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Weltspitze bei der Entwicklung digitaler Technologien

Serie Industrie 4.0 im globalen Kontext – Teil 3: Japan
Weltspitze bei der Entwicklung digitaler Technologien

Welche Bedeutung hat das Thema Industrie 4.0 im globalen Kontext? Im dritten Teil der Serie „Industrie 4.0 global“ der elektro AUTOMATION steht Japan im Mittelpunkt. Auch in dem asiatischen Land ist das Internet of Things (IoT) ein Mega-Thema. Gleich mehrere Organisationen sollen die Anstrengungen bündeln und Japans Wettbewerbsfähigkeit in Sachen digitalisierte Industrie sicherstellen. Zudem setzt man auf internationale Kooperationen. In diesem Jahr sind die Japaner daher Partnerland der Cebit.

Johannes Gillar, stellvertretender Chefredakteur KEM Konstruktion

Japan hat seit jeher eine technologisch hoch entwickelte Industriestruktur und war in Sachen industrielle Entwicklung lange Zeit ein Vorbild für Europa und die USA. Begleitet und teilweise gesteuert wurde diese Innovationskultur vom Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (METI). Bereits in den 1990er Jahren organisierte beispielsweise die Europäische Union Besuche von Industriedelegationen in dem asiatischen Land. Deren Ziel war es, zu lernen, wie japanische Firmen Forschung & Entwicklung betreiben. Denn es gelang den Japaner damals ihre Produkte deutlich schneller auf den Markt zu bringen als ihren europäischen Wettbewerbern. Angesichts dieser innovativen Tradition wundert es kaum, dass die technologischen Trends der digitalen Transformation – hierzulande unter dem begriff Industrie 4.0 zusammengefasst – im Land der aufgehenden Sonne ein Mega-Thema sind. Digitale Innovationen wie das Internet of Things, Virtual Reality, Artificial Intelligence, Cyber Security, autonome Systeme oder humanoide, kollaborative Roboter sind in Japan ebenfalls allgegenwärtige Themen.
Japan hat drei IoT-Initiativen
Allerdings wird es vermieden, den Begriff Industrie 4.0 zu verwenden, sondern man spricht von IoT-Initiativen. „Es gibt drei wesentliche Organisationen, die an IoT-Initiativen arbeiten“, erklärt Taro Shimada, Senior Executive Operating Officer and Division Lead, Digital Factory & Process Automation & Drives, Siemens K.K. in Japan. „Zum einen die Robot Revolution Initiative (RRI), Working Group 1: IoT working group, zweitens die Industry Value Chain Initiative (IVI) und schließlich das IoT Acceleration Lab.“ RRI sei von METI initiiert und das IoT Acceleration Lab vom METI und vom MIAC (Ministry of Internal Affairs and Communications. „Bei der Industry Value Chain Initiative handelt es sich um eine sogenannte NGO (non-government Organisation), die von Prof. Dr. Yasuyuki Nishioka, einem Experten für Informationstechnik und Ingenieurswesen an der Hosei-Universität in Tokio, geleitet wird“, ergänzt der Siemens-Manager. Und sein Kollege Hartmut Pütz, President of Mitsubishi Electric’s Factory Automation – European Business Group, fügt hinzu: „Auf Fertigungsebene finden wir in Japan als Pendant zu Industrie 4.0 die Robot Revolution Initiative sowie die Industrial Value Chain Initiative. Aufgrund der elementaren Wichtigkeit für die Zukunft der japanischen Industrie war die japanische Regierung auch ein Mitbegründer der RRI, die die Entwicklungen über staatliche Unterstützung und Förderprogramme beschleunigt.“ RRI weise viele Parallelen zur deutschen Industrie-4.0-Initiative auf und gehe sogar noch einen Schritt weiter, da sie die künstliche Intelligenz mit Robotik kombiniert. Die IVI hingegen bezieht sich laut Pütz mehr auf den Value-Chain-Ansatz der Industrie-4.0-Plattform und des US-amerikanischen Industrial Internet Consortiums (IIC).
