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„Not-Halt und ein optimierter Wiederanlauf sind vereinbar“

Interview: Frank Breuninger von Pilz zum Thema Safety im Verpackungsmaschinenbau
„Not-Halt und ein optimierter Wiederanlauf sind vereinbar“

Die zunehmende Vielfalt und Differenzierung der hergestellten Produkte sowie der Convenience-Aspekt erfordern Flexibilität beim Verpacken und damit auch von den Maschinen- und Anlagenbauern. Werden Aspekte der Funktionalen Sicherheit so früh wie möglich berücksichtigt, können Verpackungsmaschinen mit Flexibilität und Safety gleichermaßen punkten – weltweit. Branchenmanager Frank Breuninger von der Pilz GmbH & Co. KG in Ostfildern erläutert, wie sich das am effizientesten umsetzen lässt und welches Leistungsportfolio das Unternehmen dazu anbietet.

Das Interview führte Michael Corban, Chefredakteur elektro Automation

elektro Automation: Herr Breuninger, Pilz stellt derzeit fest, dass die Investitionen in der Verpackungsmaschinenbau-Branche steigen. Was sind die Gründe dafür?
Breuninger: Global steigt die Bevölkerungszahl und insbesondere bei uns in Europa macht sich der demographische Wandel bemerkbar. Hält man sich vor Augen, dass rund 60 Prozent der Verpackungen im Lebensmittelbereich zu finden sind, wird auch klar, warum. Einerseits wird es immer wichtiger, Lebensmittel so zu verpacken, dass sie möglichst lange haltbar sind – nur so lassen sich die teilweise knappen Ressourcen effizient nutzen. Andererseits erhöht sich die Varianz der Produkte. Wasserflaschen gibt es beispielsweise in einer steigenden Zahl von Größen und Ausführungen – um die verschiedenen Bedürfnisse zu erfüllen –, und nicht zuletzt am sogenannten ‚Point of Sale‘ spielt die Umverpackung eine immer wichtigere Rolle, was die Beschriftung mit einschließt. Ältere Menschen bevorzugen etwa kleinere Packungsgrößen und eine größere Schrift. Auf der Seite der Hersteller kommen dazu noch logistische Überlegungen, bei denen es darum geht, die Transportkosten zu reduzieren.
elektro Automation: Die Anbieter von Verpackungsmaschinen müssen also eine zunehmende Zahl von Forderungen ‚unter einen Hut bringen‘. Wie lässt sich das lösen?
Breuninger: Flexibilität und Modularität der Maschinen sind natürlich aufgrund der Vielzahl der Produkte und Formatwechsel ein entscheidendes Thema. Daneben spielen aber auch Verfügbarkeit und Produktivität eine große Rolle – nicht nur bei Neuanlagen, sondern insbesondere auch bei der Modernisierung bestehender Anlagen. Dabei geht es nicht nur um die Steigerung von Ausbringung und Taktzahl, sondern auch um die Reduzierung der Stillstandszeiten – was sich etwa mit einem schnellen Wiederanlauf nach einem Maschinenstillstand erreichen lässt, gleichzeitig aber hohe Anforderungen an das Thema Motion Control stellt. Generell ist festzustellen, dass analog zum Automobilbau der modulare Plattform-Ansatz Möglichkeiten eröffnet, die Varianz zu bieten ohne auf Standardisierung verzichten zu müssen. Die Sicherheitstechnik spielt dabei eine zentrale Rolle.
elektro Automation: Gibt es denn keinen Widerspruch zwischen den Aspekten Flexibilität und modularer Aufbau einerseits sowie der Funktionalen Sicherheit andererseits?
