immer keine Schnittstelle, die die Bedürfnisse aller Kundengruppen vollständig erfüllt – und das hierfür passende Interface scheint auch noch nicht in Aussicht zu stehen. Es gibt eine Reihe spezieller BV-Schnittstellen, die für die Bildverarbeitung entwickelt wurden, wie CLHS oder Coax Press. Sie sind hoch performant, nur leider so speziell, dass man Rechnersysteme mit Einsteckkarten extra dafür herrichten muss, was zusätzliche Kosten verursacht. Um diese zu sparen, greifen viele Kunden auf herkömmliche Interfaces zurück. Zu den Standard-BV-Schnittstellen gehören die Interfaces, mit denen der normale Consumer-PC heutzutage ausgestattet ist und die nachträglich über spezielle und standardisierte Treiber industrietauglich gemacht wurden. Sie sind deutlich günstiger bereitzustellen, müssen jedoch die Einschränkungen akzeptieren, die das Consumer-Interface mit sich bringt, wie Datenraten, Protokoll-Overhead oder Kabellängen.
Schick (IDS): Bandbreite, Datenintegrität und Fehlertoleranz spielen eine elementare Rolle. Ohne diese Eigenschaften geht es nicht. Neben der Schnittstelle ist dabei aber auch eine leistungsfähige Software gefragt – sowohl auf der Rechner- als auch auf der Kameraseite. Damit lässt sich die Datenübertragung sicher gestalten und auf Fehler reagieren. Sie bietet zudem die Möglichkeit, durch eine optimale Konfiguration der Kamera die Datenübertragung auf das notwendige Minimum zu reduzieren (AOI, Binning/Subsampling, verstellbarer Pixeltakt usw.), um z. B. noch höhere Frameraten zu erzielen. Dazu kommt die industrietaugliche Ausführung der Hardware, wie verschraubbare Steckverbinder und – beispielsweise bei USB-Verbindern – qualitativ hochwertige und schleppkettentaugliche Kabel. Leistungsfähigere Alternativen zu GigE und USB 3.0 sehen wir – mit Ausnahme der Folgetechnologien USB 3.x und 10 GigE – im Augenblick nicht.
elektro AUTOMATION: Wireless LAN findet zunehmend auch in der Sensorik Einsatz. Reichen die Übertragungsraten dieses Standards auch für Anwendungen in der Bildverarbeitung? Wie beurteilen Sie im Zusammenhang mit der BV die weitere Entwicklung der Wireless-Technologien?
Benz (Baumer): Neuere WLAN-Standards wie 802.11ac bieten mit 1,3 Gbit/s eine ausreichend hohe Bruttobandbreite. Die praktisch erzielbare Bandbreite ist jedoch deutlich geringer und zudem stark von der Entfernung abhängig. Eine direkte Sichtverbindung ohne Hindernisse und Reflektionen sollte vorhanden sein, um diese Übertragung nutzen zu können. Systeme mit höheren Anforderungen an eine deterministische Bildübertragung mit kurzer Latenz können nicht bedient werden, da mit sporadischen Netzstörungen gerechnet werden muss. Nachteilig wirkt sich außerdem der erheblich größere Platzbedarf für die Antennen und die höhere Verlustleistung aus. Im Ergebnis wird diese Übertragungstechnologie nur in Ausnahmefällen in der industriellen Bildverarbeitung Einzug halten.
Lansche (Matrix Vision): Natürlich ist es reizvoll, wenn man durch Wireless-LAN keinen Gedanken mehr an die Verkabelung verschwenden muss. Dafür gibt es andere Faktoren, welche bedacht werden müssen: bspw. die so genannte Wireless-LAN-Polution. Zu viele WLANs versuchen aufgrund der begrenzten Anzahl an Funkkanälen sich gegenseitig durch stärkere Signale zu übertrumpfen und beeinträchtigen dadurch die Übertragungsqualität. Auch der Elektrosmog steigt hierdurch an. Sobald eine WLAN-Polution ausgeschlossen werden kann, hat WLAN eine Daseinsberechtigung und der einschränkende Faktor bleibt die Übertragungsrate. Jedoch sollen mit dem Standard 802.11ad bis zu 7 Gbit/s über kurze Distanzen ohne Hindernisse in der Verbindungslinie möglich sein.