Japan, da sind sich die Experten einig, gehört neben den USA und Deutschland zur Weltspitze bei der Entwicklung digitaler Technologien. Damit will man auch den Herausforderungen einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft begegnen. So investiert Japan etwa stark in intelligente Assistenzsysteme. Weitere wichtige „digitale Zukunftsthemen“ sind unter anderem das Internet der Dinge und die damit verbundenen IT-Sicherheitsmaßnahmen sowie kollaborative Roboter. So wundert es kaum, dass 29 Prozent der für den VDE-Trendreport 2016 „Internet of Things/Industrie 4.0“ befragten Mitgliedsunternehmen Asien als Vorreiter bei diesem Thema und 50 Prozent als gut aufgestellt einstufen. Damit liegt man auf Platz zwei hinter den USA. Schlusslicht in diesem Ranking der Industriekontinente ist Europa. Nur sechs Prozent der befragten Unternehmen sehen Europa als Vorreiter, nur sieben Prozent Deutschland. Zum Vergleich: Südkorea trauen 23 Prozent die Führungsrolle zu, Japan 25 Prozent und China 20 Prozent.
Konkrete Lösungen zur Digitalisierung
Japanische Firmen sind für diese Themen hochsensibilisiert. Denn Japan ist das Land der Roboter. Japanische Firmen wie Yaskawa, Fanuc, aber auch Autohersteller wie Toyota und Honda sind für die Optimierung von Produktionsprozessen weltbekannt. Bei Toyota werden zum Beispiel Maschinen und Transportroboter schon lange vernetzt. Auch der Baumaschinenhersteller Komatsu verbaut schon länger IT in seinen Fahrzeugen. In einem nächsten Schritt will das Unternehmen nun die im Einsatz entstehenden Daten nutzen, um sie effizienter einzusetzen. Auch Automatisierungsspezialist Mitsubishi Electric steuert bereits konkreten Lösungen zur Digitalisierung der Produktion bei. „Die Anforderungen der Digitalisierung sowie deren Umsetzung adressieren wir mit unserem e-F@ctory-Konzept“, verdeutlicht Pütz. Dieses Konzept unterstütze Unternehmen bei ihren Vorhaben in Rahmen der digitalen Transformation, wie zum Beispiel bei der Integration der Daten von Maschinen und Anlagen in Manufacturing-Execution-Systeme und Enterprise-Resource-Planning-Systeme, was eine Basis für Projekte innerhalb der Industrie 4.0-Entwicklung bilde. „Ein elementarer Teil der e-F@ctory ist auch die e-F@ctory Alliance“, so Pütz weiter: „Hierbei handelt es sich um ein global aufgestelltes Partnernetzwerk, das sich aus einer großen Anzahl von Herstellern industrieller Komponenten sowie spezialisierten Systemintegratoren und Softwareunternehmen zusammensetzt. Diese arbeiten kundenspezifisch in individuellen Konstellationen zusammen und können so flexibel optimale Lösungen realisieren.“
Japan Partnerland der Cebit
Insgesamt gehen die Initiativen zum IoT in Japan eher vom Privatsektor als vom Staat aus. Großkonzerne wie Fujitsu oder Hitachi begannen lange bevor der Begriff Industrie 4.0 geprägt wurde, das Thema voranzutreiben. Allerdings ist das Silo-Denken der japanischen Industrie Experten zufolge ein Problem in Zusammenhang mit der Digitalisierung der Produktion. Denn nur wirklich globales Handeln bietet Erfolgsaussichten. „Es hat aber bereits ein Umdenken stattgefunden“, ist Mitsubishi-Electric-Manager Pütz sicher. „Dabei spielt einerseits sowohl die konstante Globalisierung eine Rolle, als auch die Tatsache, dass die japanische Gesellschaft im Kontext der Digitalisierung neue Bedürfnisse entwickelt, die es von der Industrie zu realisieren gilt.“ Konkrete Einblicke in diese Entwicklung könne man beispielsweise auf der kommenden Cebit in Hannover gewinnen, auf der sich die Industrienation Japan – dazu zähle auch Mitsubishi Electric – als Partnerland der Messe präsentiert.
Im März werden sich die Unternehmen und Institutionen aus dem Land der aufgehenden Sonne auf insgesamt mehr als 5 000 Quadratmetern vorstellen. Dazu kommen weitere Ausstellungsflächen in den jeweiligen Angebotsschwerpunkten. Mehr als 120 japanische Unternehmen werden an der Messe teilnehmen. Anfang Oktober 2016 hatten die Deutsche Messe und die japanische Außenhandelsförderorganisation JETRO den Partnerschaftsvertrag unterschrieben. Hitoshi Masuda, Generaldirektor von JETRO Berlin, sagte: „Zum ersten Mal ist Japan Partnerland der Cebit. Wir sind stolz darauf, dass die japanische Außenhandelsförderorganisation dort mit einem großen Länderpavillon vertreten sein wird.“ Im Pavillon soll unter anderem der Einsatz von Robotern in Medizin und Landwirtschaft gezeigt werden.
Wissenstransfer steht im Mittelpunkt