Breuninger: Das Stichwort lautet aus unserer Sicht hier: Sicherheit muss man von Beginn an ‚eindesignen‘! Deswegen bieten wir unseren Kunden an, möglichst frühzeitig mit in den Entwicklungsprozess einzusteigen. Pilz steht hier mit einer umfassenden Beratungskompetenz zur Seite. Unter anderem können wir die Risikobeurteilung durchführen und ein Sicherheitskonzept erstellen. Letztlich lässt sich so Zeit sparen und die Kosten sinken. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Aufwand durch ansonsten nachträglich erforderliche Änderungen vermieden werden kann. Das lässt sich erreichen, wenn der Fokus klar auf dem Anwendernutzen liegt und alle notwendigen Betriebsarten von vornherein berücksichtigt werden. Das heißt, dass es etwa bei einer Maschine im Lebensmittelbereich mehr gibt als nur den normalen Betriebsmodus und den Not-Halt. Auch die Wartung und Reinigung muss sicher möglich sein, etwa bei einer geöffneten Schutztür über eine sicher reduzierte Geschwindigkeit. Solche Fragen bezüglich der Sicherheitstechnik sollten bereits in einer frühen Phase des Entwurfs berücksichtigt werden. Dann lassen sich die unterschiedlichen Anforderungen wie Sicherheit, Anwenderfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit optimal miteinander verbinden.
elektro Automation: Wie gehen Sie denn das Thema an, wenn Sie in die Entwicklung miteinbezogen werden?
Breuninger: Der Prozess beginnt stets mit der Risikobeurteilung, aus der sich dann das Sicherheitskonzept und damit das Sicherheitsdesign ergeben. Dabei begleiten wir den Anwender bis hin zur Systemintegration und Validierung – und zwar entsprechend den individuellen Kundenwünschen. Zudem können wir ihn bezüglich des Einsatzes der Maschine im europäischen Raum unterstützen, indem wir sogar selbst als Bevollmächtigter die Verantwortung für das Konformitätsverfahren der CE-Kennzeichnung übernehmen. Darüber hinaus führen wir auch internationale Konformitätsbewertungen durch. Grundsätzlich ist die Vorgehensweise aber im Prinzip immer gleich: In einem ersten Schritt wird es immer darum gehen, eine Maschine konstruktiv so auszulegen, dass das Gefährdungspotenzial so klein wie möglich ist. Denken Sie beispielsweise daran, dass typischerweise Förderbänder mit vielen Antrieben beteiligt sind. Dann geht es natürlich zunächst darum, etwa Quetschgefahren für die Finger von vornherein auszuschließen.
elektro Automation: Wie gehen Sie mit Situationen um, bei denen in Intervallen immer wieder ein Gefahrenbereich betreten werden muss, weil nur so der Betrieb möglich ist? Können Sie hier ein Beispiel nennen?
Breuninger: Ein sehr gutes Beispiel – einen Stanztiegel für Verpackungsmaterial. Konkret ging es dabei um die Aufgabe, eine relativ alte Maschine zu modernisieren. Aus Sicht der Sicherheitstechnik muss dabei der Schutzraum variabel sein – schließt die Presse, darf sich kein Anwender im Sicherheitsbereich aufhalten; während beim Öffnen und Entnehmen des Kartons der Anwender sogar in die Maschine greifen muss. Gelöst haben wir diese Aufgabe mit unserem sicheren Kamerasystem SafetyEYE zur 3D-Raumüberwachung, das ein Eindringen von Personen und Objekten in frei definierbare Warn- und Schutzräume meldet. In diesem Fall wird nur beim Schließen des Stanztiegels überprüft, ob sich ein Mensch in der Nähe der Maschine befindet und der Prozess damit natürlich sicher überwacht.
elektro Automation: Wo lässt sich das Kamerasystem denn überall einsetzen?
Breuninger: Das SafetyEYE ist vielseitig nutzbar. Ein Beispiel ist das Verpacken von Motorblöcken bei Opel Wien, dem größten Powertrain-Werk im General-Motors-Konzern. Die Aufgabe war hier, die Zugänglichkeit im Verpackungsbereich zu gewährleisten, um die Position der Motorblöcke exakt ausrichten zu können. Schutzzäune schieden deswegen aus – das SafetyEYE punktete mit seiner Flexibilität.
elektro Automation: Eingangs hatten Sie das Thema Motion Control angesprochen, insbesondere im Zusammenhang mit einem schnellen Wiederanlauf einer Maschine nach einem Stillstand. Können Sie das näher erläutern?