Lewerendt (Basler): Der derzeit am weitesten verbreitete Wifi-Standard 802.11.n. ist ideal für die täglichen Office-Arbeiten wie E-Mail, Web, etc. geeignet. Aber für Video-Übertragungen ist er zu langsam und deshalb untauglich. Die absolute Mehrheit der BV-Anwendungen kommt mit der Datenrate und der Verlässlichkeit des Standards nicht aus. Der neue Wifi-Standard 802.11.ac ist seit einiger Zeit verfügbar und wartet mit signifikant höherer Datenrate auf – und ist damit auch für einen größeren Anteil des BV-Marktes attraktiv. Die schwankenden Datenraten sind damit leider nicht vom Tisch. So bleibt die Frage, ob der Einsatz in der Praxis für ausreichend hohe Datenraten ausreicht. Erwähnenswert scheint der Ausblick auf den kommenden Standard 802.11.ad. Er ist noch schneller und bietet damit noch mehr Gangreserve für Geschwindigkeitsschwankungen. Seine Reichweite ist jedoch limitiert und wird mit etwa 10 m angegeben. Das wiederum limitiert seine Anwendbarkeit in der BV; die geringe Reichweite macht ihn aber sicherer gegen Angriffe.
Schick (IDS): Das ist in erster Linie von der Applikation abhängig. Live-Bilder in Full-HD sind mit WLAN natürlich nicht möglich. In der Sensorik geht es aber darum, Ergebnisdaten zu übertragen und auszuwerten, wie beispielsweise einen dekodierten Barcode, ein NIO-Signal oder ein Bild mit Fehlstelle. Wenn es nicht auf Echtzeit-Performance ankommt, können in der Bildverarbeitung auch Wireless-Technologien durchaus zum Einsatz kommen.
elektro AUTOMATION: Seit einiger Zeit ist der Standard HDBaseT in der Diskussion, der die Übertragung unkomprimierter UHD-Bildinhalte im 10/100-Mbit-Ethernet und mit PoE bis 100 W ermöglichen soll. Könnte dieser Standard auch für die Bildverarbeitung Bedeutung erlangen?
Benz (Baumer): HDBaseT ermöglicht die Übertragung von Audio-, Video- und Steuerungsdaten über ein gemeinsames Kabel. Da die Bandbreite jedoch mit 100 Mbit/s sehr limitiert ist, ist die praktische Bedeutung für die Bildverarbeitung gering. Mit GigE Vision steht zudem ein ausgereifter und akzeptierter Standard zur Verfügung. Hier gibt es auch aktive Weiterentwicklungen wie die Unterstützung neuer Datenformate für 3D oder noch höherer Bandbreiten wie das 10-Gbit-Ethernet.
Lansche (Matrix Vision): Bei dem HD- BaseT-Standard erkennt man schnell die Filmbranchen-Herkunft. Viele Funktionen sind uninteressant für die Bildüberwachung und eine Erweiterung für die Bildverarbeitung würde zwingend notwendig sein. Alternativ könnte HDBaseT für den BV-Teilbereich ‚Überwachung‘ eine Überlegung wert sein.
Lewerendt (Basler): Ja, aber leider nicht für jeden. In Film-nahen Branchen findet gerade ein Wechsel von HD (1080p) auf 4k statt. Vorreiter ist das Professional-Video-Segment. Es ist abzusehen, dass in wenigen Jahren HD so altmodisch ist wie heute PAL. So ein Technologiewechsel in der Consumer-Welt wird wie immer Auswirkungen auf die Industrie haben. Es gibt so einige BV-Anwendungen (z. B. im Monitoring oder der Sportanalyse), die ihren Usern gern mehr Bild-Performance bei geringen Kosten anbieten würden. Fraglich bleibt jedoch, was für den Einzug in die BV-Welt noch an Standardisierungsarbeit geleistet werden muss, damit die lokalen Anforderungen berücksichtigt werden. Davon hängt es ab, wie viele Branchen und Anwendungen auf HDBaseT setzen werden.
Schick (IDS): Wir sehen hier keinen Trend. ge
„Mit GigE Vision steht ein ausgereifter Standard zur Verfügung, noch höherer Bandbreiten bietet das 10-Gbit-Ethernet“
„Der einschränkende Faktor beim WLAN bleibt die Übertragungsrate“
„Beispiele für Standards aus der Consumer-Welt sind USB3- und GigE- Vision; die für industrielle Anforderungen ertüchtigt werden“
„Alternativen zu GigE und USB 3.0 sehen wir – ausgenommen die Folgetechnologien USB 3.x und 10 GigE – im Augenblick nicht“

DIE TEILNEHMER
  • Mirko Benz, Produktmanager im Vision Competence Center bei Baumer GmbH, Radeberg
  • Ulli Lansche, Technischer Redakteur bei Matrix Vision GmbH, Oppenweiler
  • Ingo Lewerendt, Strategic Business Development Manager, Basler AG, Ahrensburg
  • Patrick Schick, Produktmanager bei IDS Imaging Development Systems GmbH, Obersulm
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