Ein Highlight der japanischen Präsenz wird die gemeinsame Eröffnung der Computer-Show durch Japans Premierminister Shinzō Abe und Bundeskanzlerin Angela Merkel sein. Insgesamt werden laut Deutsche Messe auf der Cebit der bilaterale Wissenstransfer und gemeinsame Forschungsprojekte im Mittelpunkt stehen. Das Universitätskonsortium HeKKSaGOn (Heidelberg – Kyoto – Karlsruhe – Sendai – Göttingen – Osaka – network) beispielsweise wird ein Deutsch-Japanisches Symposium veranstalten. Dort werden Vertreter von sechs führenden Forschungsuniversitäten aus Japan und Deutschland die Herausforderungen und Chancen der Robotik im 21. Jahrhundert diskutieren. Gemeinsam mit Vertretern der Politik möchten sie der Mensch-Maschine-Interaktion, verbunden mit dem demografischen Wandel, Impulse geben. „Japan und Deutschland gehören zu den innovativsten Ländern der Welt und stehen vor ähnlichen Herausforderungen wie der künftigen Energieversorgung und der Digitalisierung“, betont Dr. Katsumasa Ikematsu, Experimentalphysiker am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Gemeinsame Lösungen erarbeiten sechs Universitäten beider Länder im Netzwerk HeKKSaGOn. Die Partner forschen in zukunftsweisenden Feldern wie den Umwelt- und Materialwissenschaften, den Lebens- und Sozialwissenschaften sowie der Robotik.“
Zudem spielen im Zusammenhang mit IoT beziehungsweise Industrie 4.0 auch in Japan Themen wie Standardisierung sowie Daten- und Cyberschutz eine zunehmend wichtige Rolle. Das IoT Acceleration Lab und die Industry Value Chain Initiative sind laut dem Siemens-Experten Taro Shimada weniger am Thema weltweite Standardisierung interessiert, sondern beschäftigen sich mehr damit neue Geschäftsmodelle zu entwickeln beziehungsweise eine Basis für die Digitalisierung und damit eine Verbindung von Fabriken zu schaffen. IVI versuche eher eine japanische Version der Standardisierung zu schaffen. „Die RRI WG1 ist die einzige Organisation, die sich aktiv für das Thema Standardisierung interessiert. Die Mitglieder, die die Initiative vorantreiben, sind Firmen der Fabrikautomatisierung, die wissen wollen, wie sich Standardisierung in ihrem Umfeld in Zukunft entwickeln wird“, verdeutlicht Shimada. Hartmut Pütz von Mitsubishi Electric beobachtet in Sachen Standardisierung in Japan eine gewisse Zurückhaltung hinsichtlich Vorgaben von außerhalb des nationalen Umfeldes. „Aber auch die japanische Industrie setzt natürlich auf internationale Standards, die weltweit umgesetzt und genutzt werden können. Unser Unternehmen arbeitet zum Beispiel an vielen Entwicklungen für internationale Standards im Rahmen von Industrie 4.0 mit“, erklärt er.
Ebenfalls an Bedeutung in der öffentlichen Diskussion gewinnt das Thema IT-Sicherheit. Denn Japans Unternehmen und Behörden hatten in den vergangenen Jahren mit teils massiven Datenlecks zu kämpfen. Im Vergleich zu Deutschland gibt es aber keine wahrnehmbare Aufregung über Datendiebstähle. Im Zusammenhang mit dem Internet of Things wird das Thema Daten- und Cyberschutz mitgedacht, aber es hat noch nicht den Stellenwert wie in Deutschland oder den USA. Allerdings wurde Ende 2014 der sogenannte „Cybersecurity Basic Act“ verabschiedet. Das Gesetz sieht vor, dass die Regierung einheitliche Sicherheitsstandards für den öffentlichen Sektor einrichtet. Gesteuert werden die Belange der IT-Sicherheit jetzt vom Cybersecurity Strategic Headquarters. Dort laufen sämtliche Informationen zusammen. Die Einrichtung soll unter anderem an der Strategie für die künftige Ausrichtung der Internetsicherheit arbeiten, Sicherheitsstandards überprüfen beziehungsweise neu definieren und über erforderliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Internetkriminalität entscheiden.
Auch in Japan tut sich also einiges in Sachen IoT beziehungsweise Industrie 4.0. Und dies zwangsläufig, denn die japanische Industrie steht unter Druck. Wenn sich sämtlich Produktions- und Fertigungsschritte über das Internet über Grenzen und Zeitzonen hinweg abstimmen und steuern lassen, drohen sie ihre technologische Führerschaft in der Produktionstechnologie zu verlieren, wenn sich nichts tut.

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