Breuninger: An dieser Stelle ist von Vorteil, dass wir alle Komponenten eines Sicherheitssystems aus einer Hand anbieten können – von der Sensorik über die Steuerungstechnik bis zur Aktorik mit antriebsintegrierten Sicherheitsfunktionen. Das ermöglicht uns sowohl die Diagnose und Analyse eines Ablaufs als auch darauf aufbauend die Formulierung klarer Handlungsempfehlungen, um etwa Stillstandszeiten zu reduzieren. Um es konkreter zu machen: Mit unserem Sicherheitsrelais PNOZ s30 – wir nennen es auch Drehzahlwächter – lassen sich Stillstand, Drehzahl und -richtung sowie die Position überwachen, übrigens nach EN ISO 13849-1 bis PL e und nach EN IEC 62061 bis SIL CL 3. Der Clou daran ist, dass ich nun nicht nur die Maschine sicher stoppen kann, sondern aufgrund der Sensorik auch sicherstelle, dass eine bestimmte Position erreicht wurde, die für den schnellen Wiederanlauf wichtig ist.
elektro Automation: Auf diese Weise gewährleisten Sie dann die Sicherheit und verbinden diese mit einer hohen Verfügbarkeit…
Breuninger: …wodurch die Produktivität der Maschine steigt. Zudem können wir auch bezüglich mehrerer Achsen die Synchronität sicherstellen – wenn sich etwa eine Folie nicht verziehen darf. Auch hier ist entscheidend, dass sich nicht nur allein ein sicherer Zustand erreichen lässt, sondern gleichzeitig ein optimierter Wiederanlauf berücksichtigt wird – eine klassische Motion-Control-Aufgabe. Ein weiteres wichtiges Plus für den Anwender ist dabei, dass wir einen sicheren Zustand gewährleisten können, ohne dass dazu die komplette Maschine vom Netz genommen werden muss – denn oftmals kann nur dadurch ein Prozess stabil gehalten werden. Hier lohnt sich auch ein Blick auf unser Automatisierungssystem PSS 4000 für Standard- und Sicherheitsfunktionen. Reden wir nicht von einzelnen Maschinen, sondern von verketteten Anlagen, versetzt unser System im Fehlerfall nur die Bereiche mit dem Fehler in den sicheren Zustand, alle anderen sind davon nicht betroffen. Anders formuliert: Der Betreiber muss nicht mehr die komplette Linie lahmlegen, wenn nur ein einzelner Prozessschritt betroffen ist.
elektro Automation: Bieten Sie auch eine Lösung an, wenn Platz knapp ist?
Breuninger: An dieser Stelle kommen die Produktfamilien des konfigurierbaren Steuerungssystems PNOZmulti zum Einsatz, die die Lücke zwischen klassischen Sicherheitsschaltgeräten und programmierbaren Steuerungssystemen schließen. Die Geräte bieten auf kleinstem Raum alle notwendigen Funktionen für die sicherheitstechnische Steuerung von Maschinen und Anlagen. Das zeigt das Beispiel von beck packautomaten, spezialisiert auf Folienverpackungsmaschinen und Schrumpfverpackungsanlagen (siehe Kasten). Hilfreich ist hier, dass wir durch die Mitarbeit in den Normengremien Normen-, Produkt- und Applikationswissen aus einer Hand anbieten – davon profitiert jeder einzelne Anwender. Darüber hinausgehend sei erwähnt, dass wir natürlich auch auf individuelle Kundenwünsche eingehen. So bieten wir beispielsweise im Bereich der dezentralen Peripherie unsere IP67-Module oder auch eine Schutztürzuhaltung in einer Edelstahlausführung an – um insbesondere die Hygiene-Anforderungen im Lebensmittelbereich zu erfüllen.
elektro Automation: Nachdem wir zu Beginn bereits über die konstruktionsbegleitende Unterstützung gesprochen haben abschließend noch eine Frage zum Thema Schulungen. Was können Sie hier den Interessierten bieten?
Breuninger: Neben den Schulungen für die Anwender im Feld bieten wir bewusst eine Reihe von Kursen, die sich an den Konstrukteur wenden. Etwa mit der Schulung zum zertifizierten Maschinensicherheitsexperten. Das Trainingsprogramm CMSE schließt mit einem international anerkannten Zertifikat des TÜV Nord ab.
elektro Automation: Herr Breuninger, vielen Dank für das Gespräch.
„Wir können einen sicheren Zustand gewährleisten, ohne dass dazu die Maschine vom Netz genommen werden muss – denn oftmals kann nur dadurch ein Prozess stabil gehalten werden.“

PRAXIS PLUS
Wenn es um den Export von Maschinen und Anlagen geht, bietet die International Service Group (ISG) von Pilz die internationale Konformitätsbewertung der Maschinen an. Damit lässt sich einfach nachweisen, dass eine Maschine die jeweils gültigen Anforderungen erfüllt, etwa entsprechend UL für die USA, CCC für China oder GOST-R für Russland. Will ein deutscher Maschinenbauer beispielsweise nach Brasilien exportieren, stellt zudem die ISG den Austausch zwischen dem brasilianischen und dem deutschen Kollegen vor Ort sicher. Umgekehrt lässt sich der Service übrigens auch nutzen, wenn eine Maschine aus dem EU-Ausland importiert werden soll.

Sichere Komplettlösung für das Verpacken

„Komplettlösungen mit Steuerung und Sensorik von Pilz ermöglichen es uns, Folienverpackungs- und Schrumpfverpackungsanlagen anzubieten, die den Anforderungen an Produktivität und funktionale Sicherheit in höchstem Maße gerecht werden“, sagt Beate Beck-Deharde, Geschäftsführerin der beck packautomaten GmbH & Co. KG in Frickenhausen. Zum Einsatz kommen dabei insbesondere das konfigurierbare Sicherheitsschaltgerät PNOZmulti Mini sowie Sicherheitsschalter, die durch ihr berührungsloses Wirkprinzip eine lange Produktlebensdauer aufweisen.
Das Unternehmen setzte bereits in der Vergangenheit konventionelle Schutztechnik und Not-Halt-Taster von Pilz ein und wandte sich auch im Zuge einer grundlegenden Revision der Sicherheitsarchitektur an die Experten in Ostfildern. Je nach Komplexität der Folienverpackungsmaschinen und Schrumpfverpackungsanlagen gilt es, eine ganze Reihe von Risiken abzusichern: Wenn beispielsweise Zeitschriften oder Bauteile in Folie verpackt sowie Gläser mit Nahrungsmitteln oder Plastikflaschen über einen Thermoschrumpfer in Sets zusammengefasst werden, besteht entlang der Materialzuführungen, beim Verpackungsvorgang selbst oder im Rahmen des Abtransports die Gefahr von Quetschungen. Finger können eingeklemmt oder auch Bekleidungsteile eingezogen werden. In vielen Fällen sorgen deshalb Schutzhauben oder sich im Arbeitstakt absenkende Trenneinrichtungen für grundlegende Sicherheit.
Weltweiter Sicherheitsstandard für alle Maschinentypen
Magnetische Sicherheitsschalter des Typs PSENmag stellen nun zuverlässig sicher, dass Hauben und Trenneinrichtungen nicht unbeabsichtigt oder sogar unbefugt geöffnet werden. Die Sicherheitssensoren können sowohl die Stellung als auch die Position der Schutzeinrichtungen überwachen. Zudem lassen sie sich in Reihe schalten – was die Kosten senkt. Durch ihre kompakte Bauform benötigen sie nur wenig Platz, bieten aber dennoch über unterschiedliche Anschlüsse, Montage- und Anfahrrichtungen sowie Schaltabstände flexible Einsatzmöglichkeiten.
Für das integrierte Sicherheitsmanagement zeichnet das konfigurierbare Sicherheitsschaltgerät PNOZmulti Mini verantwortlich – und steht dazu unmittelbar mit der Maschinensteuerung in Verbindung. Es überwacht die magnetischen Sicherheitsschalter sowie die installierten Not-Halt-Taster. So zieht das Öffnen einer Haube oder ein Drücken des Not-Halt-Tasters unmittelbar den kontrollierten Stopp der Anlage oder eines definierten Anlagenbereiches nach sich. Das Basisgerät ist für die Auswertung mehrerer Sicherheitsfunktionen konzipiert und arbeitet dabei unabhängig von der eingesetzten Betriebs- oder Standardsteuerung. Das Besondere daran: Mit den Basisgeräten lassen sich bis zu 8 der 20 Eingänge sowie die 4 Testtakte in Standardausgänge umkonfigurieren.
Alle Funktionen der konfigurierbaren Sicherheitsschaltgeräte, die die Lücke zwischen klassischen Sicherheitsschaltgeräten und programmierbaren Steuerungssystemen schließen, kann der Anwender auf einfache Weise mit dem Softwaretool PNOZmulti Configurator am PC verwalten. Dies spart – im Vergleich zur ansonsten aufwändigen Verdrahtung – Zeit und Kosten. Über die konfigurierten Kontakte ist die Kommunikation mit der Betriebs- oder Standardsteuerung direkt über das sicherheitsgerichtete Auswertegerät möglich, ohne dass der Anwender in eine Feldbus- oder Ethernet-Schnittstelle investieren muss. Darüber hinaus bietet das PNOZmulti Mini einen entscheidenden Vorteil: Da es die Auswahl weiterer Automatisierungskomponenten nicht einschränkt, lässt es sich ohne weiteres als weltweiter Sicherheitsstandard für sämtliche Maschinentypen einsetzen.
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